Kommentar Altersteilzeit & Schonvermögen: Gute und schlechte Arbeitslose

Auf die steigende Arbeitslosigkeit wird jede Bundesregierung reagieren müssen. Das düstere Spiel, zwischen guten und schlechten Joblosen zu unterscheiden, wird wohl weitergespielt.

Es hat lange gedauert, aber jetzt ist die Krise in der Sozialpolitik angekommen. Die steigende Arbeitslosigkeit wird zum Thema. So schlägt SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz vor, die Altersteilzeit zu verlängern und das Schonvermögen zu erhöhen, das Hartz-IV-Empfänger für ihre Rentenzeit zurücklegen dürfen. Natürlich ist bei diesen Vorstößen nicht zu übersehen, dass Wahlkampf ist - und dennoch weisen die Vorschläge weit über den September hinaus. Wer immer in der nächsten Legislaturperiode regiert, wird die Arbeitslosen nicht mehr ignorieren können.

Die OECD schätzt, dass im nächsten Jahr in Deutschland fünf Millionen Menschen arbeitslos sind - das ist die offizielle Zahl. Hinzu kommt rund eine Million an erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern, die in den vergangenen Jahren trickreich aus der Arbeitslosenstatistik ausgesteuert wurden, um den Gesamteffekt zu schönen.

Auf diese dramatischen Arbeitslosenzahlen wird jede Bundesregierung reagieren müssen, die nicht die Landtagswahlen ab 2010 verlieren will. Selbst eine FDP würde sich nicht sperren, Wohltaten an Arbeitslose zu verteilen. Aber an welche Arbeitslosen?

Wahrscheinlich wird das düstere Spiel weitergespielt, zwischen guten und schlechten Erwerbslosen zu unterscheiden. Zu den Guten gehören die Facharbeiter, die erstmals in die Arbeitslosigkeit rutschen. Für sie dürfte demnächst das Arbeitslosengeld I verlängert werden, damit sie Hartz IV nicht erleben müssen.

Die Langzeitarbeitslosen hingegen werden weiter abgestraft, indem ihre Hartz-IV-Sätze nicht steigen. Auch vom Scholz-Vorschlag würden viele Langzeitarbeitslosen nichts haben: Dürften sie mehr behalten fürs Alter, dann würde der Staat dies später auf die Grundsicherung anrechnen, die sie als arme Rentner erhalten.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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