piwik no script img

EntscheidungFreie Bahn für Schwarz-Gelb

Das Landesverfassungsgericht und der Landeswahlausschuss ermöglichen trotz rechtlicher Zweifel eine Regierungsbildung von CDU und FDP in Schleswig-Holstein.

Viele Neue: Der Pförtner des Kieler Landtags klebt Fotos auf, um die Abgeordneten zu erkennen. Bild: dpa

CDU und FDP werden zunächst eine Mehrheit von drei Sitzen haben, wenn der neu gewählte Kieler Landtag am 27. Oktober zusammentritt. Das Landesverfassungsgericht in Schleswig lehnte am Donnerstag eine Eilklage von Grünen und SSW gegen diese Sitzverteilung ab. Am Freitag stellte der Landeswahlausschuss gegen die Stimmen von Grünen und Linken das amtliche Wahlergebnis fest und machte den Weg für eine schwarz-gelbe Regierungsbildung frei.

Grüne und SSW im Kieler Landtag hatten am Donnerstag die angekündigte Normenkontrollklage gegen das Landeswahlgesetz eingereicht. Sie beriefen sich dabei auf die Landesverfassung. Dort heißt es, dass das Wahlgesetz "für den Fall des Entstehens von Überhangmandaten Ausgleichsmandate vorsehen muss". Nach dem derzeitigen Wahlgesetz werden die Überhangmandate aber nur teilweise ausgeglichen. Deshalb wurden nur acht der elf CDU-Überhangmandate durch Ausgleichsmandate für andere Parteien abgedeckt. So erhielten CDU und FDP eine Mehrheit von drei Sitzen, obwohl sie bei der Wahl weniger Zweitstimmen erhielten als SPD, Grüne, SSW und Linke zusammen. Über diesen Normenkontrollantrag wird das Verfassungsgericht erst in einigen Monaten entscheiden. Dem Landtag und der Landesregierung wurden zwei Monate Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt.

Um zu verhindern, dass zwischenzeitlich irreversible Fakten geschaffen werden, beantragten Grüne und SSW eine einstweilige Anordnung des Gerichts. Sie wollten damit verhindern, dass mit der mutmaßlich verfassungswidrigen Sitzverteilung eine Landesregierung gewählt und erste Gesetze beschlossen werden können. Die Klage ging am Donnerstag um 14 Uhr in Schleswig ein. Sofort wurden die sieben Verfassungsrichter aus dem ganzen Land zusammengetrommelt, schon um 16 Uhr begannen die Beratungen und kurz vor 22 Uhr beschloss das Gericht: Der Eilantrag ist unzulässig. Gerichtlicher Rechtsschutz sei im Zusammenhang mit dem Wahlverfahren erst möglich, wenn die parlamentarische Wahlprüfung abgeschlossen ist. Die Entscheidung fiel einstimmig.

Das Ergebnis

Laut amtlichem Endergebnis der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 27. September haben

CDU und FDP gemeinsam 742.160 Stimmen erhalten.

SPD, Grüne, Die Linke und SSW kommen zusammen auf 769.545 Stimmen.

Für die Opposition haben somit 27.385 Wähler mehr gestimmt als für die designierte Regierungskoalition

Jetzt haben die Bürger zwei Wochen Zeit, gegen das Wahlergebnis Einspruch einzulegen. Zunächst werden die Einsprüche durch Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler vorgeprüft. Anschließend findet die eigentliche Prüfung im Landtag statt. Das kann Monate dauern, auch wenn absehbar ist, dass die neue Mehrheit aus CDU und FDP die Proteste gegen die Sitzverteilung ablehnen wird. Doch erst nach Ablauf dieser Prozedur ist das Verfassungsgericht bereit, Zweifel am Wahlgesetz zu prüfen.

Vor diesem Hintergrund tagte am Freitag der Landeswahlausschuss. Söller-Winkler schlug vor, die Sitzverteilung auf Grundlage des umstrittenen Wahlgesetzes vorzunehmen. Danach sollte die CDU gemeinsam mit der FDP eine Mehrheit von 49 Sitzen bekommen gegenüber 46 Sitzen der vier Oppositionsfraktionen. Würden die Überhangmandate voll ausgeglichen, hätte Schwarz-Gelb mit 50 Abgeordneten keine Mehrheit gegenüber den 51 Mandaten von SPD, Grüne, Linke und SSW.

Die von Söller-Winkler vorgeschlagene Sitzverteilung wurde dann aber mit der knappen Mehrheit von drei zu zwei Stimmen angenommen. Dafür stimmten CDU, FDP und Söller-Winkler. Grüne und Linke votierten dagegen, SPD und SSW enthielten sich. Bei einem Patt hätte die Stimme der Landeswahlleiterin den Ausschlag gegeben.

Am Samstag wollen CDU und FDP ihren ausgehandelten Koalitionsvertrag unterzeichnen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!