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„Stuhlprobe“ beim Anti-Castor-Protest

Am Wochenende rollt der neunte Castor-Transport in Richtung Gorleben. Mit fantasievollen Aktionen wollen Atomkraftgegner auf den letzten 70 Kilometern sein Vorwärtskommen erschweren. 10.000 Polizisten sollen die Atommüllbehälter vor den Demonstranten schützen

HANNOVER taz ■ Im Wendland, im niedersächsischen Kreis Lüchow-Dannenberg, hat „die fünfte Jahreszeit“, die Zeit der Proteste gegen die weitere Lieferung von hoch radioaktivem Müll nach Gorleben längst begonnen. Gestern und heute waren oder sind in Dannenberg und Lüchow Schüler gegen den mittlerweile neunten Castor-Transport in das Gorlebener Zwischenlager auf der Straße. Am Samstag soll eine Demonstration in Hitzacker (Beginn 13.00 Uhr) dann den Auftakt der heißen Phase des Protests bilden. Die BI Lüchow-Dannenberg rechnet mit 3.000 Demonstranten.

Der Zug mit den zwölf Castor-Behältern soll nach Angaben von BI-Sprecher Francis Althoff am Samstag um 17.20 Uhr nahe der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten. Die deutsch-französische Grenze wird er voraussichtlich am Sonntag um 11.50 Uhr überqueren. Wenn der Transport ungestört durch Frankreich und Deutschland rollt, könnte er damit bereits um Mitternacht in Lüneburg ankommen. Auch wenn man die späte Umladezeit in Dannenberg berücksichtigt, wo die strahlenden Behälter von den Schienenfahrzeugen auf Straßentieflader umgesetzt werden müssen, wäre damit theoretisch bereits ein Weitertransport nach Dannenberg am Montag möglich. Wahrscheinlich bliebt allerdings, dass die Castor-Behälter wie in den vergangenen Jahren erst Dienstagmorgen im Zwischenlager im Wald bei Gorleben eintreffen.

Einen regelrechten Fahrplan hat allerdings nicht nur der Transport, sondern auch der Widerstand der Atomkraftgegner. Am Sonntag starten etwa reitende Castor-Gegner auf dem wendländischen Gut Tollendorf eine nicht ganz ernst gemeinte „Bullenjagd zu Pferde“. Natürlich gibt es zeitgleich auch wieder eine „Fahrradtour gegen den atomaren Wahn“. Einigermaßen früh sind am Sonntag (11.00 Uhr) auch wieder die älteren wendländischen AKW-Gegner, die sich selbst die „Grauen Zellen“ nennen, auf den Beinen. Länd-lich-derb nennen sie ihre Aktion an der Dannenberger Castor-Umladestation „Stuhlprobe“. Mit mitgebrachten Stühlen die Straße zu blockieren, sei einfach bequemer und biete anders als die übliche Sitzblockade auch die Möglichkeit, nicht allzu sehr zu den Ordnungskräften aufblicken zu müssen, sagt BI-Sprecher Althoff. Natürlich sind am Sonntag auch wieder die Bauern unterwegs. Die atomkraftfeindliche „Bäuerliche Notgemeinschaft“ hat für Sonntagmittag zu einer Treckerkundgebung in Klein Gusborn an der Straße zwischen Dannenberg und Gorleben aufgerufen.

Wenn sich am Montag der Castor-Transport nähert, plant die Aktion „X-tausendmal quer“ nahe Hitzacker Sitzblockaden auf den Schienen. Wenn der Straßentransport ansteht, ist in Gorleben selbst eine große Sitzblockade geplant. Polizei und Bundesgrenzschutz wollen allein die letzten 70 Kilometer der Transportstrecke mit 10.000 Beamten sichern. Die Polizei hat 28 Anti-Castor-Demos gezählt und will zwei davon wieder mal nicht genehmigen, weil sie das erneut beiderseits der 70-Kilomter-Strecke verhängte Demonstrationsverbot tangieren könnten. JÜRGEN VOGES

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