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Nanopartikel stören HirnentwicklungSchädliche Sonnencreme

Winzig kleine Partikel aus Titandioxid, die auch in Sonnencreme verwendet werden, lösen Entwicklungsschäden aus – zumindest bei Mäusen.

Gar keine sonnigen Aussichten: Sonnencreme mit Nanopartikeln ist möglicherweise schädlich. Bild: ap

BERLIN taz | Nanopartikel aus Titandioxid (TiO2) beeinflussen die Hirnentwicklung bei Mäuseföten. Zu diesem Ergebnis kommen japanische Forscher von der Tokio-Universität. Die winzigen Titandioxidpartikel veränderten in den Zellen die Produktion von Proteinen, berichtet das Forscherteam um Ken Takeda in dem Fachmagazin Particle and Fibre Toxicology. Nanopartikel aus Titandioxid finden zunehmend für Sonnenschutzmittel Verwendung. Befürchtet wird schon seit Längerem, dass diese winzigen Partikel, über die Haut aufgenommen, zu gesundheitlichen Schäden führen können.

Die Ergebnisse stützten die Befürchtung, "dass dieses spezielle Nanomaterial das Potenzial hat, die menschliche Gesundheit zu beeinflussen", so Takeda. Von früheren Forschungen, unter anderem bei der US-Umweltbehörde EPA, war schon bekannt, dass Nanopartikel aus Titandioxid Gehirnzellen schädigen können. Die EPA-Forscher hatten herausgefunden, dass Titandioxid sogenannte Gliazellen aus dem Gehirn dazu veranlasst, aggressive Sauerstoffmoleküle zu bilden, die Nervenzellen schädigen. Diese Versuche fanden im Reagenzglas statt, sodass unklar ist, ob diese Wirkung auch bei lebenden Tieren oder sogar bei Menschen auftreten können.

Die japanischen Forscher arbeiteten hingegen mit lebenden Tieren. Sie spritzten 25 bis 75 Nanometer große Titandioxidpartikel in einer Lösung unter die Haut von trächtigen Mäuseweibchen. Anschließend untersuchten sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Gehirnaktivitäten der Mäuseföten. Auch nach der Geburt wurden die Gehirnaktivitäten registriert. Der Vergleich mit unbehandelten Mäusen zeigte, dass das Titandioxid die Aktivität von mehr als hundert Genen verändert hatte.

Betroffen waren auch Gene, die bei neurologischen Erkrankungen eine Rolle spielen. Laut Takeda zählten zu den Krankheiten, die auf diese Gene zurückzuführen sind, unter anderem Autismus, Epilepsie oder Lernschwierigkeiten, aber auch Schizophrenie und Parkinson.

Für die japanischen Forscher sind die jetzt veröffentlichten Forschungsergebnisse nur erste Hinweise auf eine schädigende Wirkung. Denn sie spritzten den Mäusen relativ hohe Dosen unter die Haut. Bei der Benutzung von Sonnencreme mit Nanopartikeln aus TiO2 muss man auch berücksichtigen, dass die winzigen Teilchen noch die schützenden Hautschichten durchdringen müssen. Doch solange unklar ist, wie gefährlich die winzigen Partikel sind, ist es wohl besser, sie nicht zu nah herankommen zu lassen.

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16 Kommentare

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  • R
    rubin

    Hallo Roman, wieso nur Panikmache ? Titandioxid ist auch in zahlreichen Produkten, welche viele regelmäßig oral einnehmen beinaltet, wie z.B. Tabletten, Kapseln, Zahnpaste, etc. Auf Titandioxid verzichte ich gerne. Kleinvieh macht auch Mist.

  • D
    Dirk

    Titandioxid wird sogar in Nahrungsergänzungmitteln für Schwangere als Farbstoff verwendet, so z.B. in dem Mittel femibion der Firma Merck. Warum wird ein solch umstrittener Stoff in einem so sensiblen Bereich eingesetzt? Und dann noch für einen so unnötigen Zweck! Die Farbe der Tablette ist doch wirklich zweitrangig. Die Verwendung von Titandioxid in Sonnencremes mag da ja noch unbedenklich sein, aber gerade bei einem Produkt, welches die Entwicklung des ungeborenen Kindes fördern soll, erscheint mir die Verwendung fragwürdig.

     

    Weiterhin habe ich Titandioxid in Kinderzahnpasta gesehen. Meines Erachtens auch unnötig. Gerade Kinder verschlucken immer wieder kleine Mengen Zahnpasta.

