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VolksbegehrenSchulkampf auf dem Markt

Die Primarschulgegner bieten Sammlern einen Euro pro Unterschrift. Am Sammeltisch in Volksdorf gab es Diskussionen. Protestaktion in der City verlief friedlich.

Sky Dumont-Masken, nur für Eingeweihte zu erkennen: Die Gegner der Schulreform-Gegner. Bild: HENDRIK DOOSE

Das Kinn und der silbergraue Haarschopf von Sky Dumont schimmerten an den Rändern noch durch. Mit weiß überpinselten Masken zogen gestern Nachmittag rund 60 Gegner des Volksbegehrens "Wir wollen lernen" zu dessen Kampagnenbüro an der Lilienstraße. "Soziale Spaltung wollen wir, eure Kinder kriegen Hartz IV", riefen die teils mit Anzügen verkleideten Mitglieder der Jungen GEW. Einige rauchten Zigarren oder trugen Gucci-Brillenimitate, um die Klientel zu karikieren, die sie hinter dem Volksbegehren vermuten.

Wie berichtet war den Organisatoren von Juristen der Kanzlei Graf von Westphalen verboten worden, Sky Dumont auf den Masken zu zeigen. Vor dem Büro führte dann ein junger Mann mit Porschebrille einen Trampeltanz auf Pappschildern mit der Aufschrift "unten" vor. Das Büro war unbesetzt. Den von Kampagnenleiter Frank Nebelung gestern noch versprochenen Kaffee gab es nicht für die Kritiker. "Euch sind wohl die Euros ausgegangen, weil ihr so viel Stimmen kauft", höhnte ein Demonstrant.

Der taz liegt die Job-Anzeige der PR-Agentur NEST one vor, in der "dringend Promoter gesucht" werden, die an der Unterschriftensammlung teilnehmen. Unter "Bezahlung" heißt es dort, es gebe "1 Euro pro Unterschrift", oder alternativ fünf Euro pro Stunde "fix" und 5 weitere Euro ab der 10. Unterschrift.

"Ja, das ist von uns", bestätigt NEST one-Mitarbeiter Marcel Hylla der taz, verweist für Einzelheiten aber auf den Verein des Volksbegehrens. Deren Kampagnenleiter Nebelung hatte am Donnerstag eingeräumt, dass es "ungefähr 20" bezahlte Studenten gebe, über die Bezahlung aber keine Auskunft erteilt.

Auf Welt online beschwerten sich Leser, sie seien bereits am 27. Oktober, also einen Tag vor dem Start, von Unterschriftensammlern belästigt worden, einer sogar an der Haustür. Landeswahlleiter Asmus Rösler hat keine Kenntnis davon. Sollte es einzelne Unterschriften mit verfrühtem Datum geben, wären die ungültig. Für das ganze Volksbegehren hätte dies keine Folgen.

Nicht bezahlte Kräfte, sondern überzeugte Eltern und Großeltern sammelten gestern früh auf dem Wochenmarkt in Volksdorf. "Das läuft gut. Die Leute sind informiert, die haben das ja heute Radio gehört", sagt ein Vater. "Wir wollen lernen" hat Geld für Radiospots. Vor allem ältere Leute unterschreiben. "Es ist ein Verbrechen an der Gesamtheit der Schüler, wenn sie nicht lernen dürfen. Das stand in der Zeitung", sagt eine Frau, Geburtsjahr 1928. Sie erzählt von den "Bombenkindern" die nach dem Krieg in ihre Klasse kamen. "Das hat auch nicht funktioniert."

Doch es gibt auch Widerspruch. "Ich bin für die Reform", sagt ein Großvater und berichtet von seinem Enkel, der vom Gymnasium runter musste und in Volksdorf keine Gesamtschule fand. "Bis nach Barmbek muss der jetzt." Auch eine engagierte Lehrerin mischt sich ein und verwickelt eine Sammlerin in eine Diskussion über die Chancen individueller Förderung. Überzeugt ist die Mutter 40 Minuten später nicht, aber gesammelt hat sie in dieser Zeit auch nicht.

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6 Kommentare

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  • P
    Pompadour

    An "Erfolgreich gegen Blankeneser Elite":

    Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, das von der GAL angestrebte Primarschulsystem sei weniger ausgrenzend und selektiv als das bestehende System? Es sollen Noten in Klasse 6 (erst!) eingeführt werden, die dann allerdings sofort zur Selektion dienen. Die LehrerInnen werden allein entscheiden, wer auf das Gymnasium geht und wer nicht... ohne kritische Korrekturmöglichkeit durch die Eltern, die die volle Verantwortung für ihre Kinder tragen. Unsäglich. Wenn man dann noch zur Kenntnis genommen hat, dass "Kevin", schulisch betrachtet, "kein Name sondern eine Diagnose" sei, und dass LehrerInnen Maximilian eben eher eine Gymnasiallaufbahn zutrauen als Kevin (folglich viele Fehlentscheidungen treffen, weil sie ja eben auch nur Menschen sind) - dann erschließt sich mir in keinster Weise, was an diesem neuen System besser oder weniger selektiv sein soll?!? Bizarr. Gegen die zwei Säulen aus Stadtteilschule und Gymnasium sind die Reformgegner doch gar nicht - aber gegen das ideologische Rausschmeißen von Geld an den falschen Stellen.

