Glückloser britischer Premierminister: Browns Tage in No. 10 sind gezählt
Skandale und Mißmanagement prägen die kurze Amtszeit des britischen Premiers Gordon Brown. Niemand gibt noch einen Pfifferling auf seine Wiederwahl.
AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK
Sie wolle auf gar keinen Fall Premierministerin werden, selbst wenn die Stelle frei werden sollte, sagte Harriet Harman, die stellvertretende Vorsitzende der britischen Labour Party. Wäre die Partei ein Fußballverein, müsste sich Gordon Brown in Anbetracht der unverlangten Loyalitätsbekundung Sorgen machen. Aber ein Premierminister ist nicht so leicht zu ersetzen wie ein Fußballtrainer.
Brown ist angeschlagen. Labour liegt mittlerweile 13 Prozent hinter den Tories, und Brown ist so unbeliebt wie kaum einer seiner Vorgänger. Niemand rechnet damit, dass er die Parlamentswahlen im nächsten Jahr gewinnen kann. Doch auch mit einem anderen Parteichef dürfte das kaum gelingen. Die Wahlen zum Europäischen Parlament Anfang Juni sind ein Indikator, denn am selben Tag finden auch Kommunalwahlen in einem Großteil der Wahlkreise statt. Voriges Jahr verlor Labour dabei 300 Bezirksverordnete und kam lediglich auf 24 Prozent der Stimmen, 20 Prozent weniger als die Tories. In diesem Jahr muss sich Brown auf Schlimmeres gefasst machen. Vor acht Tagen verlor er zum ersten Mal eine Unterhaus-Abstimmung. Es ging dabei um das britische Niederlassungsrecht für die ehemaligen Angehörigen des Gurkha-Regiments - nepalesische Soldaten im Dienst der Briten. 27 Labour-Abgeordnete stimmten mit der Opposition für ihre unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung, während Brown die Bedingungen lediglich lockern wollte. Die nächste Niederlage einen Tag später konnte Brown nur abwenden, weil er einen Rückzug machte. Er wollte die Zuwendungen für einen Zweitwohnsitz durch eine Tagespauschale für die Anwesenheit im Unterhaus ersetzen. Brown hatte sein Vorhaben ausgerechnet auf YouTube angekündigt. Mit seinem unbeholfenen Auftritt, bei dem ihm ein Teleprompter offenbar alle 20 Sekunden zu den unpassendsten Momenten "lächeln!" befahl, hat er sich zum Gespött des Landes gemacht.
Eine Reform ist allerdings bitter nötig, denn zahlreiche Labour-Politiker sind als Spesenritter entlarvt worden - zuletzt Baronin Uddin, die erste muslimische Oberhaus-Abgeordnete, die sich eine billige Wohnung in Kent gekauft und sie zu ihrem Hauptwohnsitz deklariert hat, damit sie für ihre luxuriöse Unterkunft in London, wo sie eigentlich wohnt, Spesen kassieren kann. Schädlicher ist für Brown jedoch die "Smeargate"-Affäre. Sein Berater Damian McBride hatte in E-Mails an einen Labour-Blogger vorgeschlagen, schmutzige Lügengeschichten über führende Tories zu streuen. Charles Clarke, Minister unter Browns Vorgänger Tony Blair, sagte vorige Woche, er schäme sich, ein Labour-Abgeordneter zu sein. Ein anderer aus Blairs früherem Kabinett, Tom Clarke, warnte hingegen, dass diese "Primadonnen mit ihren Schüssen aus dem Hinterhalt Browns Bemühungen untergraben, das Land durch die Rezession" zu steuern. "Solch Zwietracht könnte von den Wählern bestraft werden", sagte er. Neil Kinnock, der ehemalige Labour-Chef, sagte, die Nörgler erhöhen die Chancen der British National Party (BNP). Wenn die Labour-Wähler nämlich zu Hause bleiben, könnten die Neonazis von der BNP Sitze im Europaparlament gewinnen. 9 bis 12 Prozent der Stimmen benötigen sie dafür, und wenn nur ein Drittel wählen geht, wäre das möglich.
Nach den Wahlen steht Brown eine weitere Niederlage bevor. 120 Labour-Abgeordnete haben eine Petition gegen seine Pläne für die Teilprivatisierung der Königlichen Post unterzeichnet. Die Medien spekulieren, dass dann der Zeitpunkt für einen Strohmann gekommen sei, der Brown stürzt und die Geschäfte bis zur unvermeidlichen Niederlage bei den Parlamentswahlen 2010 fortführt. Wahrscheinlicher aber ist, dass man Brown die Suppe selbst auslöffeln lässt, die er nach Meinung vieler Parteigenossen Labour eingebrockt hat.
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