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US-Präsident auf Europa-TourObama stärkt die Rolle der Türkei

Medien spekulieren, was die Nato für den Kompromiss um Rasmussen wohl gezahlt hat. Obama will die Kontakte der Regierung in Ankara für die regionale Diplomatie nutzen.

Allen kann man es nie recht machen: "Obama raus"-Demo in Istanbul. Bild: dpa

Noch ehe US-Präsident Barack Obama am Sonntagabend in Ankara landete, hatte er das türkisch-amerikanische Verhältnis bereits entscheidend verbessert. Anders als Frankreichs Nicolas Sarkozy und Deutschlands Angela Merkel konnte er offenbar nachvollziehen, dass die türkischen Einwände gegen einen zukünftigen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ihre Berechtigung hatten.

Deshalb war es Obama, der auf dem Nato-Gipfel schließlich einen Kompromiss zwischen der türkischen Regierung und den übrigen tonangebenden Ländern im Nordatlantik Pakt vermittelte. Für die Zustimmung zu Rasmussen, so verbreiten türkische Medien, wird die Türkei einen Stellvertreterposten des Generalsekretärs erhalten und eine koordinierende Funktion beim Nato-Einsatz in Afghanistan.

Außerdem wird erwartet, dass Rasmussen, der am Montag in Istanbul beim UN-Gipfel der "Allianz der Zivilisationen" auftreten wird, diese Gelegenheit nutzt, um eine versöhnliche Geste in Richtung der islamischen Länder zu machen. Innenpolitisch besonders wichtig für den türkischen Ministerpräsident Tayyip Erdogan dürfte sein, dass Dänemark zugesagt hat, die Lizenz des PKK-nahen TV-Senders Roj-TV, der von Kopenhagen aus sendet, zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Überprüfung, so die Erwartung aller türkischen Medien gestern, könne dabei nichts anderes als die Schließung des Senders sein.

Für Obama ist es bei seinem Einsatz als Schlichter auf dem Nato-Gipfel aber nicht nur darum gegangen, einen diplomatischen Eklat zu verhindern, es zeichnet sich vielmehr immer deutlicher ab, dass die Türkei in der künftigen US-Strategie im Nahen Osten und in Afghanistan eine weit wichtigere Rolle spielen soll als bislang. Andrew Finkel, der erfahrenste britische Journalist in der Türkei, brachte das gestern auf den Punkt. Auf die Frage, warum Obama sich für seinen ersten Auftritt in einem überwiegend muslimischen Land ausgerechnet die Türkei ausgesucht hat, wo er doch jeden anderen Platz auch hätte haben können, sagte er: "Aus der neuen amerikanischen Sicht ist die Türkei das Basislager in einem Safaripark voll von problematischen Staaten, ein sicherer Hafen, um das Wild zu beobachten."

Da Obama, anders als sein Vorgänger, zu mindestens versuchen will, die Probleme mit dem Iran, in Pakistan und Afghanistan auch diplomatisch anzugehen, braucht er Verbündete, die dort gute Kontakte haben und bereit sind, diese für ihn einzusetzen. Aus diesem Grund bekommt die Türkei nun erstmals wirklich die Chance, zwischen dem Westen und den islamischen Länder den Übersetzer zu spielen. Obama will am Montagnachmittag im Parlament in Ankara eine Rede halten, in der diese neue Rolle umrissen wird. Ob dies auch die im Vorfeld viel diskutierte Rede an die islamische Welt sein wird, ist nach wie vor unklar.

Damit die Zusammenarbeit nicht mit einem Fehlstart beginnt, musste im Vorfeld noch ein weiteres delikates Problem entschärft werden. Obama hat in seinem Wahlkampf der armenischen Lobby in den USA versprochen, er werde als Präsident die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord brandmarken. Für die Türkei wäre das ein Affront, der den Neustart nach den miserablen Bush-Jahren wieder abwürgen würde. Doch Ankara hat auch einiges dafür getan, der Völkermord-Debatte die Brisanz zu nehmen. Statt die Symbolpolitik endlos fortzusetzen, wurden hinter den Kulissen Verhandlungen mit den armenischen Nachbarn geführt. Nach inoffiziellen Berichten sind diese so weit gediehen, dass eine Grenzöffnung unmittelbar bevorsteht.

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5 Kommentare

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  • M
    Metin

    Einige scheinen hier zu vergessen, wem sie es zu verdanken haben, dass sie das geworden sind was sie jetzt sind. Dank der Aufbauunterstützung der Amerikaner ist das zerstörte Deutschland schnell wieder auf die Beine gekommen. Der Dank der Deutschen ist deren allgegenwärtige Untugend, deren Hochmut. Kommt von Eurem Ross wieder runter, denn er ist kein Ross. Ohne die USA kann die EU nicht bestehen. Umgekehrt ebenfalls. Das sollten sich einige Kleingeister mal überlegen.

