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Zweifel an Arbeitsmarkt-InstrumentKeine Vollzeitstelle durch Ein-Euro-Job

Durch die öffentlich geförderten Billigjobs finden Erwerbslose fast keine neuen Stellen auf dem regulären Arbeitsmarkt, kritisieren die Gewerkschaften.

Ein-Euro-Job: "Strandrangerin" in Flensburg. Bild: dpa

Manchem erscheint schon der Begriff wie Hohn: "1-Euro-Job". Die schlecht bezahlten Tätigkeiten sollten Arbeitslosen helfen, eine neue Stelle auf dem normalen Arbeitsmarkt zu finden - so plante es einst die rot-grüne Regierung. In einer neuen Untersuchung will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nun belegen, dass dieses Ziel weitgehend verfehlt wird.

"64 Prozent der Befragten glauben nicht daran, durch einen 1-Euro-Job wieder in reguläre Beschäftigung zu kommen", heißt es in der Untersuchung des DGB. Damit stellt der Gewerkschaftsbund die Wirksamkeit des Instruments der 1-Euro-Jobs generell in Frage. Wilhelm Adamy, Experte für Arbeitsmarkt beim DGB-Bundesvorstand, fordert, die Billigjobs "stark zu reduzieren" und durch andere gezielte Maßnahmen zu ersetzen - etwa die Förderung von Berufsabschlüssen.

1-Euro-Jobs gehörten in den vergangenen Jahren zu den wichtigsten Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik. Alleine 2007 wurden 750.000 neue Förderungen begonnen. Das Instrument ist ein Teil der Hartz-Reformen. Die öffentlich bezahlten Beschäftigten erhalten einen Stundenlohn von meist nicht mehr als 1,50 Euro, pflegen zum Beispiel Parkanlagen und sollen dadurch bessere Chancen erhalten, von Hartz IV auf normale Stellen zu wechseln.

Laut Deutschem Gewerkschaftsbund funktioniert dies kaum. "Nur 12 Prozent der Befragten im 1-Euro-Job wurde eine normale Vollzeitstelle angeboten", schreibt der DGB. Die Studie stützt sich auf eine Befragung, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit Anfang 2007 bei 1.232 1-Euro-Jobbern durchführte. Die negativen Ergebnisse spiegeln die Selbsteinschätzung der Befragten wider. Sie besagen alleine nicht, ob sich deren Chancen am Arbeitsmarkt verbessert oder verschlechtert haben. Darauf weist Joachim Wolff vom IAB hin, der Anfang 2008 selbst eine Studie zu den geförderten Billigjobs veröffentlichte.

Trotzdem hat Wolff Ähnliches festgestellt wie die Gewerkschafter: "Bei vielen Leuten erzielen die 1-Euro-Jobs nicht die erhoffte Wirkung, eine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt zu bilden." So habe die Teilnahme an den Maßnahmen "bei unter 25-Jährigen keinen Eingliederungseffekt". Allerdings sieht Wolff auch einige positive Veränderungen. Für Frauen und ältere Arbeitslose über 50 Jahren könnten die 1-Euro-Jobs die Aussichten erhöhen, eine normale Stelle zu finden.

Sowohl DGB als auch IAB meinen, dass die Regierung die 1-Euro-Jobs teilweise durch andere Instrumente ersetzen sollte. In Frage kommen zum Beispiel Maßnahmen zur Bildung und Qualifizierung. Einem jungen Erwachsenen es zu ermöglichen, den Hauptschulabschluss nachzuholen, kann sehr viel sinnvoller sein, als ihn jahrelang nur beim Laubsammeln im Park abzustellen.

Eine Grundsatzkritik eigener Art hat derweil die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Siftung veröffentlicht. Demzufolge widersprechen die 1-Euro-Jobs teilweise internationalem Recht. Unter bestimmten Umständen müssen Erwerbslose in Deutschland Job-Angebote der Ämter akzeptieren. Dies könne man als Verstoß gegen das internationale Verbot der "Pflichtarbeit" werten, so erklärt die Böckler-Stiftung.

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8 Kommentare

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  • M
    manfredrudolf

    Blindes geifern in Leserbriefen hilft doch nicht. Wenn es Mißstände gibt, anzeigen, verfolgen lassen - abstellen. Wo bleibt die Wissenschaftlichkeit des DGB, wenn er ein Instrument, dass die ultima ratio der Möglichkeiten für arbeitsmarktferne Arbeitslose daran mißt, wie viele von denen, die eigentlich chancenlos sind, wieder in Arbeit kommen?

