Milchbauernpräsident über Proteste: "Die Lage ist katastrophal"

Die französischen Bauern sind verzweifelt und zu radikalen Aktionen bereit, sagt Milchbauernpräsident Jean-Louis Naveau. Zugleich streiten die Verbände, wie sie am besten Druck machen.

Wenn es sowieso kaum Geld dafür gibt, kann man die Milch auch so nutzen: Bauernattacke auf ein Polizeiauto. Bild: reuters

taz: Herr Naveau, wie ist die Lage der 90.000 französischen Milchbauern?

Jean-Louis Naveau: Katastrophal. In nur einem Monat haben wir einen Preissturz von 10 Cent pro Liter Milch erlitten. Das ergibt 100 Euro weniger pro tausend Liter Milch. 30 Prozent Einkommensverluste in einem einzigen Monat. Wir bekommen jetzt zwischen 20 und 25 Cent pro Liter.

Jean-Louis Naveau ist Präsident der Bauerngewerkschaft OPL, der 20 Prozent der französischen Milchbauern angehören und Milchbauer mit 65 Kühen in Westfrankreich.

Wie erklären Sie diesen spektakulären Preissturz in nur einem Monat?

Die Liberalisierung des Milchmarktes in Europa ist gescheitert. Die Deregulierung der Produktion hat die Krise produziert, die wir jetzt erleben. Der Milchpreis in Frankreich ist heute so niedrig wie 1985. Aber die Produktionskosten sind um ein Vielfaches gestiegen.

Was ist falsch an der europäischen Milchpolitik?

Durch die Erhöhung der Quoten ist sie außer Kontrolle geraten. Im Verhältnis zum Markt ist ein Ungleichgewicht entstanden. Jetzt gibt es zu viel Milch im Verhältnis zur Nachfrage.

Um wie viel müsste die Milchproduktion reduziert werden?

Um 3 bis 4 Prozent.

Würde das nicht auch dazu führen, dass Milchbauern pleitegehen?

Wenn man die Produktion senkt und die Preise erhöht, wird es den Milchbauern besser gehen.

Welche Rolle spielen die Importe aus Neuseeland und Australien?

Die Milch aus Ozeanien hat unseren Markt zusätzlich belastet. Der Milchpreis liegt dort zwischen 15 und 18 Cent pro Liter. Die Nebenkosten und die Bewirtungskosten sind niedriger. Da können wir einfach nicht mithalten. Wir brauchen einen Vorrang für EU-Milch.

Wieso ist der Milchpreis für Endverbraucher trotz 30-prozentiger Einnahmeverluste für die Milchproduzenten noch genauso hoch wie Anfang des Jahres?

Wir wüssten auch gerne, wer sich die 10 Cent pro Liter in die Tasche steckt. Wir verlangen eine gerechte Verteilung des Milchpreises auf alle Beteiligten.

Was wollen die französischen Milchbauern tun?

Sie sind verzweifelt. Seit Tagen machen sie Blockaden, Straßensperrungen, schütten Milch aus, verbrennen Reifen. Ich kann die Leute verstehen. Aber ich sage auch: Passt auf! Wir haben kein Recht, öffentliches Eigentum zu zertrümmern. Die FNSEA [der große französische Bauernverband, d. Red.] spielt mit diesen Aktionen mit dem Feuer. Unsere Organisation hingegen ruft jetzt zu Demonstrationen vor den Präfekturen auf. Und am 25. Mai zu einer europäischen Demonstration in Brüssel, wenn dort die Landwirtschaftsminister tagen.

Die Gewerkschaften der Milchbauern sind sich nicht einig. Was ist der Konflikt?

Die FNSEA verhandelt die Milchpreise. Damit hat sie zur Mehrproduktion beigetragen. Sie vertritt die Interessen der großen Kooperativen. Von der Basis dagegen ist sie vollkommen abgekappt.

Was werden Sie tun, wenn die EU-Demo in Brüssel nicht weiterhilft?

Wir sind nahe an einem europäischen Milchstreik.

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