Grünen-Vordenker Fücks über Bündnisse: "Es gibt mehr Optionen"

Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, wäre nicht traurig über "Jamaika" an der Saar. Hauptsache, die Grünen kommen bis 2013 aus dem Lagerdenken heraus.

Ralf Fücks beim Grünen-Parteitag im Mai 2009 in Berlin. Bild: tobi_s

taz: Herr Fücks, würde es sich für die Grünen insgesamt lohnen, wenn die Saar-Grünen sich für "Jamaika" entschieden?

Ralf Fücks: Das kommt darauf an, was daraus wird. Schwarz-Gelb-Grün ist eine komplizierte Konstellation, in der die Grünen auch untergehen und ihre Wählerschaft gründlich vor den Kopf stoßen können. Ich wäre aber nicht empört, wenn die Saar-Grünen demonstrieren würden, dass es für uns noch andere Optionen gibt als das breite linke Bündnis. Keine Angst vor Experimenten!

Rot-Rot-Grün wäre auch eines.

Genau, deshalb sehe ich das ganz gelassen. Am Ende geht es eh um eine landespolitische Entscheidung.

Wäre es nicht unpassend, wenn die Saar-Grünen auf dem Parteitag einreiten und für "Jamaika" gelobt werden wollen - während sich alle anderen auf Schwarz-Gelb einschießen?

Koalitionen mit Union oder FDP auf Landesebene bedeuten doch keinen Kuschelkurs mit Schwarz-Gelb im Bund! Es gibt kein bundesweit gültiges Modell. Wir müssen uns alle Optionen offenhalten, Brücken in andere Milieus schlagen und gleichzeitig Schwarz-Gelb in Berlin maximal unter Druck setzen. Koalitionspolitisch muss das Ziel sein, dass 2013 keine Regierung ohne die Grünen gebildet werden kann. Wir können noch wachsen - aber nicht, wenn wir uns zwischen die SPD und ihren Quälgeist Linkspartei quetschen.

Das heißt, 2013 werden die Grünen auch im Bund "Jamaika" nicht mehr ausschließen?

Die ganze Ausschließeritis ist anachronistisch. Unser Wahlergebnis jetzt mit 10,7 Prozent war gut. Es hätte noch besser sein können, wenn wir eine reelle Regierungsoption gehabt hätten. Unser Potenzial ist größer. Wir saßen am Ende des Wahlkampfs in der Falle, weil die Ampel-Option irreal geworden war. Das sollte uns nicht noch einmal passieren.

Bleibt das bekannte Dilemma: Wie wollen Sie Ihre rot-grün gesonnene Kernwählerschaft halten und gleichzeitig Offenheit für ein Bündnis mit den Schwarzen und Gelben beweisen?

Unsere Wählerschaft gesteht den Grünen viel politische Beweglichkeit zu - sie erwartet sie sogar. Das zeigen auch die Ergebnisse in Hamburg oder Schleswig-Holstein. Die Aufspaltung in ein "rechtes" und "linkes" Lager ist gesellschaftlich längst überholt. Wir können über die traditionellen grünen Milieus hinaus die neuen Selbständigen ansprechen, die Kultur- und Medienszene, die Immigranten der zweiten und dritten Generation, all diejenigen, die für gesellschaftliche Modernisierung stehen.

Womit wollen Sie die - abgesehen von der Regierungsoption - locken?

Was eigentlich ansteht, ist, dass wir unseren programmatischen Akku wieder aufladen. Das Konzept des Green New Deal muss ausgebaut werden. Es geht um Chancengerechtigkeit und Bildungsoffensive, ökologische Innovation und Umbau des Steuersystems, neue Mobilitätskonzepte und nachhaltige Finanzpolitik. Wir müssen Alternativentwürfe entwickeln, statt uns bloß an der Regierungskoalition abzuarbeiten.

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