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Kolumne über königliche BauobjekteBoring Buckingham

Kolumne
von Julia Grosse

Obwohl der Buckingham Palace eines der langweiligsten royalen Schlösser ist, lehnt sich Prince Charles weit aus dem Fenster, wenn er andere Bauobjekte als "Eiterbeutel" bezeichnet.

U nter allen Palästen ist Londons Buckingham Palace wohl der unspektakulärste. Mit seiner plumpen Massigkeit, der matten Kalksteinfassade und umringt von schwarz-goldenen, abweisenden Gittern, durch die in diesen Sommertagen wieder tausende Franzosen, Hessen, Japaner oder Saudis mit ihren Digitalkameras starren wie Zoobesucher auf ein zahnloses, altes Biest.

Sie werden enttäuscht sein. Buckingham Palace, das klingt nach Macht, man erwartet einen architektonischen Prachtkoloss. Wäre er erschlagend schön, ein atemberaubender Juwel seiner Zeit, hätte die regierende Monarchie allen Grund zu fordern, dass in der Stadt alles bis in alle Ewigkeit in exakt dieser Pracht gebaut werden solle. Doch der Londoner Palast ist nicht atemberaubend.

Wie kommt es also, dass sich eines der königlichen Familienmitglieder, das sogar in diesem Ungetüm geboren wurde, bei Fragen nach guter Architektur derart weit aus dem schmucklosen Palastfenster lehnt? Die Rede ist natürlich von Prinz Charles, der die Briten bei Debatten um modernes Bauen seit Jahren ungefragt mit grandiosen Vergleichen aus der Welt der Hautkrankheiten beschenkt. Londons Hochhausboom sei eine "Plage rasch wachsender Eiterbeutel", es entstehe eine "pockennarbige Skyline", welche die "historische Basis" der Stadt vergrabe.

In den Achtzigerjahren konnte der wütende Prinz existierende Bauprojekte mit seinem verklärten Fordern nach der Rückkehr romantischer Landhäuser teilweise sogar noch auf Eis legen. Unter Ken Livingstone, dem Labour-Bürgermeister, ging Charles Schimpfen dagegen zeitweise eher im Getöse der unzähligen Betonmischer unter. Und nun, unter Livingstones Nachfolger, dem wirr blickenden und handelnden Boris Johnson, brachte der Prinz ja kürzlich sogar ein Projekt des großen Lord Richard Rogers, Erbauer des Lloyds Building und des Pariser Centre Pompidou, im letztem Moment zu Fall.

Er schrieb der königlichen Familie von Katar, Besitzerin des Chelsea-Barracks-Geländes, einen leidenschaftlichen Beschwerdebrief, allerdings ganz ausgesucht höflich von Royal zu Royals, worauf die Planung der Hightech-Wohnanlage Mitte Juni plötzlich offiziell gestoppt wurde. Wahrscheinlich hätten die hypermodernen Glasgebilde die gemütlichen Backsteinhäuser im schicken Chelsea tatsächlich etwas popelig aussehen lassen.

Und nun versetzte der munter dünkelnde Prinz dem abgewiesenen Star Rogers noch einen weiteren Machthieb, indem ganze fünf der zehn aktuellen Bewerber um das Kasernenprojekt seine konservativ bauenden Lieblingsbüros sind. Rogers wird gewohnt diabolisch grinsend in Position gehen. Hightech gegen historisch, Moderne gegen Monarchie. Ein Lord gegen seinen zukünftigen König.

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1 Kommentar

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  • A
    anke

    Tja, so sind sie nun einmal, die Großen dieser Welt: Der eine pflegt den Dünkel, die Tradition Britanniens zu verkörpern, der andere dünkt sich hypermodern, wenn er höher als alle anderen und gläserner bzw. stählerner als jeder sonst baut. Mir scheint, Lord Richard George Rogers, Baron Rogers of Riverside und Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor, Prince of Wales sind einander ebenbürtig in ihrer Arroganz. Was aber die Geburt eines Menschen in einem Gebäude, das atemberaubend tatsächlich nicht genannt werden kann, mit seiner Fähigkeit zu tun haben soll, architektur zu beurteilen, müsste mir Julia Große erst noch erklären. Ich fürchte, sie arbeitet daran, Lord Richard und Prince Charles demnächst in den Schatten zu stellen. In den Schatten ihrer eigenen Vorurteilskraft.