  • K
    Kommentar

    Ich finde es sehr bedenklich, wenn ein Herr Obama, an dessen absoluter Ehrlichkeit durchaus gezweifelt werden darf, wenn man sich seinen politischen Aufstieg einmal sehr genau anschaut, einzig und allein aufgrund von strategischen Überlegungen, die Türkei hofiert und einen gewissen Druck im Hinblick auf eine EU-Mitgliedschaft aufbaut;der Druck besteht darin, sich in diese europäische Thematik einzumischen-ich möchte nicht wissen was in den USA los ist, wenn sich Europa ernsthaft in die Grenzpolitik der USA einmischt, Stichwort Mexico.

     

    Wenn ich mir die Türkei mal genauer anschaue, der weitaus kleinere Teil des Landes, liegt auf dem europäischen Kontinent - schon rein geographisch ist eine EU-Vollmitgliedschaft eine einzige Groteske für mich. Allerdings, wenn ich mir sogn. linke Politik, die auch zu sog. "Kuschelurteilen" bei Straftätern mit Migrationshintergund geführt hat, sowie, daß beim Festsetzen des Strafmaßes auch der kulturelle Hintergrunde des Heimatlandes berücksichtigt werden kann/muß, dann bin ich mir fast sicher, irgendwann wird die Türkei EU-Vollmitglied, wider aller Logik, wider der Meinung der Mehrheit des deutschen Volkes(

  • N
    Nasowas

    Die Kritik an Rasmussen ist völlig unbegründet. Außerdem sollte das Machtstreben der Türkei Europäern zu denken geben. Erdogan stellt unberechtigte Forderungen und schafft es, Positionen auszuhandeln, die seine rücksichtslose Politik begünstigen. Die Türkei entfernt sich dabei zunehmend von der europäischen Wertegemeinschaft. Politische, kulturelle wie religiöse Minderheiten werden in der Türkei benachteiligt oder gar unterdrückt, der Genozid an Armeniern nach wie vor verschwiegen oder verharmlost. Kritik ist nach wie vor nicht erwünscht. Fazit: Im europäischen Haus scheint kein Platz für die Türkei.

  • A
    Ali

    Es ist gut dass wir in diesen schwierigen Zeiten einen einen US-Präsidenten der die Probleme mit Sachverstand und friedlich lösen will.Die Welt braucht Obama.

    Ich hoffe er bleibt so wie er bisher gewesen ist,ehrlich und gut zu allen teilen der Gesellschaft und zu anderen Nationen.

    Er hat die Atommächte dazu

    aufgerufen ,ja, die Atomwaffen zu beseitigen.Geht das?.Wird man das tun?.Ich weiss es nicht.Ich hoffe ja.Ja,Wer von Iran will dass er keine Atomwaffen baut,der darf auch keine Atomwaffen besitzen,oder?

  • M
    M.Eskandani

    Unbestritten, dass die Türkei als Vermittler zwischen den USA und dem Nahen und Mittleren Osten dienen kann. Schließlich hat sie in den vergangen Jahren ihre wirtschaftliche Kooperation mit den Staaten des ehemaligen Grosspersischen Reiches aktiv und wesentlich verstärkt. Dazu gehört, auch und gerade als direkter Nachbar der Türkei, der Öl- und Gasversorger Iran, der nebenher auch Absatzmarkt von z.B. türkischen Textilien ist. Hier bieten sich auch Kooperationen in der Kurden-Frage an, für beide Staaten ein potentielles Pulverfass.Insgesamt wird seit einigen Jahren Stück für Stück eine westasiatische Wirtschaftskooperation nach dem Vorbild der EU aufgebaut.

    Die Frage ist allerdings, ob die USA und die Türkei sich einen Gefallen damit tun, zu versuchen, die EU für die Gefälligkeiten der Türkei an die USA zahlen zu lassen, mit wirtschaftlichen Belastung und den Kosten einer Aufnahme der Türkei in die EU. Die Amerikaner übersehen, dass sie zwar Teil der NATO, aber keinesfalls der EU sind, weder Lasten zu tragen haben, noch stimmberechtigt sind. Sie übersehen auch, dass die wirtschaftlich zu dem Zeitpunkt nicht zu beargumentierende Aufnahme der Osteuropäischen Staaten, die ja durch die Stabilisierung dieser Staaten auch den USA indirekt zugute kommt - ohne dass sie wirtschaftlich dafür aufkommen müssen - die EU schon an die Grenze ihrer Belastbarkeit bringt. Die Abstimmungen über die EU-Verfassung haben es gezeigt: der Bürger toleriert keine weiteren Schritte dieser Art.

    Insgesamt wird das Vorgehen der USA hierzulande eher einen noch größeren Widerstand gegen den Beitritt der Türkei provozieren, als das es einen positiven, lösungsorientierten Beitrag geliefert hätte. Obama und seinem Team hätte man hier ein intelligenteres Vorgehen zugetraut.