Lage der Lebensmittelkette: Kritik schon vor Ernährungsgipfel
Agrarministerin Aigner bittet zu einem runden Tisch. Dies sei explizit kein "Milchgipfel" - Landwirte fordern jedoch, sich auf dieses Thema zu konzentrieren.
Wie Käse, Schinken und Müsli aus Deutschland wettbewerbsfähiger gemacht werden können, soll am Dienstag in Berlin geklärt werden. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) bittet Verbände von Landwirten, Lebensmittelindustrie, Einzelhandel und Verbrauchern zu einem runden Tisch zur "Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelkette." Hinter dem sperrigen Titel verbergen sich dramatische Probleme: Nach einer Umfrage des Bundes deutscher Milchviehhalter (BDM) bangen bei Preisen von etwa 20 Cent pro Kilo Milch derzeit vier von fünf Milchbauern um ihre Existenz. Aber auch Landwirte, die Getreide anbauen oder Ferkel aufziehen, leiden unter niedrigen Preisen.
Der runde Tisch soll nun die Lage analysieren, Schwachstellen in der Lebensmittelkette herausfiltern und den Handlungsbedarf formulieren, sagt eine Sprecherin des Agrarministeriums. Ein "Milchgipfel" sei das Treffen explizit nicht, da ja auch andere Branchen darbten. Zugleich heißt es in der Einladung, die Herausforderungen der Lebensmittelkette könnten an einem Beispiel beleuchtet werden. Das könne nur das Thema Milch sein, sagt dazu der BDM, schließlich sei die Lage hier existenziell schlecht.
Auch Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft findet eine Konzentration auf das Thema Milch sinnvoll. "Die Notwendigkeiten sind groß", sagt er, "allerdings erwarten wir nicht, das viel dabei herumkommt." Zwar habe Aigner Möglichkeiten, politisch zu handeln und etwa die Begrenzung der Milchmenge auf europäischer Ebene zu verhandeln, sie nutze ihren Spielraum aber nicht.
Dem Deutschen Bauernverband (DBV) erscheint die Veranstaltung ebenfalls etwas wolkig - im Einladungsschreiben der Ministerin finde sich kein einziges Mal das Thema Milch, kritisierte DBV-Präsident Gerd Sonnleitner am Montag in Berlin. Er fordert, dass die EU-Direktzahlungen in Höhe von 5 Milliarden Euro nicht erst wie üblich im Dezember, sondern die Hälfte davon schon im Sommer an die Landwirte ausgezahlt werden.
Außerdem müssten die Steuern auf Agrardiesel und zu hohe Standards im Tier-, Umwelt und Verbraucherschutz gesenkt werden. "Wir fordern nicht, dass die Politik den Markt in die Hand nimmt", sagte Sonnleitner. Trotzdem müssten die Bauern, die wie andere Branchen unter der Wirtschaftskrise litten, jetzt staatliche Unterstützung erhalten. Die könnten etwa in weiteren Exporterstattungen bestehen, außerdem müssten die 90 Millionen Euro aus dem geplanten Milchfonds schnell ausgezahlt werden, so Sonnleiter. "Wir werden den Bauern und der Politik wieder einmal geduldig erklären, wie der Markt funktioniert", formuliert Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des deutschen Einzelhandels die Erwartungen an den runden Tisch. In Deutschland gebe es 20 Prozent zu viel Milch auf dem Markt, "so einfach ist das." Die staatliche Überregulierung mithilfe der Quotenregelung habe es nicht geschafft, den Markt in ein Gleichgewicht zu bringen, so Pellengahr. Und für höhere Preise bei der Milch gebe es in Zeiten der Rezession weniger Spielraum als während des Milchgipfels im vergangenen Jahr.
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