UNO-Debatte beim taz-Kongress: "Bringt nichts, die Welt schönzureden"
Taz-Korrespondenten Zumach und Rathfelder streiten um den Kosovo-Einsatz. Bettina Gaus fordert, das Einstimmigkeitsprinzip der UNO vorsichtig aufzulösen.
Erhitzte Gemüter auf dem Podium: Die Frage des völkerrechtswidrigen Eingriffs der NATO in den Kosovo-Krieg sorgt für jede Menge Diskussionsstoff bei den taz-Korrespondenten Bettina Gaus, Andreas Zumach und Erich Rathfelder. Mittendrin: Moderatorin Astrid Prange de Oliveira, ebenfalls taz-Korrespondentin. Sie muss sich immer wieder vehement Gehör verschaffen, um die Redeflüsse einzudämmen.
Dabei trennt die Diskutanten weniger die Frage, ob auch die Kosovo-Albaner oder nur die Serben Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Detailreich wird vielmehr gestritten, ob zum Beispiel der NATO-Einsatz unvermeidbar war oder ob die UNO beim Massaker von Srebrenica im Juli 1995, als 8.000 Bosniaken durch serbische Polizei- Armee- und Paramilitärkräfte ermordet wurden, versagt hat.
"Erich, ich gebe dir in vielem Recht, aber du hast einen viel zu naiven Blick auf die USA und die NATO. Wenn Du meinst, sie hätten aus altruistischen Motiven, wegen der Menschenrechtsverletzungen militärisch eingegriffen. Es gab dafür ganz andere Kalküle", so Zumach als Replik auf Rathfelders Verteidigung der NATO-Intervention. Der Balkan-Korrespondent hatte sich zuvor nicht gescheut, die Regierung Milosevic als „rot-braune Faschisten“ zu bezeichnen. Und bekennt: „Ich war froh, als gegen das Regime vorgegangen wurde.“
Doch nicht in allen Punkten widerspricht man sich. "Der Kosovo-Krieg mit seinem Bruch des Völkerrechts war eine Zäsur. Nicht in der Frage des Bruchs des Völkerrechts an sich, das hat es auch vorher schon gegeben. Aber was den Effekt der Gewöhnung an solche völkerrechtswidrigen Kriege angeht. Heute müssen sich die Leute, die gegen Militäreinsätze sind, rechtfertigen, nicht umgekehrt", meint Bettina Gaus - eine Einschätzung, der auch die anderen Diskussionsteilnehmer nicht widersprechen mögen.
Einvernehmlicher geht es bei der Suche nach zukünftigen Konfliktlösungsstrategien und der Rolle der UNO zu. "Allerdings ist es wenig hilfreich, von einem Scheitern der UNO zu sprechen", so Zumach. "Wir müssen die Dinge genauer analysieren. Die Somalia-Operation der UN ist nicht am Gutmenschentum der UNO gescheitert, sondern daran, dass die USA mit einer eigenen Truppe in das Land gegangen sind, um den Chef von einer der drei Bürgerkriegsparteien zu verfolgen."
Seine Analyse der Ereignisse: "Die UNO wollte erst einmal grundsätzlich deeskalieren. Als die USA gescheitert sind, haben sie gesagt, sie stellen sich nie wieder in den Dienst einer UNO-Mission. Das haben sie aber nie getan, nicht in Somalia, nicht anderswo." Dem kann sich auch Bettina Gaus anschließen: "Will man die UNO und ihre Situation besser verstehen, muss man erst einmal anerkennen, dass es objektiv ganz unterschiedlich gelagerte Interessen in der Außenpolitik der jeweiligen UNO-Länder gibt, es bringt nichts, sich die Welt schön zu reden."
Um künftig effektiver und früher in innerstaatliche Konflikte und Menschenrechtsverbrechen einzugreifen, plädiert das Podium für eine UNO-Reform. Andreas Zumach schlägt vor, eine effektive und ständige UNO-Eingreiftruppe aufzustellen. "Die UNO braucht daneben einen besseren Früherkennungsradar, sie braucht mehr Leute für zivile Konfliktbearbeitung". Auch für Rathfelder führt kein Weg an einer UNO-Reform vorbei.
Bettina Gaus macht sich – im Sinne einer größeren Handlungsfähigkeit - für ein vorsichtiges Auflösen des Einstimmigskeitsprinzips in den Entscheidungsgremien der UNO stark. "Da gehe ich d'accord", so Rathfelder, "aber Hoffnungen habe ich da wenige, da müsste sich der UN-Weltsicherheitsrat mit seinen festen Mitgliedern ja quasi selbst auflösen."
Abschließende Publikumsfrage: Wie kommen wir zu einer ständigen UN-Eingreiftruppe? Soll etwa ein Teil der Bundeswehr dafür bereit gestellt werden? "Wir alle müssen öffentlichen Druck aufbauen, dass so eine Truppe entsteht", stellt Zumach klar, "Aber auf keinen Fall kommt da die Bundeswehr ins Spiel. Vielmehr müssen alle nationalstaatlichen Verfügungen über das Heer abgeschafft werden, sonst haben wir wieder nur eine jeweils nationale Beeinflussung von UNO-Angelegenheiten."
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