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die wahrheitNachrichten mit Nutella

Die Zukunft des Journalismus entscheidet sich letztlich am Frühstückstisch - zwischen Leberwurst und Spiegelei.

Die Medien müssen sich den morgendlichen Essritualen unterordnen, wenn sie künftig bestehen wollen. : ap

Das Schlimmste an der Krise: Unter den Ärmsten der Armen schwindet jede Solidarität. So raufen sich Blogger und Blattmacher derzeit darum, ob der Journalismus im Internet besser und zukunftsfähiger sei als der klassische auf Papier. Dazu muss man aber doch nicht alle Welt mit halbgaren Mutmaßungen und schlecht recherchierten Meinungen volltexten! Sondern könnte die rivalisierenden Angebote zur Abwechslung mal einem Vergleichstest unterziehen, und zwar beim Frühstück.

Für die Nachrichtenlektüre nämlich ist der Frühstückstisch die natürlichste Umgebung. Hier findet der Mensch morgens in die Welt und damit zu sich selbst. Um so erstaunlicher, dass beide Medientypen dafür denkbar ungeeignet erscheinen. Bei der Tageszeitung ärgert man sich zunächst über das widerspenstige Format, das neben Teller, Tasse und anderen Frühstücksutensilien ungut zu liegen kommt. Zur Zähmung benötigt es praktisch immer mindestens eine Hand, die dann beim Aufschneiden des Brötchens fehlt. Nutzerunfreundlich gestaltet sich auch das Umblättern, für das man Messer und Honiglöffel beiseitelegen muss und trotzdem Gefahr läuft, das empfindliche Papier mit Butter oder Leberwurst zu beschmieren - von der Lärmbelästigung durch raschelndes Papier ganz zu schweigen!

Beim Onlinenachrichtenkonsum werden solche Probleme elegant umschifft. Allerdings muss man das Internet dazu erst einmal auf den Frühstückstisch bringen. Geschieht dies mithilfe eines voluminösen Notebooks, kann einem dessen Platzbedarf den Genuss raumgreifender Speisen wie Melonenhälften oder Spiegeleierplatten mit gebratenem Schinken regelrecht vergällen. Und mag auch die weitere Lektüre wegen des aufrecht stehenden Bildschirms theoretisch komfortabel vonstatten gehen - längere Texte sind ohne Scrolls oder Klicks mit der Maus einfach nicht zu bewältigen. Ständig nehmen sie eine Hand in Beschlag oder zwingen sie in Wartestellung. So kann man sich einfach nicht konzentrieren!

Die Tageszeitung ist da pflegeleichter. Liegt das papierne Ungetüm endlich mal so neben dem Teller, dass man eine ganze Reportage am Stück lesen kann, sind beide Hände für Croissants und Nutella frei. Andererseits stört hier enorm, dass die sich entfaltenden Neuigkeiten einen immer wieder komplett in ihre Sphären hineinsaugen. Man streift Artikel, die eigentlich nicht die Bohne interessieren, aber dann: Überschrift, Vorspann, erster Absatz, Zwischenüberschrift - und zack! -, schon findet man sich in den entferntesten Ländern wieder, zum Beispiel irgendwo bei Rebellen im Dschungel. Das ist gefährlich: Beim Wiederauftauchen kann es passieren, dass man sich die Stirn an einem Sudoku-Kasten stößt oder mit Nutella verunziert. Oder dass einem plötzlich ganz schwach wird vor Hunger, weil man vergessen hat, seinen Joghurt mit frischen Früchten weiterzulöffeln.

Bei Netznachrichten oder auf Blogs geschieht das nicht so schnell, allein schon wegen der vielen irritierenden Blinker, Pop-up-Fenster und Fotoklickstrecken. Dafür verläuft man sich hier leicht in einem Labyrinth weitverzweigter Links, die einen bald in sehr spezielle Kleingartenwelten führen. Von dort aus findet man oft nicht mehr heim und flüchtet aus lauter Überdruss von alleine zurück zu Pfannkuchen mit Ahornsirup. Schlimmer wird es nur, wenn man sich stattdessen in den endlosen Nichtigkeiten verliert und weiterliest; für die fortgesetzte Lektüre auf dem WC sollte man deshalb unbedingt einen Ersatzakku parat halten. Klar im Vorteil ist da das Printprodukt. Es hat überdies eine letzte Seite, die einem sagt, wenn Schluss ist.

Skandalös allerdings: Unfälle mit umkippenden Kaffeetassen verzeihen beide Medien nicht. Die Zeitung muss anschließend stundenlang auf dem Balkon trocknen, das Internet gibt bereits den Dienst auf, wenn man nur versehentlich ein Glas Sekt hineingießt. Alte wie neue Nachrichtenquellen versagen also eklatant, wenn es gilt, alltägliche Herausforderungen zu meistern. Hier haben sich Designer und Ergonomen offenkundig wenig Mühe gemacht, dem Leser entgegenzukommen. Insbesondere Freunde englischer Frühstücke, die es morgens mit Messer, Gabel und Riesentellern voller Grillwürstchen, gebackener Bohnen und Rührei zu tun haben, können ihre Nachrichtenversorgung im Prinzip vergessen und sind für die Demokratie verloren. Es scheint, als hätten die Dinosaurier des Printgewerbes wie auch die Blog- und Troglodyten des Internets ihre primäre Bestimmung noch nicht erkannt: dem frühstückenden Menschen in den Tag zu helfen - jetzt und in Zukunft.

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