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Korruption bei Ärzten und KrankenkassenBehandlung nur gegen Bares

Immer häufiger verlangen Praxisärzte Gegenleistungen für Klinikeinweisungen. Krankenhäuser und Ärzte beschuldigen sich gegenseitig. Kritiker halten beide Seiten für verantwortlich.

Der Patient ist fest in den Händen der Ärzte und Krankenkassen. Bild: dpa

Ärzte- und Klinikvertreter werfen einander vor, schuld zu sein an einer Zunahme von Bestechungsfällen zu Lasten ihrer Patienten. Immer mehr Mediziner sollen Medienberichten zufolge von Krankenhäusern Gegenleistungen fordern, damit sie ihnen Patienten überweisen. Nun werden Rufe laut, die Namen bestechlicher Ärzte zu veröffentlichen und diese Mediziner strafrechtlich zu verfolgen.

Anlass für die jüngsten Auseinandersetzungen sind Äußerungen des Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Rudolf Kösters. Immer öfter setzten Ärzte, manchmal sogar organisiert, Krankenhausleitungen unter Druck. Dabei handelten die Mediziner nach dem Motto "Geld oder Patient", sagte Kösters. Die Geldforderung werde oft mit Scheinleistungen kaschiert. Die Ärzte formulierten die Drohung gegenüber den Kliniken laut DKG-Präsident so: "Übertragt uns die Vordiagnostik zu üppigen Sätzen, oder ihr bekommt von uns keine Patienten mehr." Diese Erpressung nehme zu. "Das sind nicht mehr nur Einzelfälle wie vor zwei oder drei Jahren", urteilte Kösters.

Die Interessenvertretung der niedergelassenen Ärzte hält das Problem hingegen für nicht gravierend. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, urteilte: Zwar gebe es Einzelfälle, in denen Ärzte illegal Geld nehmen. Dennoch seien die Angriffe übertrieben. Er halte sie eher für Nachwehen des Sommerlochs. Allerdings räumte auch Köhler ein, dass es Bestechung in Form von "Motivationsprämie, Fangprämie, Kopfpauschale" gebe. "Da kennen wir Krankenhäuser, die das machen. Das ist Zuweisung gegen Entgelt, und das ist berufsrechtlich zu ahnden."

Die Bundesärztekammer (BÄK) warf den Kliniken vor, sie hätten die Debatte aus finanziellen Gründen angestoßen. Den Krankenhäusern gehe es nur darum, ihre Honorare an die niedergelassenen Ärzte zu drücken, sagte der Vizepräsident der Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verurteilte die Bestechungspraxis: "Das Berufsrecht der Ärzte verbietet eindeutig, dass Geld oder anderweitige Vorteile für Einweisungen in Krankenhäuser gewährt werden", erklärte Schmidt. "Wenn Bestechungen gezahlt werden und für ,Refinanzierung' dafür nicht erbrachte Leistungen bei den Krankenkassen abgerechnet werden, dann ist das für mich Betrug."

Der Haken ist nur: Nach gängiger Juristenmeinung sind die Ärzte kaum zu belangen. Laut Strafgesetzbuch kann wegen Bestechlichkeit nur belangt werden, wer "Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes" ist. Niedergelassene Ärzte aber sind Freiberufler und sie gelten auch nicht als Beauftragte der Krankenkassen.

Die SPD macht die Union dafür verantwortlich, dass sich daran nichts ändert. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion blockiere "alle Versuche, illegale Machenschaften im Medizinbereich aufzudecken", erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carola Reimann. Einen SPD-Antrag "zur Bekämpfung von Fehlverhalten und Korruption im Gesundheitswesen" habe die Union nicht mitgetragen.

Die Antikorruptions-Organisation Transparency International wirft den Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern Versagen vor. "Wir wissen seit Jahren, dass da viel Missbrauch im Busch ist und die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nachkommen", sagte Transparency-Sprecherin Anke Martiny. Und die Kammern, die Verstöße gegen das Ethos in den Berufsordnungen ahnden müssten, schafften es noch "nicht einmal, die ärztliche Fortbildung frei von Einflüssen der Pharmaindustrie zu halten".