    Überdies sind die Reformbefürworter in meinen Augen recht gestrig: Sechs Jahre gemeinsam, das hatten wir doch alles schon! Niedersachsen hat sich erfolgreich davon verabschiedet, Berlin hält daran fest und ist das Bildungsschlusslicht in Deutschland - noch. Bald machen wir Hamburger den Berlinern ja den letzten Platz streitig. Oder ben auch nicht: Wenn viele unterschreiben und erkennen, dass ihnen hier alter, flauer Wein in nicht mal neuen Schläuchen angeboten wird.

    JA zu guter Bildung und guter, früher Förderung, aber NEIN zu undurchdachten politsich motivierten Strukturreformen, die keine Qualitätsverbesserung bringen.

  • P
    Poolshark

    Wer ein unreflektierter Bestandteil unserer Leistungsgesellschaft ist, wird selbige niemals hinterfragen. Schön, dass es junge, engagierte Leute gibt, die grundgute Werte der Menschen (Chancengleichheit, Solidarität, Verantwortung für (lern-)schwächere) in diesen Zeiten wieder in den Mittelpunkt stellen und sich dafür einsetzen. Tolle und wichtige Aktion! Danke!

  • IN
    Ihr Name Renate Hasselmeyer

    Eigentlich fand ich Frau Kutter ja ganz sympatisch, aber ihr Bericht über die Unterschriftensammlung am Volksdorfer Markt ist ja äußerst negativ (uralte Leute/Elite mit Geld)gefärbt. Offenbar war die Gesamtschullehrerin bestellt, um eine engagierte Mutter 1 1/2 Stunden in ein Diskussionsgespräch zu verwickeln und vom Sammeln abzuhalten. Trotzdem war die Aktion am Markt sehr erfolgreich. Hier war man informiert oder wurde es. Eine ganze Reihe Ahrensburger oder "Ausländer" bedauerten, nicht unterschreiben zu dürfen.

    R. Hasselmeyer (die einzige Großmutter am Stand)

  • G
    Garten

    Liebe Frau Kutter,

    ein bisschen mehr Fairness und Objektivität hätte ich Ihnen doch zugetraut. Anstatt nach unserer mehr als einstündigen sachlichen Diskussion mal in die Tiefe zu gehen und anspruchsvoll über die Inhalte zu berichten, bedienen sie nur wieder nur die Klischees. Nach 1 Stunde haben sie immer noch nicht verstanden, dass wir Reformgegner nicht gegen individuellen Unterricht sind. Im übrigen war unsere die einzige lange Diskussion, und es hat nichts ausgemacht, dass sie mich so lange vom Sammeln abgehalten haben, die Bürger kamen selbstständig und begeistert auf uns zu, um endlich unterschreiben zu können, ältere und junge Leute. Schade, dass die Presse leider doch nicht neutral ist und die Vorurteile verstärkt werden anstatt sachlich aufzuklären.

  • AP
    And Pra

    Nur ca. 60 Teilnehmer, ist das die Unterstützung für die Schulreform? Wie erbärmlich:-)

    Ein Grund mehr, hoffnungsvoll zu sein, das unsere Unterschriftensammlung erfolgreich sein wird. Und ein Grund mehr für mich, jetzt endgültig aus der GEW auszutreten, das ist keine Gewerkschaft mehr, sonder ein politischer Arm von Fr. Götsch, dafür zahle ICH keine Beiträge mehr.

  • EG
    Erfolgreich gegen "Blankeneser Elite"

    Die Aktion war ein voller Erfolg. Mit wenig finanziellen Mitte für Plakate oder Flyer und unter dem Druck der Sky du Monts, schafften es die jungen Pädagogen/innen deutlich zu machen, dass sie für das längere gemeinsame Lernen sind. Und dies nicht aus ideologischen Gründen, sondern mit der Perspektive, allen Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen und der Chancengleichheit näher zu kommen. Dieses Ziel steht den rückwärtsgewandten Forderungen der Blankeneser

    Initiative "wir wollen lernen" entgegen. Dieser Initiative geht es schlicht und einfach um die Verteidigung ihrer Privilegien. Dafür nehmen sie die frühe Selektion von Kindern und die Benachteiligung von sog. bildungsfernen Schichten gerne in Kauf. Keine Unterschrift für Ausgrenzung und Selektion!