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GrandseigneurHöflich ist er immer

Vicco von Bülow alias Loriot hat in Hamburg studiert und in Bremen Karriere gemacht. Anlässlich seines 85. Geburtstags widmet sich eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe seinem Lebenswerk.

Heinz Meier (Erwin Lindemann) und Claus Clausnitzer (von Bülow), Lottogewinner aus Loriot I, Radio Bremen, 1976. Bild: Radio Bremen

Der erste Raum der Hamburger Loriot-Ausstellung ist voll mit Bildschirmen, die in Kopfhöhe in die Wände eingelassen sind. Vor jedem Bildschirm hängen zwei Kopfhörer und gezeigt werden Loriots Fernsehsketche sowie Ausschnitte aus seinen Spielfilmen. Die Besucher stehen vor den Bildschirmen und wenn man selbst keinen Kopfhörer aufhat und die Augen schließt, dann kann man staunen. Darüber, dass in einem Museum soviel gelacht werden kann. Und darüber, wie enthemmt die Besucher lachen. Sie lachen teilweise sehr laut und sie lachen sehr unterschiedlich. Zu hören sind das Prusten, das Wiehern, das schallende Gelächter, der spitze Aufschrei und viele andere Laute, für die es keine Wörter gibt.

Beim Öffnen der Augen lässt sich ein weiteres Mal staunen, und zwar darüber, wer hier wie lacht. Ein sehr schadenfrohes Hä-Hä-Hä kommt von zwei weißhaarigen, gut geschminkten Damen, die vor Loriots Sketch "Zimmerverwüstung" stehen. Das angestrengt wirkende, gekeuchte Lachen stammt von einem jungen Mann mit Migrationshintergrund. Eine mittelalte, lautstark auflachende Frau in enger weißer Hose sagt zwischen zwei Sketchen zu ihrem Mann: "Ich bin völlig erschöpft." Ein graumelierter Herr mit Holzfällerhemd zur Anzughose sagt zu seiner Frau: "Es gibt hier nichts, was man nicht schon vier mal gesehen hätte." Er sagt es in jenem strengen Tonfall, den Loriot gerne in seinen Sketchen verwendet.

Aber es stimmt: Vieles in der Loriot-Ausstellung ist sattsam bekannt, möglicher Weise sogar die Ausstellung selbst. Bis Mitte April war sie noch im Museum für Film und Fernsehen der Deutschen Kinemathek in Berlin zu sehen. Mit über 90.000 BesucherInnen wurde die Ausstellung dort zu einem Bestseller. Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe läuft sie nun bis zum 23. August. Anlass für die Hommage ist der 85. Geburtstag Loriots im November 2008.

Das ist Loriot

Vicco von Bülow in fünf Stationen:

Stuttgart: Besuch des Humanistischen Gymnasiums und Rollen als Komparse an der Staatsoper. Dort inszeniert er 1986 die Oper "Martha" von Friedrich v. Flotow

Hamburg: Studium der Malerei und Grafik an der Landeskunstschule. Loriot veröffentlicht erste Zeichnungen im Hamburger Abendblatt und im Stern

München: 1956 zieht Loriot in sein Haus am Starnberger See. Dort lebt er heute noch, ist verheiratet und hat zwei Töchter

Bremen: Ab 1976 nimmt Loriot für Radio Bremen seine berühmte Fernsehreihe "Loriot I-VI" auf

Berlin: Premiere des ersten Kinospielfilms "Ödipussi" im Jahr 1988. 2004 Berufung zum Honorarprofessor an die Universität der Künste Berlin

Die Ausstellung möchte das Lebenswerk Loriots zeigen, und das besteht einerseits aus den Arbeiten für Fernsehen und Kino, andererseits aus seinen Grafiken, Zeichnungen, Cartoons und Gemälden. Vicco von Bülow alias Loriot wurde 1923 in Brandenburg an der Havel geboren, war von 1942 bis 1945 Soldat in Russland und studierte von 1947 bis 1949 Malerei und Grafik an der Landeskunstschule in Hamburg. 1950 veröffentlichte er erste Zeichnungen unter anderem im Hamburger Abendblatt und im Stern. In dieser Zeit traf er seine Frau, die er 1951 "bei einem Spaziergang über den Ohlsdorfer Friedhof fragte, ob sie das Leben mit mir teilen wolle".

Eine seiner Serien für den Stern hieß "Auf den Hund gekommen" - Loriot vertauschte darin Mensch und Hund, zeigte Menschen, die an Leinen von Hunden geführt wurden und verursachte soviel negative Leserzuschriften, dass der Stern die Serie absetzte. Außerdem zeichnete Loriot Werbeblätter, beispielsweise für das Schiff "Bremen" als Reisemittel nach New York - die "Bremen" verkaufte er als Alternative gegenüber einer Wanderung im Taucheranzug über den Meeresboden. Loriot begann in den 1950er Jahren unglaublich harmlos.

Mit den Knollennasen-Männchen wurde er dann böser. Ein Soldat trägt ein Gewehr, das in einer Art Strumpf steckt - es ist "der ribbelfeste Gewehrwärmer", der sogar versehentlich abgeschossene Patronen aufhält. Im Urlaub schreiben Knollnasen-Urlauber Postkarten im Akkord. Eine Knollnasen-Frau steht nackt in der Wohnungstür und sagt, sie habe den Postboten erwartet. Der letztere Cartoon muss für die Quick gewesen sein. Ein Manko der Ausstellung ist, dass bei den Arbeiten auf Papier meist die Jahreszahlen und Erscheinungsorte fehlen. Jahreszahlen gibt es nur bei Loriots jüngsten Zeichnungen aus den Jahren 2006 bis 2008. Seine "Nachtschattengewächse" sind surreale Figuren mit spitzen Gliedmaßen, angelehnt an die Ästhetik Picassos. Da gibt es ein Werk namens "Ypsilon" und eines namens "Champagner" und alles ist eckig ineinander verschachtelt und schwebt zwischen Comic und Kunst.

Karikatur hingegen sind Loriots Portraits von Thomas Mann und Arno Schmidt: Denen hat er eine Knollnase verpasst.

Zurück im Raum mit den TV-Sendungen, von denen Loriot die berühmtesten übrigens ab 1976 in Bremen produzierte, findet sich dann doch ein nie ausgestrahltes Schmuckstück. Es sind die Aufnahmen der Proben für die ARD-Gala zum 80. Geburtstag. Evelyn Hamann sitzt da an einem Restauranttisch und soll von Heinz Meier als Kellner bedient werden - dem Heinz Meier, der in früheren Tagen den Erwin Lindemann gab. Von Bülow gibt aus dem Off Regieanweisungen und Meier verspricht sich ständig. Meier wird ernsthaft sauer, bezeichnet von Bülows Text als "Scheiß" und verspricht sich immer schlimmer wie seinerzeit die Figur Erwin Lindemann. Damit amüsiert er Evelyn Hamann derart, dass auch sie ihren Text nicht mehr sprechen kann.

Zu sehen ist in dieser Szene, wie wichtig Loriot und seinen Leuten auch jenseits der Fiktion die alte Tugend der Höflichkeit ist. Herr Meier kämpft darum, die Fassung nicht zu verlieren, von Bülow bleibt ausgewählt höflich und Frau Hamann lacht sich schlapp über die Anstrengungen der beiden - es ist unfreiwillige Komik nach dem Muster der geplanten Komik.

Loriot ist mit seinem Humor nie angeeckt, alle lieben ihn, schon immer. Es könnte mit der Höflichkeit zu tun haben, die die Grundlage ist für das Desaster von Loriots Figuren.

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