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12 Kommentare

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  • HP
    H. Peters

    Dieses System der Kopfprämien ist in vielen Bereichen der Medizin Alltag. Es gibt in dieser Stadt CT und MRT Diagnosezentren die ihren Stammärzten halblegal diese Kopfgelder überweisen als Vergütung für angeblich erbrachte Beratungsleistungen etc. Ebenso verhält es sich mit größeren Physiotherapieeinrichtungen. Ein Bericht in Panorama in der ersten Hälfte dieses Jahres zeigte einige dieser Machenschaften auf. Passiert ist nichts. Kann mir keiner erzählen, dass die Politiker, Ärztefunktionäre und Kassenmanager davon nichts wüssten. Korruptes System durch und durch.

  • D
    Domas

    Es ist schon schlimm, wenn vor der Wahl nichts gesagt wird außer Blablabla....

     

    und einen Dank an Axel. Super Axel!!!

  • AD
    Axel Dörken

    Wer solche Themen behandelt, ohne das Gesamte System, das Gesamte Glaubenssystem der Gesellschaft zu hinterfragen, trägt lediglich dazu bei, dass die Gesellschaft sich noch mehr entzweit.

     

    Es sind dringend, nicht nur im Gesundheitssystem, das System selbst in Frage zu stellen und Lösungen, also andere Systeme, vorzuschlagen.

     

    Dafür ist es bedingend, seine eigenen Meinungen in Frage zu stellen und ab sofort auch anders als möglich, bzw. wahr zu erachten.

     

    Denn unsere Gedanken, Meinungen und Handlungen sind es, die unsere Realität erzeugen. Darüber sind sich namhafte Biologen und Psychologen schon seit 20 Jahren bewusst.

     

    "Nicht die Genetik ist entscheidend, sondern die Epigenetik." ist eine der systemisch anderen Aussagen, auf die evtl. mehr gehört werden sollte.

     

    Wie werden Totgesagte wieder gesund?

    Nur, wenn sie sich ein völlig anderes Welt- und Glaubensbild zulegen, als das, mit (dank!) dem sie krank wurden.

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • KK
    Klaus Keller

    überraschung ! :-)

     

    vervollständigung der wahrnehmung

     

    ärzte verdienen damit geld das Menschen krank werden und leiden. wie gemein!

    (hab ich 20 jahre als krankenpfleger auch gemacht).

     

    ein teil der motivation ist vielleicht auch mitleid - hier geht es dann darum das eigene mitleiden abzustellen...

     

    krankenhäuser machen wir politisch gewollt zu gesundheitsfabriken und wundern uns anschließend über die mehrung der geldgier und ihrer auswüchse lol

     

    warum sollte im gesundheitswesen ethischer gehandelt werden als in der automobilindustrie?

     

    ich bin heute wieder böse

     

    klaus keller hanau

  • K
    knt

    Dieses Gesundheitssystem ist ein einziger Skandal. Es ist die Frage ob die Behandlung von Krankheiten wirklich profit orientiert sein muss.

  • S
    Schöttes

    Wer solch schwere Vorwürfe erhebt, soll Ross und Reiter nennen. Nachprüfbar und justiziabel. Dann hat man eine Diskussionsgrundlage.

    In den "Ärzteskandalen" der letzten Jahre ist es bei weitem meist so gewesen, dass erst irrsinnige Vorwürfe mit gigantischen Zahlen in den Raum geworfen wurden und nach Prüfung blieb meist nur heiße Luft.

    Bis jetzt sehe ich nur Populismus und vorsätzliche Rufschädigung eines Berufsstandes.

    Kein Wunder, dass der Ärztemangel immer schlimmer wird. Den Job will bei den Bedingungen ja keiner mehr machen.

