piwik no script img

Thilo Sarrazin und die Golfclub-AffäreJustiz will Sarrazin einlochen

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Berlins Exfinanzsenator: Er soll das Grundstück für einen Nobelgolfclub am Wannsee viel zu günstig vermietet haben.

Exfinanzsenator in der Patsche Bild: ap

Gegen den SPD-Politiker Thilo Sarrazin wird wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Das bestätigte am Freitag ein Sprecher der Staatsanwaltschaft: "Es sind zwei private Strafanzeigen eingegangen. Wir überprüfen den Anfangsverdacht im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens auf Stichhaltigkeit." Es werde geprüft, ob der 99 Jahre lang laufende Mietvertrag mit dem noblen Golfclub Wannsee angemessen sei. Der Vorwurf ist dabei nicht, dass sich der Exfinanzsenator persönlich bereichert hätte. Er soll aber das Land Berlin um mögliche Einnahmen in Millionenhöhe gebracht haben. Untreue kann mit bis zu fünf Jahren Haft oder einer Geldstrafe bestraft werden.

Im Jahr 2008 hatte der Golfclub mit dem Land Berlin einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen. Die Höhe der Jahresmiete liegt in der Regel bei 6,5 Prozent des Grundstückswerts. Für das rund 57 Hektar große Grundstück im Südwesten der Stadt wurde zunächst ein bemerkenswert niedriger Wert von weniger als 6 Euro pro Quadratmeter festgelegt. Und dann wurde die Miete auf jährlich 3 Prozent des Werts gesenkt. Grund: Der Verein sei gemeinnützig. Dabei war bereits im Jahr 2008 absehbar, dass der Golflub im Jahr 2010 seine Gemeinnützigkeit verlieren würde. Für diesen Fall wurde jedoch keine Mietnachzahlung vereinbart. Im Ergebnis zahlte der Club einmalig gut 3 Millionen Euro - für die gesamten 99 Jahre.

Der CDU-Haushaltspolitiker Florian Graf sagte am Freitag: "Der Verdacht der Verquickung öffentlicher und privater Interessen muss dringend aufgeklärt werden." Der Golfclub Wannsee gilt als feinste und teuerste Adresse für Berliner Golfspieler. Die Neujahrsansprachen hielten zuletzt der golfende Bundespräsident Horst Köhler, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Guido Westerwelle. Sarrazin spielte bei einem Wohltätigkeitsturnier im Juni mit. Besondere Beziehungen zu dem Club habe er jedoch nicht, so Sarrazin.

Der Grünen-Finanzpolitiker Jochen Esser warf Sarrazin vor, er habe das Grundstück "eigenmächtig zu einem Schleuderpreis verpachtet". Tatsächlich wäre der doppelte bis dreifache Preis angemessen gewesen.

Sarrazin war im Mai vom Berliner Senat in den Vorstand der Bundesbank gewechselt. Dort ist er unter anderem für Risiko-Controlling zuständig. Ein Sprecher der Bank wollte sich zu dem Ermittlungsverfahren gegen Sarrazin nicht äußern.

Ursprünglich wollte Sarrazin das Grundstück an den Golfclub nicht vermieten, sondern verkaufen - im Gespräch war ein Preis von 3,6 Millionen Euro. Dagegen gab es allerdings erhebliche Widerstände im Abgeordnetenhaus, viele Abgeordnete fanden den Preis viel zu niedrig. In dem Sommerferien 2008 wurde dann der langfristige Mietvertrag vereinbart. Und zwar "hinter dem Rücken des Parlaments", wirft ihm der Grünen-Abgeordnete Esser vor. Das laufe "faktisch auf die ursprüngliche Verkaufsabsprache zwischen Senat und Golfclub hinaus".

Die Grünen hoffen nun, dass die Staatsanwaltschaft den Vorgang aufklären kann. "Vielleicht wird dabei auch die Rolle deutlicher, die der Regierende Bürgermeister bei der skandalösen Grundstücksvergabe an den Golfclub gespielt hat", so Esser. Im Internet zeigt der Club ein Foto von Wowereit und Clubpräsident Roland Specker, der sich "sehr herzlich" für Wowereits "Engagement bei der langfristigen Sicherung des Pachtgrundstücks" bedankt. Wowereit golft bereits seit Jahrzehnten. Die CDU hat beantragt, dass sich der Vermögensausschuss des Abgeordnetenhauses am 9. September mit dem Vorgang befasst. Sarrazins Nachfolger Ulrich Nußbaum (parteilos) kündigte schon vor Wochen an, den Vertrag zu überprüfen - sein Bericht liegt allerdings bisher noch nicht vor.

JOCHEN ESSER, GRÜNE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • LP
    Lorenz Peters

    So wie es in diesem Land aussieht - verkommen bis zum geht nicht mehr. Die letzten Tage, Ulla Schmidt,

    Merkel und Ackermann, v.d.Layen vom Bimbes Kanzler

    bis Strauss - ein übles System.

  • DG
    Dirk Gober

    Ein Hinweis mehr, wer die wirklichen Sozialschmarotzer sind: Leute wie der Salonkommunist und In-den-Hintern-kriech-Neoliberale Sarrazin.

    Für solchen Abschaum kann es nur das Mittel geben, alle Pensionsansprüche abzuerkennen, aus dem Dienst zu entlassen und dann mal schauen, wie ein dann hoffentlich schon vorbestrafter älterer Totalschmarotzer fürstlich von Hartz-IV lebt. Irgend jemand wird ihm schon einen Wollpullover stricken, denn laut Sarrazin brauchen Arme bekanntlich nicht zwingend eine Heizung.

  • A
    arbor

    Gemeinnützigkeit und Golfplatz:

    Wie passt das zusammen?

  • S
    Schulz

    Monatsmiete von weniger als 3000,00 Euro (weniger als dreitausend Euro)

    auf 99 Jahre.

    Ist das ueberhaupt moeglich?

    Ein Fanclub fuer Superreiche kann doch garnicht

    gemeinnuetzig sein.

    Schliesslich ist es kein kostenloses Essen fuer Arme.

     

    Wer bedient sich selbst aus den Regierungskreisen?

    Ein Monatsverdienst eines Mitglieds?

    Dann sind die Nebeneinnahmen vergessen,

    das Grundfinanzkapital oder das Fundament

    fuer jede Regierungstaetigkeit.

  • D
    Dieter

    Es wäre ja ein Wunder, wenn die deutsche Justiz Herrn S. "einlochen" würde. Solche Herrschaften werden in D trotz ihrer Verfehlungen mit Samthandschuhen angepackt.

  • P
    Peter

    Der saubere Herr Sarrazin ist bekannt für seine Hetze gegen die faulen, verwöhnten Hartzvier-Schmarotzer.

     

    Beruhigend, daß der aufrechte Sozialdemokrat immerhin ein Herz hat für

    die armen,notleidenden Golfspieler.

     

    Das wirft doch ein gutes Licht auf ihn!

  • A
    ast61

    na, das wird seinen zukünftigen Arbeitgeber ja freuen :-D

  • MM
    Max Maier

    Interessant wie manche bei den Armen und Reichen unterschiedlich sparen.