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Bildungsministerin verspricht BewegungStudenten enttäuscht von Schavan

Ein runder Tisch im Bildungsministerium sollte Frieden nach den Protesten bringen. Studierende aber sind weiter unzufrieden: "Auf unsere Forderungen wurde nicht eingegangen".

Muss viel Kritik ertragen: Bildungsministerin Schavan. Bild: ap

BERLIN taz | Es hätte alles so friedlich werden können. Gerade hatte Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) noch von "größtmöglicher Verbindlichkeit" und einem "ertragreichen Gespräch" gesprochen, da versammelten sich vor ihrem Ministerium schon die Vertreter der Studentenproteste. Und die klangen ganz anders: "Wir sind total enttäuscht", sagte Paula Rauch, eine Sprecherin der Studenten, "auf unsere Forderungen wurde nicht eingegangen."

Neben den Studierenden hatte Schavan Vertreter der Hochschulen, Kultusministerkonferenz, Gewerkschaften und des Studentenwerks eingeladen, um an einem Runden Tisch Folgerungen aus den Studentenprotesten vom Juni zu diskutieren. Vor allem im Fokus: die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master - Kernpunkte des sogenannten Bologna-Prozesses. Konsens sei, so Schavan, dass keiner den Ausstieg aus dem Bologna-Prozess wolle. Vielmehr ging es "um eine korrigierte Weiterentwicklung".

Dabei wandte sich die Ministerin auch gegen eine Quote bei dem Übergang von Bachelor zu Masterstudiengang: "Der Übergang zum Master muss problemlos sein." Schavan will zudem mehr Flexibilität bei der Länge des Bachelorstudiums einräumen und eine Studie zur Wertigkeit des dazugehörigen Abschlusses in Auftrag geben. Auch der Vertreter der Kultusministerkonferenz gestand den Studenten Reformen zu: "Wir brauchen mehr Variabilität in der Umstellung der Studiengänge und wollen keine Quote beim Zugang zum Master", sagte der sachsen-anhaltische Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos).

Dennoch zeigten sich die Studenten von dem Ergebnis enttäuscht. Vor dem Ministerium versammelten sich Vertreter der Proteste spontan zu einer Kundgebung, nachdem sie in der offiziellen Pressekonferenz nicht zu Wort gekommen waren. Sprecherin Rauch beklagte, dass "Verbesserungsvorschläge ignoriert wurden". Die öffentlich verkündete Einigkeit könne sie nicht nachvollziehen - im Gegenteil. "Es wurde doch gar nicht ergebnisoffen diskutiert", sagt die Aktivistin, "mitten im Treffen hat uns die Ministerin schon vorgelesen, was sie später verkünden wird." Auch die Grünen zeigen sich enttäuscht über das Ergebnis. "Schavan war und ist keine Anwältin für gute Studienbedingungen", sagte ihr hochschulpolitischer Sprecher, Kai Gehring.

Völlig offen ist nun, wie die Studentenschaft reagieren würde, erklärten die Vertreter der Proteste. "Es kann gut sein, dass im Herbst wieder protestiert wird", sagt Paula Rauch, "dann vielleicht sogar länger als eine Woche." Konsens klingt anders.

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6 Kommentare

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  • KF
    Komitee für internationale kleinschreibung

    Der titel Bachelor dient in UK in kombination mit den credit points der ermöglichung eines teilzeitstudiums, so daß die studierenden nebenbei familien gründen können und/oder einer praktischen tätigkeit nachgehen können, was ja durchaus sinnvoll erscheint.

    Das hat man hierzulande offenbar nicht realisiert, wenn man diesen abschluß quasi als durchlauferhitzer installiert.

     

    Die vertreter der kultusministerkonferenz sind im übrigen für die schlimmsten verwerfungen in der deutschen geistesgeschichte seit der niederschlagung der paulskirchenrevolution von 1848/49 verantwortlich, wenn man sich die reaktionären entscheidungen und damit die fehlentwicklungen in der schul- und bildungspolitik der vergangenen jahrzehnte betrachtet.

