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Polens Ex-Präsident im WahlkampfWalesa trommelt gegen Europa

Der einstige Arbeiterheld und frühere Chef der Gewerkschaft Solidarnosc tritt auf Wahlveranstaltungen der Anti-EU-Partei Libertas auf. Mit dem Honorar will er seine Rente aufbessern.

Spricht mal bei der Europäische Volkspartei, mal bei den Anti-Europäern der "Libertas": Ex-Präsident Walesa. Bild: ap

WARSCHAU taz | "Ich mache es für Geld." Kein Satz hat Lech Walesa, dem weltberühmten Nationalhelden Polens, so geschadet wie dieser. Polens einstiger Staatspräsident und früherer Chef der Gewerkschaft Solidarnosc tritt auf Wahlveranstaltungen der Anti-EU-Partei Libertas auf. In Polen schlossen sich der europaweit agierenden Partei des irischen Millionärs Declan Ganley vor allem Rechtsradikale an. Bislang hatte Walesa mit diesen Leuten nichts zu tun haben wollen. Nun aber wünschte er plötzlich der Libertas viel Erfolg bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. Fassungslos griffen sich die Polen an den Kopf: "Warum tut er das?"

Die Spekulationen hatten ein Ende, als Walesa bekannte, das Geld Ganleys zu brauchen. Der Ire habe ihm ein so lukratives Angebot gemacht, dass er es nicht abschlagen konnte. Schließlich könne er als Expräsident kaum in seinen alten Beruf als Elektriker auf die Danziger Werft zurückkehren. Wie alle Expräsidenten auf der Welt schreibe er daher Bücher und halte Vorträge. Damit bessere er seine Rente auf. Im Vergleich zu andern Ländern sei diese mit knapp 1.000 Euro so niedrig, dass er davon nicht leben könne.

Dass Lech Walesa sich an einen dubiosen Millionär verkaufen musste, um nicht am Hungertuch nagen zu müssen, war für viele Polen der nächste Schock. "Stimmt das überhaupt?", fragten sich viele. Journalisten und Politiker nahmen die Finanzen des Friedennobelpreisträgers unter die Lupe. Während die Tageszeitung Dziennik Entwarnung gab, schlug Janusz Palikot von der regierenden Bürgerplattform vor, künftig allen Expräsidenten das Gehalt zu zahlen, das auch der amtierende Präsident erhalte. So entfalle die Notwendigkeit, sich irgendwo anbiedern zu müssen.

In einem Interview bekannte Walesa, für die Libertas europaweit "100, vielleicht 200 Vorträge" halten zu wollen. Dass sich in Polen der Partei des irischen Millionärs vor allem Rechtsradikale rund um die Polnische Familienliga angeschlossen haben, störte Walesa so lange nicht, wie er nicht in seinem Heimatland für die Libertas vor die Kamera treten sollte. Nun aber plante Ganley ausgerechnet für den 4. Juni einen Libertas-Kongress in Danzig, an dem auch Walesa teilnehmen sollte.

Am 4. Juni aber finden in Krakau und Danzig große Gedenkfeiern für die ersten noch halbdemokratischen Wahlen 1989 im damaligen Ostblock statt. Zu den Feiern sind hochrangige Gäste aus dem Ausland eingeladen. Auch Walesa, der die Gewerkschafts- und Freiheitsbewegung Solidarnosc zum Sieg führte, darf dabei nicht fehlen.

Ganley ließ den Plan eines Kongresses in Danzig fallen, lud Walesa nun aber nach Paris ein. Doch über Walesa schlug eine solche Welle der Empörung zusammen, dass er nach einigem Hin und Her versicherte, den ganzen 4. Juni in Polen verbringen zu wollen: "Ich habe Donald Tusk mein Wort gegeben."

Zudem kündigte er auch noch an, demnächst nach Dublin zu fahren, um die Iren vom Lissabon-Vertrag zu überzeugen. Also genau das Gegenteil von dem zu verkünden, für das Libertas wirbt. 2008 hatte Ganleys groß angelegte "Vote No"-Kampagne in Irland dazu beigetragen, dass die Iren im Referendum gegen den Vertrag stimmten. Für Walesa ist die plötzliche Volte kein Problem. Schon als amtierender Präsident hatte er verkündet: "Ich bin dafür und sogar dagegen." GABRIELE LESSER

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