Ölpest an Norwegens Küste: Havarie mit jahrelangen Folgen
Das Schiffsunglück vor der norwegischen Küste verspricht die bisher teuerste Sanierungsaktion in Norwegen zu werden. Im Schweröl werden etliche Gifte entsorgt.
Das große Medieninteresse ist abgeebbt, aber immer noch kämpfen Küstenschutz, Feuerwehren und freiwillige Hilfskräfte gegen die Ölpest an der südnorwegischen Küste. Am 31. Juli war der Frachter "Full City" hier auf Land gelaufen. "Die Sanierungsarbeiten dürften noch Monate dauern", sagt John Marius, Bereitschaftschef der Küstenschutzbehörde Kystverket. Die Regierung schätzt, dass es die teuerste Säuberungsaktion in der norwegischen Geschichte werden wird.
Die Öffentlichkeit wird davor gewarnt, Fische, Krabben und Krebse aus dem Gebiet zu verzehren. Naturschutzbehörden befürchten, dass 15 Jahre vergehen werden, bis die Natur sich von den Folgen dieser Ölpest erholt haben wird.
Vor allem aber hat die "Full City" wieder ins Gedächtnis gerufen, wie wenig Schutz es gegen Ölunfälle gibt. Es ist ganz normaler Schiffstreibstoff, der jetzt die Strände verklebt. Und Umweltschutzorganisationen werfen der Regierung vor, in der Vergangenheit viel zu wenig gegen die Probleme der Schwerölverbrennung in Schiffsmotoren getan zu haben.
Schweröl ist ein Rückstandsprodukt aus Raffinerien, wenn diese Benzin, Diesel und andere Erdölprodukte hergestellt haben. Und als Schiffstreibstoff ist es nicht nur wegen des hohen Schwefelgehalts ein Umweltproblem. Weiß man bei einem Tankerunglück mit Rohöl, womit man es zu tun hat, mussten sich die norwegischen Behörden nach der Havarie der "Full City" erst einmal an die Analyse dessen machen, was da eigentlich aus den aufgerissenen Treibstoffbunkern des Frachters ins Meer geflossen war.
Schweröl kann für viele Überraschungen gut sein. Darin entsorgen manche Lieferanten nicht nur gern Altöl aus Kraftfahrzeugen, sondern gleich auch noch billig und unauffällig Batterie- und Bremsflüssigkeiten, chemische Reinigungsmittel und alle möglichen anderen flüssigen Chemie- und Industrieabfälle. Viele Schiffe sind schwimmende Müllverbrennungsanlagen.
In der Schwerölbranche wimmelt es von skrupellosen Schwindlerfirmen, berichtet Knut-Helge Knutsen der norwegischen Technikzeitschrift Teknisk Ukeblad. Diese ließen sich von der Industrie gut dafür bezahlen, dass sie deren Öl- und Chemieabfälle abnehmen. Die mischten sie dann in das Schweröl und könnten statt der ursprünglichen Menge von beispielsweise 10.000 Tonnen auch gleich noch für 10.500 Tonnen abkassieren. Dass aus dem ohnehin giftigen Schweröl danach ein noch viel problematischerer Giftcocktail entstanden ist, interessiert nicht nur diese Firmen nicht, sondern auch die zuständigen Behörden bislang viel zu wenig.
Knutsen kennt sich aus. Er ist Regionalleiter der Osloer Abteilung für Treibstofftests des Schiffsversicherers Det Norske Veritas. Und Hanne Lee Behrens, Direktor des norwegischen Reederverbands, ist das Thema auch bekannt: "Wir wissen nicht, wie umfassend der Schwindel ist, aber wir wissen, dass das Bunkeröl nicht immer den Spezifikationen der Lieferanten entspricht."
85 Prozent der Seevögel, die mit so einem Gemisch in Berührung kommen, sterben, schätzt Tycho Anker-Nilssen vom Norwegischen Institut für Naturforschung (NINA): "Bei Menschen hätte es im Prinzip die gleichen physiologischen Schadenswirkungen zur Folge." Die Behörden warnen daher auch Laien davor, sich auf eigene Faust an der Beseitigung der Spuren der Ölpest zu versuchen. Und die Regierung in Oslo kündigte nun an, sich bei der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO dafür einzusetzen, dass nicht nur in der Nordsee ab 2015 die schon beschlossenen neuen strengeren Schiffstreibstoffvorschriften gelten sollen, sondern auch entlang der ganzen norwegischen Küste und in der Barentssee.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!