  • F
    Franziska

    Das war absolut zu erwarten, Schavan ist eher eine Lobbyistin der Bildungsökonomen. Die vielen geschaffenen Probleme für die Wissenschaft´durch die letztjährigen Bologna-Änderungen darf sie garnicht sehen, wenn sie ihren Posten weiter behalten will, wovon man ausgehen muss. Daher sind auch die ewig gleichen PR-Statements nicht nur langweilig, sondern peinlich. Sie redet mit den Intellektuellen des Landes und ihrem Nachwuchs über ihr Wissenschaftssystem. Wenn sie glaubt, mit diesen PR-Blasen jemanden zu interessieren, so ist sie erst Recht fehl auf dem Posten. Natürlich wollen alle das Bachelor-Master-System wieder los werden, das ist inzwischen nahezu Konsens. Wenn sie die unmittelbar augenscheinlichen unzähligen Defizite dieser verschulten Ausbildung anstatt des ehemaligen großartigen Studiums nicht sieht, denn positive Aspekte gibt es für deutsche Universitäten keine, hat sie nicht nur den falschen Beruf, sondern besitzt auch keine analytische Problemlösungskompetenz, die nahezu für jeden Beruf essentiell ist. Die Nichthandlung der Ressortverantwortlichen wäre für ein Pfadfinderlager oder eine Kinderkrippe bereits unwürdig, an einer Universität und dem ehemals großartigen deutschen akademischen Bildungssystem entbehrt sie jeder Beschreibung und jedem Vergleich, das Armutszeugnis könnte größer nicht ausgestellt werden.

  • OG
    Olaf Götze

    Wenn Frau Schavan es ernst meint und keine Quote für den Master will, dann soll sie mal zeigen, wie sie das umzusetzen gedenkt. Denn genau das ist es, was im Moment abgeht.

    3-Fach, 4-Fach mehr Bachelor-Absolventen als zur Verfügung stehende Masterplätze ist dabei keine Seltenheit. Die Selektion, auch die soziale Selektion, wird fortgeschrieben. Denn wer 20 Wochenstunden nebenbei arbeiten muss, schafft eventuell nicht die Bestnote gegenüber seiner/m Kommilitonin/en.

  • KF
    Komitee für internationale kleinschreibung

    Der titel Bachelor dient in UK in kombination mit den credit points der ermöglichung eines teilzeitstudiums, so daß die studierenden nebenbei familien gründen können und/oder einer praktischen tätigkeit nachgehen können, was ja durchaus sinnvoll erscheint.

    Das hat man hierzulande offenbar nicht realisiert, wenn man diesen abschluß quasi als durchlauferhitzer installiert.

     

    Die vertreter der kultusministerkonferenz sind im übrigen für die schlimmsten verwerfungen in der deutschen geistesgeschichte seit der niederschlagung der paulskirchenrevolution von 1848/49 verantwortlich, wenn man sich die reaktionären entscheidungen und damit die fehlentwicklungen in der schul- und bildungspolitik der vergangenen jahrzehnte betrachtet.

  • F
    Franziska

    Das war absolut zu erwarten, Schavan ist eher eine Lobbyistin der Bildungsökonomen. Die vielen geschaffenen Probleme für die Wissenschaft´durch die letztjährigen Bologna-Änderungen darf sie garnicht sehen, wenn sie ihren Posten weiter behalten will, wovon man ausgehen muss. Daher sind auch die ewig gleichen PR-Statements nicht nur langweilig, sondern peinlich. Sie redet mit den Intellektuellen des Landes und ihrem Nachwuchs über ihr Wissenschaftssystem. Wenn sie glaubt, mit diesen PR-Blasen jemanden zu interessieren, so ist sie erst Recht fehl auf dem Posten. Natürlich wollen alle das Bachelor-Master-System wieder los werden, das ist inzwischen nahezu Konsens. Wenn sie die unmittelbar augenscheinlichen unzähligen Defizite dieser verschulten Ausbildung anstatt des ehemaligen großartigen Studiums nicht sieht, denn positive Aspekte gibt es für deutsche Universitäten keine, hat sie nicht nur den falschen Beruf, sondern besitzt auch keine analytische Problemlösungskompetenz, die nahezu für jeden Beruf essentiell ist. Die Nichthandlung der Ressortverantwortlichen wäre für ein Pfadfinderlager oder eine Kinderkrippe bereits unwürdig, an einer Universität und dem ehemals großartigen deutschen akademischen Bildungssystem entbehrt sie jeder Beschreibung und jedem Vergleich, das Armutszeugnis könnte größer nicht ausgestellt werden.

  • OG
    Olaf Götze

    Wenn Frau Schavan es ernst meint und keine Quote für den Master will, dann soll sie mal zeigen, wie sie das umzusetzen gedenkt. Denn genau das ist es, was im Moment abgeht.

    3-Fach, 4-Fach mehr Bachelor-Absolventen als zur Verfügung stehende Masterplätze ist dabei keine Seltenheit. Die Selektion, auch die soziale Selektion, wird fortgeschrieben. Denn wer 20 Wochenstunden nebenbei arbeiten muss, schafft eventuell nicht die Bestnote gegenüber seiner/m Kommilitonin/en.