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Kriegsverbrechen in Sri LankaUN verhindert Aufklärung

Der UN-Menschenrechtsrat in Genf hat eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen der Armee von Sri Lanka im Krieg gegen die Tamilen verhindert.

Die Kriegsflüchtlinge werden immer noch in Lagern festgehalten, um untergetauchte Kämpfer auszumerzen. Bild: ap

DELHI taz | Sri Lankas Regierung hat eine internationale Untersuchung von Kriegsverbrechen ihrer Armee im UN-Menschenrechtsrat in Genf verhindert. Vor allem asiatische und afrikanische Staaten stellten sich während einer Sondersitzung des Gremiums am Mittwoch auf die Seite Colombos und brachten eine Resolution zu Fall, die die Europäische Union vorangetrieben hatte.

Darin wurde eine unabhängige Untersuchung von Kriegsverbrechen der Regierungstruppen und der Rebellen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) verlangt. Die Regierung in Colombo wurde aufgerufen, Hilfsorganisationen unbeschränkten Zugang zu den 300.000 Vertriebenen zu gewähren, die sie in Internierungslagern hält.

Stattdessen verabschiedete das 47 Mitglieder umfassende Gremium einen Entwurf Sri Lankas. Darin wird Colombo für seinen Kampf gegen die LTTE gelobt. Die Regierung müsse Hilfsorganisationen erst Zugang zu den Bedürftigen gewähren, "wenn es angebracht ist".

Die Bundesregierung zeigte sich bestürzt. Sri Lankas Regierung sei es gelungen, die Sitzung "für ihre Propagandazwecke zu missbrauchen", sagt der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Günter Nooke. Viele der afrikanischen und asiatischen Staaten, die sich hinter Sri Lanka gestellt haben, unterdrücken selbst Unabhängigkeitsbewegungen mit brutaler Härte.

Sri Lankas Regierungsarmee hat bei ihrem Vernichtungskrieg gegen die LTTE-Rebellen nachweislich das Leben zehntausender Zivilisten aufs Spiel gesetzt. Zwar kam es dabei zu keinem "Genozid", wie die Rebellen in ihrer Propaganda bis heute behaupten.

Doch Sri Lankas Regierung hat über ein halbes Jahr lang Hilfslieferungen für hunderttausende eingeschlossener Zivilisten verhindert, um die Rebellen auszuhungern, und damit bewusst eine humanitäre Katastrophe herbeigeführt.

Ärzte der staatlichen Gesundheitsbehörde, die bis zuletzt im Rebellengebiet Verletzte versorgten, gaben immer wieder an, dass die Region, in der sich zigtausende Menschen drängten, schwer beschossen wurde. Offenbar wollte die Regierung damit die letzten Zivilisten dazu zwingen, das Kriegsgebiet zu verlassen, um freie Bahn für die Beschießung der Stellungen der LTTE zu haben.

Satellitenaufnahmen bestätigen die Vorwürfe. Drei dieser Ärzte hat Sri Lankas Regierung jetzt festnehmen lassen, weil sie "Falschmeldungen" verbreitet hätten. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt.

Die größte Sorge gilt nun den gefangenen Zivilisten aus dem Kampfgebiet. Sri Lankas Regierung räumt mittlerweile offen ein, dass sie in den Lagern nach untergetauchten LTTE-Kämpfern und nach deren Unterstützern sucht.

Das Votum gegen eine Untersuchung ihrer Kriegsverbrechen könnte die Regierung nun als Blankoscheck für ihr Vorgehen verstehen, um dann mutmaßliche LTTE-Mitglieder und deren Unterstützer aus dem Weg zu räumen.

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6 Kommentare

 / 
  • P
    PFTE

    Es gibt Punkte,worauf alle gerade für einen dauerhaften Frieden in SriLanka mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Die Kriegsverbrechen müssen aufgeklärt werden, viele Tamilen erlebten den "Völkermord" bereits in der Vergangenheit der Srilankischen Geschichte und sind auch aus diesem Grund aus SriLanka geflohen. Wenn Kriegsverbrechen von Seiten der Regierung nicht stattgefunden haben sollen und kein Zivilist unter Regierungsbeschuss getötet worden sein soll, dürfte es kein Problem geben Kriegsverbrechen zu untersuchen. Unter der jetzigen Regierung SriLankas wird es keine friedliche Lösung für Tamilen geben. Rivalisierende Paramilitärs im Staatsaparat, fortwährende Unterdrückung aller "nicht regierungstreuer Bürger", Besiedlungspolitik, Besatzung von Tamilengebieten, eine in Aussicht gestellte Wahl in einem Gebiet in der Militär und Paramilitärs regieren, ohne internationaler Beobachtung,etc.