  • D
    Dirk

    Titandioxid wird sogar in Nahrungsergänzungmitteln für Schwangere als Farbstoff verwendet, so z.B. in dem Mittel femibion der Firma Merck. Warum wird ein solch umstrittener Stoff in einem so sensiblen Bereich eingesetzt? Und dann noch für einen so unnötigen Zweck! Die Farbe der Tablette ist doch wirklich zweitrangig. Die Verwendung von Titandioxid in Sonnencremes mag da ja noch unbedenklich sein, aber gerade bei einem Produkt, welches die Entwicklung des ungeborenen Kindes fördern soll, erscheint mir die Verwendung fragwürdig.

     

    Weiterhin habe ich Titandioxid in Kinderzahnpasta gesehen. Meines Erachtens auch unnötig. Gerade Kinder verschlucken immer wieder kleine Mengen Zahnpasta.

  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    Was schädliche Substanzen angeht, die 'man' im Sommer gern auf die Haut aufträgt u.s.s.: Wissenschaftsteams in Montpellier haben jetzt belegt, dass der Insektenabwehrstoff DEET, der z.B. in vielen oder allen Autan-Produkten enthalten ist, aber auch bei Malariaabwehr verwendet wird (z.B. die Netze werden damit oft besprüht), die Nerven schädigt (z.B. bzgl. des Botenstoffs Cholinesterase)

  • M
    marina

    @ Christian: Naja, es hätte aber ja sein können, dass es dazu genauere Infos gibt und dazu jmd genaueres weiß.

     

    @ Anna: Was ich nicht verstehe: Wenn das Nanopartikel sind, können sie dann nicht auch relativ problemlos durch die Haut in den Körper und damit auch zu den Nerven gelangen? Warum nur über die Schleimhäute? (was ich bei anderen Dingen wie Säure etc. schon verstehe, aber eben nicht so recht bei so extrem kleinen Partikeln).

  • C
    Christian

    Marina, das ist doch jetzt Kokolores. Vielleicht war deine Freundin allergisch oder da war irgend ein Chemiescheiß drin. Weiße Farbe macht jedenfalls in Selbstbräunungscreme nicht viel Sinn und nur weil irgend etwas sich als eventuell schädlich erweist, ist nicht plötzlich jeder Kopfschmerz davon verursacht. Es gibt zehn Milliarden Sorten von schädlichem Mist, da ist die Chance, dass es der zehn Milliarden und erste Mist war, der die Kopfschmerzen deiner Freundin verursacht hat, doch relativ gering.

  • M
    Megabräuner

    Hoffentlich ebbt der idiotische Nano-Hype bald ab. Dass TiO2 ungesund ist ist schon lange bekannt. So lautet die MAK-Einstufung: "Krebserzeugend Kategorie 3A", allerdings (bislang) mit der Fußnote: „Ausgenommen ultrafeine Partikel“.

    Zum Glück gibt es auch titanoxidfreie Sonnencremes.

  • B
    Benjamin

    Es ist erstaunlich, dass die Taz als ökolinke Zeitung einen Artikel abdruckt, der Panik gegenüber Wirkstoffen alternativ-ökologisch arbeitender Firmen macht.

    Man kann natürlich auf Titanoxid verzichten, welchem bisher keine bedenklichkeit in Sonnencreme nachgewiesen werden kann. Dann nimmt man eben chemischen Sonnenschutz, der gewiss Bedenklich ist.

     

    Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Taz mal wieder auf die Arbeit irgendeiner Lobby reingefallen ist. Das ist ja auch des öfteren schon im Mobilfunk-bereich geschehen, nur dass dort in fahrlässiger Weise die Beschwichtigungen der Industrie übernommen wurden.

     

    So oder so: Die Taz ist unabhängig im wirtschaftlichen Sinne, bitte auch beim denken auf unabhängigkeit achten und kritisch hinterfragen, statt bei der Panikmache oder Einlullung der Wirtschftslobby mitzumachen.

  • A
    Anna

    Titandioxid selbst, obwohl es ein "natürlicher" Stoff ist, galt schon vor 20 Jahren als bedenklich, da es Wucherungen beschleunigen soll.

    Da der Stoff aber in sämtlichen Lacken, Wandfarben und eben auch Kosmetik eingesetzt wird und es bislang keine Alternativen gibt, wurde es um die Problematik dieses Stoffs sehr still.

    Kritische Menschen meiden schon sehr lange Produkte, in denen überflüssigerweise Titandioxid enthalten ist, z. B. Zahnpasta. Denn da geht es nun mal ohne Probleme ohne und die Alternativen sind auch vorhanden.

