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Politische FotokunstIrgendwo in Bitterfeld

Die Berlinische Galerie zeigt Klaus Staecks und John Heartfields aufklärerische Montagen und Demontagen im Raum der politischen Öffentlichkeit.

Heartfields Fotomontage aus dem Jahr 1934 zeigt: Satire war auch während der NS-Zeit möglich. Bild: dpa

Das Schild war einmal leuchtend Rot, nun ist es verdreckt. Das aufgedruckte "Vaterland" wird nicht mehr gepflegt. Neben den Müllcontainern lehnte die Tafel, irgendwo in Bitterfeld, der Heimatstadt von Klaus Staeck, der diese Entsorgung von nationalem Stolz 1991 fotografierte.

Er ist, als Fotograf, ein Sammler der melancholischen Zeichen, im Osten wie im Westen. Er liest im öffentlichen Raum die gar nicht so geheimen und oft doch überhörten Botschaften. Die Ödnis von Parteitagsbühnen, geschlossene HO-Ausgabestellen für Salzheringe, die zugemauerten Fenster des Einzelhandels oder Straßennamen, deren Euphorie von der Tristesse ihrer Umgebung verspottet wird wie die übergroßen Buchstaben der "Straße der Neuen Zeit" an einer fensterlosen Plattenbauwand im Bitterfeld der 80er-Jahre: Da sieht man doch, was war, was ist, was kommen wird.

Seine Postkarten- und Plakataktionen haben Klaus Staeck in den Siebzigerjahren bekannt gemacht. Sie sind getragen vom Glauben an die Macht der öffentlichen Botschaft, von der Hoffnung in die Wirkung von Erkenntnis, vom Vertrauen in die Ratio der Angesprochenen. Die Fotografien Staecks hingegen zweifeln am Gang der Geschichte und der Vernunft ihrer Subjekte. Sie halten fest, wo der öffentliche Raum kollabiert und sabotiert wird. Deshalb ist es spannend, in der Ausstellung "Schöne Aussichten", die heute in der Berlinischen Galerie eröffnet wird, neben mehr als 100 der berühmten Staeck-Plakate mit ihrer lautstarken Bildsprache auch große Serien der leisen Fotografien zu sehen.

Anfang Mai wurde Klaus Staeck als Präsident der Akademie der Künste in Berlin wiedergewählt. Er hatte die ersten beiden Jahre in diesem Amt dazu genutzt, wieder mehr gesellschaftliche Debatten in die Akademie zu tragen und mit einem differenzierten Programm von thematischen Ausstellungen gegen die Privatisierungsorgien des öffentlichen Raums Position zu beziehen. Damit konnte er das Profil der Institution erneut schärfen. In seiner eigenen Arbeit als Grafiker und Plakatkünstler hat er diese Ziele seit jeher verfolgt.

In den Plakaten und auch in den nicht weniger satirischen Objekten nutzt Staeck die visuellen Floskeln der politischen Repräsentation und der Werbung, in die erst die Sprache die Lesart gegen die Gewöhnung hineinbringt: Unter dem BMW steht dann "dieses Modell macht sich im Stau besonders gut", und über der Silhouette der Bankstadt Frankfurt "Wir machen mit ihrem Geld, was wir wollen" (1997). Dieser Kick gegen die Erwartung funktionierte schon, als er 1971 Dürers Zeichnung von dessen Mutter mit dem Zusatz "Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten" versah und damit die Geschlossenheit des Systems Kunst attackierte. Diese Forderung der Öffnung der Kunst gegenüber der Realität verband ihn mit Joseph Beuys und andere Künstlern der Fluxus-Generation, während er mit dem Festhalten an seiner Agitpropsprache singulär blieb.

Die Berlinische Galerie zeigt neben Staeck eine Ausstellung von John Heartfields Fotomontagen aus der Weimarer Republik. Staeck hat nie ein Hehl daraus gemacht, wie viel er von Heartfield gelernt hat. Für Heartfield war die SPD der große Verräter der Arbeiterklasse, und er idealisierte die Sowjetunion als den gerechten Staat, was heute als großer historischer Irrtum erscheint. Klaus Staeck, Mitglied der SPD seit 1960, hatte in den 70er- und 80er-Jahren in der CDU zuverlässige Gegner gefunden, die seine Plakate wütend aus Ausstellungen abrissen. Dass seine Treue zur SPD ein ähnlich blinder Fleck seines kritischen Wahrnehmung sein könnte wie die junge Sowjetunion für Heartfield, scheint heute sehr wahrscheinlich.

In der Nutzung neuer Medien und in der Entwicklung der Interaktion zwischen der Dynamik von Buchstaben und der Fotografie war John Heartfield der innovativere von beiden. Seine Buchumschläge für den Malikverlag und die vielen Fotomontagen für die AIZ, die Arbeiter Illustrierte Zeitung, wie Hitler als Hampelmann in Thyssens Hand, sind in der Rezeption nicht zuletzt deshalb so wichtig geworden, weil sie die Möglichkeit kritischer Arbeit auch in der Zeit des Nationalsozialismus belegen, das Engagement aus dem Exil heraus. Staecks Plakate haben in der BRD auch geholfen, Heartfield wieder zu entdecken.

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