Deutsche Amateurboxer am Boden: Der nächste Niederschlag
Nach der sportlichen Pleite der deutschen Amateurboxer bei den Olympischen Spielen droht nun der finanzielle Kollaps. Jetzt bettelt der Verband um Spenden.
Der nächste Niederschlag
VON SUSANNE ROHLFING
Auf den Schock folgte zunächst ein wenig Entspannung. Ende des vergangenen Jahres konnten die deutschen Amateurboxer ihre historische Olympiapleite zwar nicht ungeschehen machen, nahmen ihr mit dem Gewinn dreier Medaillen bei der Europameisterschaft in Liverpool aber zumindest ein wenig Brisanz. Und bei der EU-Meisterschaft im Mai in Dänemark ließen sie dann gar so etwas wie Aufschwung erkennen: Sie gewannen dreimal Gold, einmal Silber und einmal Bronze. Nun aber lenken kurz vor der Weltmeisterschaft (29. August bis 13. September in Mailand) die Funktionäre des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV) mit einem öffentlichen Aufbäumen gegen eine schon seit Jahren währende Finanzkrise vom sportlichen Wiederaufstieg ab. Die Herren bitten um Spenden - in einem Aufruf auf der Startseite ihrer Internetseite und in einer Anzeige in der August-Ausgabe des Fachmagazins Boxsport. Rund 250.000 Euro Schulden müssen getilgt werden.
"Der DBV befindet sich in der größten finanziellen Krise seiner Geschichte. Seine Existenz und damit das olympische Boxen sind bedroht", so steht es auf der Internetseite des DBV. Veranlasst hat das der neue Verbandspräsident Jürgen Kyas, der auf dem letzten Wahlkongress Friedrich Schupp nach nur zweijähriger Amtszeit ablöste. "Wenn man so sehr unter finanziellem Druck steht, muss man sich etwas einfallen lassen", sagt Kyas. Das Problem begann vor drei Jahren, als die Amateurboxer weniger Geld aus den Fernsehverträgen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern bekamen. "Es kam zu einer Unterdeckung in unserem ordentlichen Haushalt und es wurden Schulden angehäuft", erklärt Kyas. Hinzu kam, dass Fördermittel des Bundesinnenministeriums, die "zweckgebunden" vergeben worden waren, für nicht dem Zweck entsprechende Dinge ausgegeben wurden. Rückforderungen waren die Folge. Das Missmanagement und die allzu große Sorglosigkeit der vergangenen Jahre will der neue Präsident jetzt ausbügeln - mit Hilfe von Spenden.
Und mit Hilfe der Vereine, deren Jahresbeitrag von 100 auf 200 Euro angehoben wurde. Franz Zimmermann, der im nächsten Jahr seit 50 Jahren Geschäftsführer des Kölner Traditionsklubs SC Colonia sein wird, ist nicht überrascht von dem Schuldenberg, den die Verbandsführung jetzt öffentlich macht. "Da sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden", sagt er. In Köln hat Zimmermann seinen Klub gerade nach 27 Jahren Abstinenz zurück in den Ligabetrieb geführt. Und er ist optimistisch, dass der neue Vorstand nun auch den Verband wieder auf Kurs bringt. "Ich glaube, da wird jetzt richtig reingekotzt, um die Altlasten abzubauen."
"Die Athleten müssen nicht unter der Krise leiden", betont Jürgen Kyas. Ein neunköpfiges Team wird nach Mailand geschickt und der Präsident glaubt fest daran, "dass wir nicht noch einmal ein solches Desaster erleben wie in Peking". Bei den Spielen hatte kein deutscher Athlet die erste Runde überstanden. Einen solchen kollektiven K. o. gab es 80 Jahre lang nicht.
Das Profiboxen sei schuld daran, wird gern behauptet, weil es junge Boxer mit der Hoffnung auf das große Geld anlocke, bevor sie richtig ausgebildet sind. Dem widerspricht Ulli Wegner, Profitrainer vom Berliner Sauerlandstall. "Mit den deutschen Amateuren können wir doch im Moment gar nichts anfangen", sagt er. Wegner hat sein Handwerk in der ehemaligen DDR gelernt und arbeitete 35 Jahre lang als Amateurtrainer, bevor er zu den Profis wechselte.
Heute müsse er diejenigen, die zu den Profis kommen, erst noch ausbilden. "Da steckt richtig Arbeit drin", sagt Wegner. Arbeit, die eigentlich im Amateurlager hätte gemacht werden müssen, dem seiner Ansicht nach aber nicht nur Geld, sondern auch fähige Trainer fehlten. Vielleicht sei die neue Verbandsführung des DBV ja tatsächlich auf einem guten Weg. Aber zunächst ist Wegner noch skeptisch: "Das muss sich jetzt erst mal beweisen."
"Die Athleten müssen nicht unter der Krise leiden"
Boxverbandschef Jürgen Kyas
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!