    Das fehlende Interesse und Mut der Welt führte bereits dazu, dass SriLanka eines der Länder ist, in denen die meisten Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen sind. Unter Einfluss Chinas,Indiens und Pakistans ist gewiss keine Besserung in Sicht.

    Es liegt in den Händen aller SriLankesen, auch die Bürger SriLankas aus den Klauen der Regierung zu befreien, um nicht wieder in Jahre der Verschwendung zu rutschen.

  • M
    mmmmm

    Viele Sri Lankaner sehen die Untersuchtung durch den UN-Menschenrechtsrat als eine Einmischung eines westlich dominierten Gremiums in ihre internen Angelegenheiten.

    Die westlichen Mächte (USA und EU) sind für sie nicht mehr glaubwürdig und das ist kein Wunder. Die USA foltern und bestrafen dafür nicht, westliche Armeen sind im Irak und in Afghanistan stationiert.

    Auch die Wirtschaftspolitik von USA und EU schadet den ärmeren Staaten in hohem Maße.

    Der Westen hat sich nie groß für den Krieg in Sri Lanka interessiert, schließlich handelt es sich um ein unwichtiges Land und Tamil Tigers waren keine Islamisten.

     

    Ich will die Position vieler Sri Lankaner nicht verteidigen, ich fände Aufklärung wichtig, aber ist öffentlich Meinung in SL vor diesem Hintergrund nicht verständlich?

    Es wirkt einfach nur lächerlich, wenn EU und USA andere Staaten verurteilen ohne vor der eigenen Tür zu kehren.

     

    Ich will keineswegs die Verbrechen der Regierung beschönigen, aber LTTE Verteiger sollten doch mal daran denken, dass vor allem die eigene Bevölkerung unter ihr gelitten hat. Der LTTE ging es schon lange nicht mehr ums eigene Volk. Hätte es einen eigenen Staat gegeben, wäre es mit Sicherheit eine Diktatur geworden.

  • P
    Prasad

    Der Genozid an den Tamilen ist keine Erfindung der Rebellen. Ich frage mich, ab wie viel Toten man von einem Genozid sprechen kann. In jeder Familie der Tamilen, die außerhalb Sri lankas leben, ist mindestens ein Angehöriger durch die Bombenangriffe der singhlesischen Armee verstorben.

    Ganze Familien sind ausgelöscht und viele werden vermisst.Etliche sterben noch in den Lagern, weil die Regierung kein Interesse hat diese vernünftig zu versorgen.

    Außerdem lässt die Regierung immer noch keine unabhängigen Medien und Organisationen in den ehemaligen Kriegsgebieten zu, damit sie ihre Kriegsverbrechen besser verschleiern kann.

  • P
    PTK

    Liebe Redaktion, lieber Autor,

    bitte benutzt nicht die Vokabel "ausmerzen" in der Bildunterschrift, damit unterstützt ihr aktiv das Überleben von Nazivokabular.

    Dankeschön! (kann man passieren)

  • PF
    Peter Fischer

    Jetzt ist mir klar, warum die Tamilen hier fast dauerhafte Demos veranstalten. Außerdem hab ich heute in Times gelesen, dass über 20000 Zivilisten, meistens von der Regierungstruppen, umgebracht wurde. Ich finde das ist ein sehr starke Menschenrechtsverletzung, die man beachten und bestrafen muss. Ich selbst hab mich erst über die ganzen Blockaden von Bahnhöfen und Demos aufgeregt, aber jetzt verstehe ich die Situtation der Tamilen. Sri Lanka muss bestraft werden. Außerdem haben wir deutsche hier auch wegen Gaza-Krieg einige Demos und so veranstaltet. Warum wir den für armen Tamilen sowas nicht?? Ich bin der Meinung das man sich darüber Gedanken machen soll..

  • JS
    Jack Stern

    toll deutschland hat ja keine probleme mit den ''unabhängigkeitsbestrebungen'' mancher minderheiten deshalb hat man hier volles verständnis für rebellen die man vo anders zu recht als terroristen bezeichnet. wir haben an hand al quaida, hizbolla, hamas ja gesehen wie sehr deutschland auf entspannung setzt, wenn es nur die eigenen interessen in der welt gefährden könnte.