Schmiergelder im MDR: System Nimmersatt
Am Donnerstag beginnt vor dem Leipziger Landgericht der Prozess gegen den früheren MDR-Sportchef Wilfried Mohren. Er soll 350.000 Euro an Schmiergeldern kassiert haben.
In der ARD kommen sie aus dem Seufzen nicht mehr heraus. Da hat sich gerade die Empörung über die unter Pseudonym verfassten Drehbücher der ehemaligen NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze halbwegs gelegt - und schon rutscht der nächste Fall von dreister Vorteilsnahme im Senderverbund auf die Agenda: Von Donnerstag an muss sich der frühere MDR-Sportchef Wilfried Mohren vor dem Leipziger Landgericht verantworten. Die Anklage: Bestechlichkeit in neunzehn, Betrug in neun sowie Vorteilsnahme und Steuerhinterziehung in jeweils drei Fällen.
Insgesamt geht es um 350.000 Euro, die Mohren eingesackt haben soll, indem er vor allem Belangloses gegen Geld in die Teile des MDR-Programms hob, für die er als Leiter der Sportredaktion zuständig war - bis er nach Bekanntwerden seiner Aktionen 2005 erst suspendiert und dann entlassen wurde.
Die Staatsanwaltschaft geht von folgenden Taten aus: Die in Eschborn ansässige Unternehmensgruppe Techem soll Mohren über acht Jahre etwa 81.000 Euro Schmiergeld gezahlt haben, damit er beispielsweise das Hallenfußballturnier "Techem-Cup" ins Fernsehen bringt. Und die Brauerei Hasseröder ließ es sich laut Anklage 64.000 Euro kosten, dass auch ihr Name werbewirksam in MDR-Sendungen auftauchte.
Die Deutsche Sporthilfe soll wiederum 45.000 Euro für eine Tätigkeit Mohrens als "Medienbotschafter" gezahlt haben. Das Problem: Mohren hätte sich diesen Job vom Sender genehmigen lassen müssen. Die Ermittler gehen deshalb davon aus, dass dieses Honorar der Bestechung diente. Chef der Stiftung war damals mit Hans-Ludwig Grüschow der Aufsichtsrats- und ehemalige Vorstandschef der Techem-Gruppe. Grüschow muss sich von heute an ebenfalls auf der Anklagebank verantworten.
Ein ähnlicher Fall mit erschreckenden Parallelen spielte sich zeitgleich in Frankfurt ab und beschäftigt bis heute die Gerichte: Der frühere HR-Sportchef Jürgen Emig hat ebenfalls seine Position ausgenutzt, um gegen Extrahonorare Werbekunden ins Programm zu hieven. Zusammen mit einem Bekannten zog er dafür sogar eine Strohfirma auf, die mit Gelegenheitsbetrug längst nichts mehr am Hut hatte, sondern am Ende ein ausgefeiltes System war.
Der 64-jährige Emig soll für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Ende Oktober wird aber erst einmal der Bundesgerichtshof in Karlsruhe darüber befinden, ob die Frankfurter Richter angemessen entschieden haben.
Interessant sind die Schnittpunkte beider Affären. Denn die Ermittlungen gegen Mohren wurden zunächst eingestellt, weil der alles bestritt und der Leipziger Staatsanwaltschaft zunächst belastendes Material fehlte. Doch als ihre Frankfurter Kollegen Emig nachstiegen, stießen sie auch auf Kontoauszüge, die Zahlungen Emigs an Mohrens Ehefrau belegten. Sie alarmierten prompt die sächsischen Ermittler, die die Akten "Mohren" wieder aufschlugen.
Der große Unterschied beider Prozesse ist die Einstufung der leitenden Journalisten. Während die Richter in Frankfurt davon ausgingen, dass Emig ein Amtsträger sei und damit das Strafmaß entsprechend erhöhten, sehen sie das in Leipzig ganz anders. Dafür gebe es zumindest derzeit "keinen hinreichenden Tatverdacht", heißt es im Eröffnungsbeschluss.
Spannend dürfte der Prozess dennoch werden, für den das Gericht bis zur erwarteten Urteilsverkündung im Januar 14 Verhandlungstage angesetzt hat. Die Richter werden in der öffentlichen Verhandlung nämlich den MDR sezieren wollen, um Einblick in die Strukturen des Senders nehmen zu können. Dafür wird auch der eine oder andere amtierende ARD-Funktionär aussagen müssen. Letztlich geht es vor allem um die Frage, ob der Sender das Gebaren im eigenen Haus wirklich über Jahre nicht bemerkte - oder ob er die Fehltritte gar nicht erst sehen wollte.
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