Basketball-Bundesliga: Unerwünscht im eigenen Land
Bundestrainer Dirk Bauermann will mehr Deutsche in der Bundesliga sehen, doch deren Geschäftsführer sieht eher die schlechte Nachwuchsförderung als das Problem.
FRANKFURT taz | Dirk Bauermann versuchte, artig zuzuhören, doch nach den Ausführungen Jan Pommers riss dem Basketballbundestrainer der Geduldsfaden: "Das tut mir körperlich weh, wenn ich das höre", sagte Bauermann, nachdem Pommer seine Thesen zur Nachwuchsförderung in der Basketball-Bundesliga (BBL) wie kleine giftige Pfeile auf sein Gegenüber geschleudert hatte. Pommer ist Geschäftsführer der Liga, der BBL GmbH. Er war am Mittwoch in Frankfurt am Main zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "EM - und jetzt?" geladen, darüber hinaus waren Vertreter der zweiten Liga und Moderator Frank Buschmann gekommen.
Nach der Europameisterschaft in Polen, bei der das junge deutsche Team zwar fünf von sechs Spielen verloren, aber dennoch viele Sympathien gewonnen hatte, sollte es nun darum gehen, wie talentierte Nationalspieler wie Robin Benzing, Elias Harris, Lucca Staiger oder Tibor Pleiß zu fördern sind, speziell in der hiesigen ersten Liga. In der Vorsaison spielte Benzing zweitklassig, Harris sogar nur drittklassig. Von diesem Quartett werden künftig nur Benzing und Pleiß in der BBL auftauchen. Staiger und Harris spielen mehr oder weniger notgedrungen in US-College-Teams.
Nationalspieler Jan Jagla hatte unlängst geklagt, "wir Deutsche sind in Deutschland nicht erwünscht. Die Klubs holen lieber billige Amerikaner, die nur für ihr eigenes Punktekonto spielen und nach einem Jahr wieder verschwinden". Auch Bauermann sieht die Usancen der Liga kritisch. In Frankfurt sagte er: "Die BBL nimmt ihre Verantwortung für den deutschen Basketball nicht wahr, sie deckelt Entwicklungen junger Spieler." Die Talente bräuchten Einsatzzeit in der höchsten Spielklasse, gerade in umkämpften Spielen und in der Schlussphase, um zu wachsen und sich zu verbessern. Die Anreize fehlten, und das sei "katastrophal". Abhilfe könne man nur mit einer strengen Quotenregelung schaffen, glaubt Bauermann.
In dieser Saison müssen vier Spieler mit deutschem Pass auf der Bank sitzen. Ob sie eingesetzt werden, entscheidet aber allein der Trainer. "Die wichtigste Stellschraube ist die Quotierung in der ersten Liga", sagte Bauermann und forderte eine so genannte 4+1-Regelung, wonach immer ein deutscher Spieler auf dem Parkett stehen muss. Am Samstag entscheidet die BBL über diesen Vorschlag. Er dürfte kaum eine Chance haben, denn Pommer sagte: "Die Quote ist nicht Kern des Problems, das ist nur Nebelkerzenwerferei."
Das Problem sei die schlechte Nachwuchsförderung in Deutschland: Talente würden zu spät erkannt und dann von eher mäßigen Trainern ausgebildet. Pommer ließ durchblicken, dass die wenigen guten deutschen Spieler auch zu teuer seien, ja, dass sie mitunter utopische Gehälter forderten und dass die EM-Spieler, etwa Aufbauspieler Heiko Schaffartzig in Polen "Karrierehöhepunkte" erlebt hätten, die "nicht permanent wiederherstellbar" seien, sprich: Bauermanns Truppe hätte über ihre Verhältnisse gespielt.
Bundestrainer Bauermann wurde zunehmend unruhiger, und als Pommer in seiner präpotenten Art Moderator Buschmann mit "Schatzi" ansprach, da entfuhr dem Bundestrainer ein gequälter Stoßseufzer - "mein Gott", murmelte er. Pommer war aber noch nicht fertig. "Mir hat man gesagt", führte er aus, "dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen Spielzeit und Leistungsentwicklung."
Die Vorwürfe von Jagla, die sich auch gegen die Manager der BBL gerichtet hatten, bezeichnete Pommer als "Lümmelei", später als "Unverschämtheit". Jagla sei neben seinem Nationalmannschaftskollegen Sven Schultze einer von denen gewesen, die zu viel Geld verlangt hätten. Deswegen sei es "grober Unfug, die deutschen Vereine wären nicht bereit, deutsche Spieler zu verpflichten". Außerdem sei die BBL bereit, Gutes zu tun: Der Anteil "deutscher Spielzeit" soll von derzeit 17 auf 30 Prozent steigen, allerdings erst im Jahr 2012 oder 2013.
8 Prozent des Budgets müssten die Vereine in die Nachwuchsförderung stecken, auch müsse künftig ein hauptamtliche Nachwuchstrainer von den Klubs beschäftigt werden. Die 4+1-Regel moderierte er freilich mit dem Hinweis ab, dass es sich um eine "wahnsinnige administrative Einschränkung des Coaches" handeln würde, der Eingriff ins Spiel wäre "massiv". Doch in der zweiten Spielklasse, die sich in die Ligen ProA und ProB unterteilt, kommen die Trainer mit einer vergleichbaren Lösung ganz gut zurecht.
In der kommenden Spielzeit müssen in der ProA zwei, in der ProB sogar drei Deutsche auf dem Feld stehen. Nicht zuletzt wegen dieser Maßnahmen nennt sich die zweite Spielklasse "die junge Liga"; Bauermann hat diese strenge Quotierung forciert. In ihr sieht er den allein gangbaren Weg, um international konkurrenzfähig zu bleiben.
"Es wäre in keinem anderen Land mit Basketballtradition möglich, dass so ein geringes Interesse an Talenten herrscht", schimpfte Dirk Bauermann. Jan Pommer konnte ihm an diesem Nachmittag keine Hoffnung machen, dass sich das alsbald ändern könnte.
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