Homo-Fest im Berliner Zoo: Einfach Hand in Hand spazieren gehen
Schwule und Lesben feiern im Zoo und zelebrieren Normalität. Ein Abendspaziergang.
Es könnte ein ganz normaler Zoobesuch sein. Die Löwin blickt gelangweilt in die Ferne, Seelöwen drehen ihre Runden im grünlich verfärbten Wasser, die Zebras stehen dicht gedrängt und machen sich gegenseitig das letzte Heu streitig. Doch die Sonne steht schon tief, und Familienausflügler sieht man nicht. Stattdessen überall Paare. Händchenhaltend, knutschend und verliebt schlendern sie durch den Zoo. Männer mit Männern und Frauen mit Frauen.
Rund 3.000 Schwule und Lesben sind am Mittwochabend zur vierten "Gay Night at the Zoo" gekommen. Im vergangenen Jahr hatte der Zoo das Event noch abgesagt. Jetzt spielt die Big Band der BVG wieder Swingmusik, Lucy van Org und Kim Fischer singen dazu und die Tiergehege sind bunt beleuchtet. Es soll eine schwul-lesbische Swingparty werden, wirkt aber eher wie ein Frühlingsfest in Friedenau.
Als die Big Band die ersten Takte in die Abenddämmerung schickt, wirbeln nur sieben Paare über die Tanzfläche. Die meisten Besucher sitzen beengt auf Bierbänken. Sie trinken, rauchen, reden und wippen höchstens mal mit dem Fuß. Abendliche Biergartenatmosphäre. Es gibt keine Federboas und keine Lederkluften, keine eingeölten nackten Oberkörper und keine Frauen in Holzfällerhemden. Abheben, Auffallen und Ausrasten ist Samstag beim CSD, heute ist gesellschaftliche Normalität angesagt. Fast schon bieder wirken die größtenteils Ü40-Schwulen und -Lesben.
Beinahe flehend fordert Lucy van Org die Menge zum Tanzen auf. So viel Zurückhaltung kennt man sonst gar nicht von der Community. Erst bei "Über sieben Brücken musst du gehn" tauen manche auf. Eine Gruppe von sieben Lesben verliert ihre Hemmung und singt ausgelassen mit. Wenig später stehen sie wieder in kleiner Runde zusammen und halten sich an ihren Rotweingläsern fest.
"Das ist ein einmaliges Event. Freundliche Menschen, gute Musik, Tiere und Wein und eine gediegene Stimmung", sagt der 37-jährige Sebastian. Er ist mit seinem Freund Marko zum zweiten Mal bei der Swing-Party im Zoo. Britta steht mit ihrer Freundin Arm in Arm am Pinguinbecken. "Es ist toll, sich mal ohne dumme Blicke als Paar zeigen zu können", sagt die 47-Jährige.
Es wird dunkel und abseits der Bühne herrscht eine friedvolle, fast andächtige Atmosphäre. Zwei 70-jährige Frauen sitzen auf einer Bierbank. Sie streicheln sich sanft über die Hände und blicken sich in die Augen. "Wir finden es schön hier, niemand guckt", sagt eine von ihnen.
Die Schwulen und Lesben genießen diesen Abend der Normalität - auch wenn sie nur gespielt ist, weil sie offenbar nur in dieser geschlossenen Gesellschaft möglich ist. So macht dieser Abend auch bewusst, was Schwulen und Lesben immer noch fehlt: die endgültige gesellschaftliche Anerkennung.
Paul Wrusch
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