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SchienenverkehrMehr Rechte für Bahnkunden

Der Bundestag beschließt höhere Entschädigungen bei Zugverspätungen - Verbände und Bundesrat fordern mehr. Zudem werden 2000 Bahnhöfe renoviert.

Gehört bald der Vergangenheit an: Wartende Fahrgäste vor dem Bahnschalter. Bild: ap

BERLIN taz | Fahrgäste der Bahn haben bei Zugverspätungen künftig mehr Rechte. Mit den Stimmen der großen Koalition verabschiedete der Bundestag am Freitag ein entsprechendes Gesetz. Bei einer Verspätung von einer Stunde soll es künftig 25 Prozent des Fahrpreises in bar zurückgeben, ab zwei Stunden sind es 50 Prozent. Zudem haben Fahrgäste das Recht, kostenlos einen anderen Zug zu nutzen; falls keiner mehr fährt, muss das Bahn-Unternehmen ein Taxi oder eine Hotelübernachtung bezahlen.

Geplante Entschädigungen

ab 20 Minuten im Nahverkehr: Nutzung eines anderen Zuges (auch Fernverkehr) ohne Aufpreis

ab 1 Stunde: 25 % Fahrpreiserstattung (wenn mehr als 4 Euro); bei Verzicht auf die Fahrt: volle Erstattung; bei nächtlicher Ankunft: Taxi (bis 80 Euro) oder Hotel.

ab 2 Stunden: 50 % Fahrpreiserstattung (wenn mehr als 4 Euro)

Bisher galt bei der Bahn nur eine freiwillige Regelung, bei der ab 61 Minuten Verspätung 20 Prozent des Fahrpreises in Form eines Gutscheins erstattet wurden. Bei allen weitergehenden Forderungen waren Fahrgäste auf Kulanz der Bahn angewiesen. Mit dem Gesetz setzt die Bundesregierung eine EU-Vorgabe um - im Fernverkehr genau in der vorgegebenen EU-Form, im Nahverkehr etwas schärfer.

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erklärte, von dem Gesetz würden alle profitieren: "Für die Reisenden wird es bessern, und die Bahn wird belohnt, wenn sie pünktlich ist." Die Oppositionsfraktionen der Grünen und Linken forderten ebenso wie die Verkehrsverbände Allianz pro Schiene und VCD, dass Reisende schon ab 30 Minuten Verspätung entschädigt werden sollten. Das gelte bereits in vielen anderen EU-Staaten, erklärte der VCD-Vorsitzende Michael Gehrmann. Für die Linke forderte Karin Binder zudem, auf die geplante "Bagatellgrenze" von vier Euro für Erstattungen zu verzichten und stets den vollen Fahrpreis als Grundlage für die Berechnung zu nehmen. Der Grüne Anton Hofreiter verlangte, dass Passagiere bei längeren Verspätungen ihre real entstandenen Schäden zusätzlich gerichtlich durchsetzen können.

Auch der Bundesrat hatte ursprünglich weitergehende Rechte der Fahrgäste gefordert. Die Länder werden am 15. Mai entscheiden, ob sie dem nun vorliegenden Gesetz zustimmen. Dann könnte es vor der Ferienzeit in Kraft treten.

Neben mehr Rechten bekommen Fahrgäste auch besser ausgestattete Bahnhöfe. Aus den Konjunkturprogrammen der Bundesregierung werden in den nächsten zwei Jahren insgesamt 300 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, um 2050 der insgesamt 5400 Bahnhöfe und Haltepunkte zu modernisieren. Der Großteil der Gelder fließt in die energetische Sanierung der Gebäude, zusätzliche Aufzüge und Rampen sowie in neue elektronische Anzeigen, sagte Minister Tiefensee.

Mit den Arbeiten, die vor allem an mittelständische Unternehmen vergeben werden sollen, wird im Juni begonnen. Profitieren sollen kleine und mittlere Bahnhöfe. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, bezeichnete die Geldspritze als "längst überfällig". Er forderte dauerhafte Unterstützung für ländliche Bahnhöfe.

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7 Kommentare

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  • B
    Bahnfahrer

    "Gabs nicht eigentlich immer mindestens 10 Euro zurück?" - Nein. Bisher gab's bestenfalls Reisegutscheine, wenn überhaupt...

     

    "der Schaffner verteilt im wegen des winterlichen Schneechaos hoffnungslos verspäteten Zuges diese Formulare für Verspätungen zusammen mit einer Tüte Erdnüsse" - Da verstehe die Bahn, wer will, denn bei höherer Gewalt (und das ist Schnee für die DB nun mal) kriegt der Reisende nix von ihr zurück. Außer vielleicht ein paar Erdnüssen.

