Folgen der Wirtschaftskrise: Japan wird Schnäppchenland

Preise und Löhne in Japan fallen im Rekordtempo - und zwar nicht nur weil die Energiekosten gesunken sind. Die Entwicklung weckt Angst vor einer Deflation.

Sparen hat in Japan derzeit Hochkonjunktur: Gekauft werden fast nur noch Schnäppchen. Bild: dpa

TOKIA taz | In Japan hat sich die gefürchtete Spirale aus Schrumpfen der Nachfrage und Preisverfall in Gang gesetzt. Im Juni lagen die Verbraucherpreise 1,7 Prozent unter denen des Vorjahres - ein solcher Rückgang ist noch nie da gewesen. Die Preise, die die Firmen für Rohstoffe und Vorprodukte bezahlen, sanken im selben Monat um 6,6 Prozent. Zugleich erlebten die Japaner einen dramatischen Einkommensverlust. Im Juni steckten im Schnitt 7 Prozent weniger in der Lohntüte. Die Gründe waren, dass die Firmen einen kleinerer Sommerbonus um gut 18 Prozent kürzten und knapp 18 Prozent weniger Zusatzlohn zahlten, weil vor allem im produzierenden Gewerbe kaum Überstunden anfielen.

Die Folge: Kaufzurückhaltung. Die Supermärkte nahmen in der ersten Hälfte dieses Jahres 3,7 Prozent weniger ein als im ersten Halbjahr 2008. Im Juni schrumpfte der Umsatz um 4,4 Prozent. Zwar gaben die privaten Haushalte im Juni 0,2 Prozent mehr aus, aber das lag an staatlichen Subventionen für den Kauf von Ökoautos und energieeffizienten Fernsehern.

Auf den Konsumstopp reagiert der Einzelhandel mit einem Dauerfeuer von Angeboten und treibt damit die Preise weiter nach unten. Vom Flachbildfernseher über die Mobilfunkraten bis zur Pauschalreise werden derzeit viele Waren und Dienstleistungen billiger. Selbst Minisupermärkte beteiligen sich neuerdings an der Rabattschlacht. Das verhindert eine wirtschaftliche Erholung.

Denn die Firmen senken ihrerseits die Kosten, bauen Stellen ab, investieren weniger. Panasonic ist ein Fünftel des Umsatzes weggebrochen und die Fabriken von Toyota sind nur zu drei Fünfteln ausgelastet. Zwei Drittel des Preisrückgangs im Juni gingen auf das Konto der Energiekosten, denn der Ölpreis hat sich in den letzten zwölf Monaten mehr als halbiert. Ohne diesen Faktor sanken die Preise im Juni um 0,7 Prozent. Doch im Juli setzte sich der Preisverfall fort - in Tokio um 1,7 Prozent. Die Entwicklung in der Hauptstadt gilt als Vorläufer für das ganze Land.

Die Japaner greifen nun nicht mehr wie früher automatisch zu Markenartikeln. Der Warenhausbetreiber Millennium Retailing will im September mit dem Verkauf von No-Name-Waren beginnen. Die neue Biermarke von Japans zweitgrößtem Einzelhändler Aeon ist um ein Fünftel billiger als die etablierte.

Schon einmal war in Japan der Ausdruck takaku hakai (Preiszerstörung) in aller Munde: Ab Mitte der 90er-Jahre stiegen die Preise kaum noch, dann danken sie jedes Jahr bis Mitte dieses Jahrzehnts um bis zu 2 Prozent. Doch damals gaben die Leute weiter Geld aus. In der aktuellen Rezession verhält sich die Mehrheit anders. Aus Angst vor der Zukunft bleiben die Geldbörsen zu. Mehr als ein Drittel der Japaner hat keinen festen Job, im vorigen Jahrzehnt war es nicht einmal ein Viertel. Nun nähert sich die Arbeitslosenquote ihrem Nachkriegshoch von 5,5 Prozent.

Sparen hat Hochkonjunktur. Das Fernsehen berichtet über allein lebende Männer, die sich ihr Mittagessen fürs Büro zu Hause vorkochen. In Frauenmagazinen wetteifern Leserinnen darum, das Familienbudget zu drücken. Bewunderung ernten die, die für ihre Kochzutaten je Familienmitglied mit 10.000 Yen (70 Euro) im Monat auskommen.

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