    Das ist schade, denn am Ende könnte man auch mal selbst einen brauchen, einen Arzt.

  • HP
    H. Peters

    Dieses System der Kopfprämien ist in vielen Bereichen der Medizin Alltag. Es gibt in dieser Stadt CT und MRT Diagnosezentren die ihren Stammärzten halblegal diese Kopfgelder überweisen als Vergütung für angeblich erbrachte Beratungsleistungen etc. Ebenso verhält es sich mit größeren Physiotherapieeinrichtungen. Ein Bericht in Panorama in der ersten Hälfte dieses Jahres zeigte einige dieser Machenschaften auf. Passiert ist nichts. Kann mir keiner erzählen, dass die Politiker, Ärztefunktionäre und Kassenmanager davon nichts wüssten. Korruptes System durch und durch.

  • D
    Domas

    Es ist schon schlimm, wenn vor der Wahl nichts gesagt wird außer Blablabla....

     

    und einen Dank an Axel. Super Axel!!!

  • AD
    Axel Dörken

    Wer solche Themen behandelt, ohne das Gesamte System, das Gesamte Glaubenssystem der Gesellschaft zu hinterfragen, trägt lediglich dazu bei, dass die Gesellschaft sich noch mehr entzweit.

     

    Es sind dringend, nicht nur im Gesundheitssystem, das System selbst in Frage zu stellen und Lösungen, also andere Systeme, vorzuschlagen.

     

    Dafür ist es bedingend, seine eigenen Meinungen in Frage zu stellen und ab sofort auch anders als möglich, bzw. wahr zu erachten.

     

    Denn unsere Gedanken, Meinungen und Handlungen sind es, die unsere Realität erzeugen. Darüber sind sich namhafte Biologen und Psychologen schon seit 20 Jahren bewusst.

     

    "Nicht die Genetik ist entscheidend, sondern die Epigenetik." ist eine der systemisch anderen Aussagen, auf die evtl. mehr gehört werden sollte.

     

    Wie werden Totgesagte wieder gesund?

    Nur, wenn sie sich ein völlig anderes Welt- und Glaubensbild zulegen, als das, mit (dank!) dem sie krank wurden.

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • KK
    Klaus Keller

    überraschung ! :-)

     

    vervollständigung der wahrnehmung

     

    ärzte verdienen damit geld das Menschen krank werden und leiden. wie gemein!

    (hab ich 20 jahre als krankenpfleger auch gemacht).

     

    ein teil der motivation ist vielleicht auch mitleid - hier geht es dann darum das eigene mitleiden abzustellen...

     

    krankenhäuser machen wir politisch gewollt zu gesundheitsfabriken und wundern uns anschließend über die mehrung der geldgier und ihrer auswüchse lol

     

    warum sollte im gesundheitswesen ethischer gehandelt werden als in der automobilindustrie?

     

    ich bin heute wieder böse

     

    klaus keller hanau

  • K
    knt

    Dieses Gesundheitssystem ist ein einziger Skandal. Es ist die Frage ob die Behandlung von Krankheiten wirklich profit orientiert sein muss.

  • S
    Schöttes

    Wer solch schwere Vorwürfe erhebt, soll Ross und Reiter nennen. Nachprüfbar und justiziabel. Dann hat man eine Diskussionsgrundlage.

    In den "Ärzteskandalen" der letzten Jahre ist es bei weitem meist so gewesen, dass erst irrsinnige Vorwürfe mit gigantischen Zahlen in den Raum geworfen wurden und nach Prüfung blieb meist nur heiße Luft.

    Bis jetzt sehe ich nur Populismus und vorsätzliche Rufschädigung eines Berufsstandes.

    Kein Wunder, dass der Ärztemangel immer schlimmer wird. Den Job will bei den Bedingungen ja keiner mehr machen.

    Das ist schade, denn am Ende könnte man auch mal selbst einen brauchen, einen Arzt.