  • B
    Björn

    Ein Streik wäre wünschenswert, wird hierzulande aber wohl leider nicht passieren. Wir leben schließlich in Deutschland und nicht in Frankreich

  • B
    Bendte

    Ich schlage einen Streik aller 1-Euro-Jobber, ABM-er und Kommunalkombi-Angestellter. Das Land wird stillstehen.

  • J
    Jens

    "Die daraus entstehenden riesigen Preiserhöhungen in bislang arm gemachten und gehaltenen Erdregionen würden für dortige Menschen kein Problem ergeben, höchstens vielleicht für uns hier, weil dann unsere Billigstprodukte von Schokolade bis Computern und T-Shirts etc. ebenfalls teurer würden."

     

    Ist dem tatsächlich so? Exorbitante Preissteigerungen für z. Bsp. Bekleidung? Die Hersteller verdienten wohl eher (lediglich) ein paar Prozent weniger am in Malaysia genähten T-Shirt und der Shareholder Value fiele nicht ganz so groß aus. Das wäre alles. Eine Vielzahl von Produkten wird mittlerweile hauptsächlich von Maschinen produziert, sodaß die Stundenlöhne eine eher untergeordnete Rolle im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens spielen.

     

    Es geht ausschließlich um Profitmaximierung!

  • E
    exit

    Ein Euro Jobs machen nur die Träger fett. Was da an Mitnahmementalität abläuft ist Schmarotzertum. Das interessiert aber keine Sau. Solche Jobs bewegen sich in einem rechtsfreien Raum. Es gibt keine Bezahlung im Krankheitsfall, auch innerhalb von Urlaubstagen gibt es nichts. Manche Träger rechnen angeblich stattgefundene Weiterbildungen ab, die nie stattgefunden haben.

  • MM
    Marion Manneck

    Wenn man in den Notverordnungen von Heinrich Brüning von 1928 liest, was den Reichsarbeitsdienst bestrifft, und vergleicht man die 1-Euro-Jobs damit, kann man vom Bundesarbeitsdienst sprechen. Oder wenn man ganz böswillig ist von Zwangsarbeit, da einem mint Sanktionen gedroht wird, wenn man die "Gemeinwohlarbeit" nicht annimmt.

    Vor ca. einer Woche habe ich eine ähnliche Studie von der Diakonie Düsseldorf gelesen. Die Ein-Euro-Jobs sind für so manche Institution ein Geschenk der Regierung. Sie können Personal abbauen und die Lücken mit den Ein-Euro-Jobbern füllen. Alles schon geschehen. Offensichtlich fehlt die Kontrolle, ebenso bei den Betrieben die Kurzarbeitergeld beantragt haben. Auch hier gibt es Missbrauch. Hier sollten die Arbeitagenturen mal spitzeln. Eventuell kann man viel Geld sparen.

    Wer auch immer dem Hirngespinst erlegen ist, Ein-Euro-Job gleich Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist und bleibt ein Träumer und hat in der Politik nichts zu suchen. Warum gibt es nach Ein-Euro-Jobs noch keine verlässlichen Zahlen, wieviele tatsächlich einen normalen Arbeitsplatz bekommen haben. Wahrscheinlich ist die Quote so gering, dass sich keiner traut sie zu veröffentlichen, damit man das Druckmittel nicht aus der Hand geben muss.

  • NJ
    navajo joe

    umgerechnet 5 US Dollar Mindestlohn weltweit ! ! ! !

     

    Zugleich eine Verhinderung von Scheinselbstständigkeit, die Mindestlöhne bekanntlich unterläuft.

     

    Die daraus entstehenden riesigen Preiserhöhungen in bislang arm gemachten und gehaltenen Erdregionen würden für dortige Menschen kein Problem ergeben, höchstens vielleicht für uns hier, weil dann unsere Billigstprodukte von Schokolade bis Computern und T-Shirts etc. ebenfalls teurer würden. (Speziell zu Kindersklaverei in der Kakaoproduktion vgl. z. B. das aktuelle Greenpeace Magazin).

     

    P.S: Vermögen von mehr als 1 Mio US Dollar Wert der öffentlichen, demokratischen Verwaltung übereignen!

  • J
    jan

    Wieviele Beweise braucht die TAZ eigentlich noch dafür, dass die Agenda 2010 der schäbigste Klassenkampf von oben in der Geschichte der Bundesrepublik war?