  • SW
    Sybille Weiss

    Hallo, ich verstehe als Bahnvielfahrerin viel von dem Ärger, wundere mich aber, dass ein innerhalb der Bahn bekanntes Problem noch nirgenwo veröffentlicht wurde: Die Bahn verwendet im Bremssystem ihrer Züge ein Gift, das in der Industrie wegen der Gefährlichkeit für die Mitarbeiter längst verboten ist. Dieses Gift wird durch das Lüftungssystem direkt in die Abteile geblasen. Mir ist davon schon oft übel geworden. Wegen der Klimaanlagen gibt es keine Möglichkeit, den Gestank durch Lüften aus den Abteilen zu entfernen. In den Toiletten können die Fenster nicht mehr geöffnet werden. Habe mal einen ehemaligen Bahnmitarbeiter gesprochen, der den Namen des Giftes kannte - und habe den leider verlegt (den Namen). Es soll wohl die Bremsbeläge (falls es dort so etwas gibt) kühlen. Ich habe ein Gespräch mit einem Bahnbeamten darüber gehabt, der meinte, das müsse man eben für den technischen Fortschritt in Kauf nehmen. Einmal hat mir die Bahn etwas Geld erstattet als Ausgleich für die Übelkeit – sie erkennt also an, dass sie der Verursacher ist! "König Kunde" wird dennoch weiter vergiftet! Ist dies anderen Bahnkunden bekannt - und könnt ihr tollen Rechercheure von der taz etwas damit anfangen?

  • M
    mehdonk

    an o aus h: die bahn wird jetzt kundenfreundlicher:

    mehr personal, mehr schalter, besserer kundenservice, keine verspätungen: dann gibs auch keine schlangen mehr,

  • T
    tollschocken

    Das ist sowieso kein Fahrkartenschalter. Am Servicepoint kann man auch künftig noch lange auf eine Fahrkarte warten.

  • S
    Studentin

    .. weil keiner mehr Bahn fährt?

    Gabs nicht eigentlich immer mindestens 10 Euro zurück?

  • A
    alcibiades

    Da bin ich doch nach langer - finanziell bedingter - Bahnabstinenz mal wieder bissel mit der DB rumgefahren. Ich kann meinem Vorredner nur beipflichten, an den Schlangen wird sich nichts ändern. Oder doch, am Berliner Ostbahnhof muss man jetzt zum Fahrkartenkauf eine Nummer ziehen, so wie auf dem Arbeitsamt oder auf der Kfz-Stelle. Sogar dann, wenn eigentlich wegen der frühen Uhrzeit und Wochenende keiner ansteht und der eigene Zug in 5 Minuten fährt. Ein anderer Tag und Zug, der Schaffner verteilt im wegen des winterlichen Schneechaos hoffnungslos verspäteten Zuges diese Formulare für Verspätungen zusammen mit einer Tüte Erdnüsse. Ich lehne den Gutschein ab mit der Begründung, bei diesem Wetter sei eine Zugverspätung ja normal und mit dem Auto wäre ich wohl überhaupt nicht angekommen, was er mit Unverständnis quittiert und achselzuckend das Weite sucht. Was ich damit sagen will: diese reinen Verwaltungsakte des Rückerstattens sind zwar immerhin eine Geste, aber von einem sinnvollen Fernverkehr sind wir dennoch nach Jahren mit Hartmut M. Lichtjahre entfernt. Solange Inlandsreisen mit der Lufthansa - ich rede über den regulären Nicht-Discounter-Preis - billiger kommen als mit der Bahn, wird sich so mancher zähneknirschend übers Netz eine Automitfahrt besorgen. Ich tu das seit Jahren, vorher war ich jahrelang Bahncardabonnent, das kann ich mir nur nicht mehr leisten. Hier wäre mal eine Gelegenheit des Haupteigners, im Sinne der Fahrgäste zu agieren. Wenn der Zug mal Verspätung hat, na ja, kann auch mal einen plausiblen Grund haben, der Flieger ist ja auch nicht immer pünktlich.

    Würde diese Herrenriege in der Vorstandsetage mal begreifen, welche Aufgabe sie zu erfüllen haben, nämlich einen ökologisch sinnvollen, für alle erschwinglichen Fernverkehr in einem Industrieland auf die Füsse zu stellen, dann wäre es endlich obsolet, mit Pseudosanktionen wie der Rückerstattung des Fahrpreises einen Kundenservice vorzugaukeln, der so nicht existiert. Noch gehört der Laden dem Steuerzahler, und es wäre an der Zeit, damit was Vernünftiges anzufangen.

  • OA
    o aus h

    Die Bildunterschrift verstehe ich nicht: Wieso gibt es wegen der höheren Entschädigung bei verspäteten Zügen demnächst keine Schlangen mehr vor den Fahrkartenschaltern? Oder meint Ihr, dass bei der energetischen Sanierung der Bahnhöfe gleich die Schalter ganz geschlossen werden? Der Mehdorn-Bahn hätte ich es zugetraut...