    Cremes, Sonnenmilch etc. sind noch als relativ harmlos einzuschätzen, problematisch ist es vor allem dann, wenn Titandioxid direkt auf die Schleimhäute wirken kann (eben Zahnpasta) oder in die Atemwege eindringen kann (Wandfarbe). Dass in Form von Nanopartikeln der Schaden dann noch größer sein kann und Nervenbahnen angreift, scheint erst mal logisch zu sein.

  • V
    venesse

    In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 2006 herausgebrachten Infolektüre zur Nanotechnologie liest sich das noch so: "Bisher gibt es nur wenig gesicherte Erkenntnisse über mögliche Umwelt-und Gesundheitsfolgen durch die Freisetzung von Nanopartikel [...]", sogleich wird das verunsicherte Gewissen mit 8 Millionen Euro Fördermitteln und mit dem Verweis auf definitiv ungefährliche Anwendungen von Nanopartikel, wie zum Beispiel in "Sonnencreme als Lichtschutzfaktor[...]" beruhigt.

     

    http://www.bmbf.de/pub/nanotechnologie_inno_fuer_die_welt_v_morgen.pdf

  • J
    jensw

    Ach...immer die selben Reflexe...könnte gefährlich sein, lassen wir die Sonnencreme lieber weg und holen uns *nen gesunden Sonnenbrand.

    Die Autoren haben selbst geschrieben, dass sie eine sehr hohe Partikelkonzentration verabreicht haben - niemand soll Sonnencreme essen oder sich unter die Haut spritzen...die Ergebnisse kann man halt nicht 1:1 auf eine äussere Anwendung uebertragen.

    2. das ganze fällt unter eine der ältesten pharmakologischen Weisheiten: die Dosis macht das Gift!

    Es sollen auch schon Leute an Alkoholvergiftungen gestorben sein, da kann ich mich nicht daran erinnern, das der gute Wein zu einem guten Essen weggelassen werden sollte...

    Ich bin es langsam muede, wenn im Sommerloich echt jede Meldung aufgebauscht wird...

  • B
    belle

    Scheiße- Ich habe das Zeug (TiO) vor zwei Tagen im Kuchen gehabt (Philippinen). So weit ist es schon gekommen.

  • FD
    Frank Dohrmann

    Dies las man auch schon im Spiegel.

     

    Hier wie dort aber keine Hinweise auf Sonnecremes ohne den kritischen Stoff.

     

    Scheint auch schwierig zu sein:

     

    http://www.google.com/search?hl=de&client=firefox-a&rls=org.mozilla%3Ade%3Aofficial&q=sonnencreme+ohne+titandioxid&btnG=Suche&lr=

     

    Oder weiss jemand mehr dazu?

     

    Bester Gruß

     

    F.D.

  • M
    marina

    Sind solche Partikel vielleicht auch in Selbstbräunungscremes? Eine Freundin hat mir mal erzählt, sie meint, oft merkwürdige Kopfschmerzen zu haben, wenn sie solche aufgetragen hat. Ich glaub' sie hatte die meistens bei Woolworth oder Karstadt gekauft - naja, die gibt's jetzt evtl. gar nicht mehr, aber die Cremes vielleicht immer noch. Oder sind da solche Partikel nicht drin? Wer das weiß und hier liest, bitte antworten. Danke.

  • K
    Karl

    Die Frage nach der Schädlichkeit einer definierten Partikelklasse richtet sich ja uch nach den wirksamen Infiltrationspfaden. Was denn genau passiert, wenn solche Zubereitungen nicht sc appliziert werden läßt sich ja wohl durch Tracerversuche an Verbund-, nicht Tiermodellen!, klären.

     

    Strenge Sachlichkeit ist hier geboten, allein um nicht die von keiner Fachkenntnis getrübte "Feinstaubdebatte" zu wiederholen.

     

    Karl

  • R
    Roman

    Schöne Panikmache!

    das ist schon fast allerfeinstes Bild-Niveau. Hier werden zwei Sachen nebeneinander gestellt, um eine Suggestion des Zusammenhangs zu provozieren.

    Die Forscher haben den Mäusen das TiO2 subkutan, d.h. unter die Haut gespritzt. Und nicht wie wir in der Sonnencreme es auf! die Haut appliziert (eingeschmiert...). Dabei waren das noch schwangere!Mäuse, denen das TiO2 verabreicht wurde!

    Weiter kritisch zu betrachten ist die Auswertung via Microarray, die einem Wissenschaftler eine sehr große Datenmenge leifert, die er eigentlich nur noch auf seine Untersuchung anpassen muss. Da ist doch eine Korrelation (Zusammenhang) leicht hergestellt.

    Ich habe jahrelang in diesem Bereich gearbeitet!