die wahrheit: Neues aus Neuseeland
Alle Jubeljahre passiert mal was in meiner Region, das auch den Rest der Welt interessiert. Zumindest für eine Minute Live-Schaltung. In der knappen Zeit...
...muss ein Hauch von Südsee, von Hula-Röcken und Stammestänzen ins kalte Europa herüberwehen. Da hilft es ungemein, wenn gute alte Eurozentristen in den Redaktionen geografische Verniedlichungen verwenden.
Weil es wohl zu lange dauern würde, den Zuschauern zu erklären, dass es Staaten mit richtigen Ländernamen im Südpazifik gibt, spricht man bei deutschen Sendern am liebsten nur von "den Samoa-Inseln". Das klingt so schön nach Pippi Langstrumpfs Takatuka. Dass es sich um zwei Staaten - American Samoa und Western Samoa - handelt, verwirrt nur unnötig. Vielleicht sollten Fernsehmoderatoren der Einfachheit halber in Zukunft auch nur noch von "den deutschen Ländern" sprechen, wenn sie Österreich, Schweiz und die Bundesrepublik meinen? Klingt doch viel netter. Und es soll noch Winkel der Erde geben, wo man das ganze Germanenvolk eh nicht so richtig auseinanderhalten kann. Frag mal einen Österreicher. "I come from Austria." - "What, Australia?"
Verziehen sei den Kollegen, die die Korrespondentin aus Christchurch ankündigen und die Stadt wie Christkind aussprechen statt wie "kreist der Geier". Geschenkt. All die Jahre Schulenglisch stören bei einer Fernsehkarriere wahrscheinlich nur, und die korrekte Aussprache von Arkansas und Edinburgh hat auch nicht jeder drauf. Was jedoch schmerzt: Unsere Frau im TV ist stets "auf Neuseeland". Auf, jawohl, nicht in. Genauso wie auf Malle, auf Maloche, auf dem Klo. Neuseeland hat doppelt so viel Grundfläche wie England und besteht aus zwei Inseln. Aber in der deutschen Wahrnehmung ist es ein kleines Eiland, das irgendwie nach Helgoland klingt. Ist schon mal jemand auf Irland, auf Japan oder auf Island gewesen? Na also. Merke: Gegenden mit Staatsgrenzen, auch weit entfernte, verdienen ein "in". Alles andere kränkt.
Wenn wir schon beim Zwiebelfischeln sind, dann sollte die Frage des Artikels vor einem Namen geklärt werden. Von dieser unschönen Sprachverschwurbelung bin auch ich betroffen - mehr, als ich es ahnte. Diese Woche trafen fünf Kisten bei mir an, mitgeschickt in einem Auswanderer-Container, all the way from my Elternhaus. Darin eine satte Ladung Lakritze und Gummibärchen, wie sich das für darbende Exilanten gehört. Und ein Karton mit alten Tagebüchern.
Erschreckend war es, mich durch die Jahre der Pubertät zu lesen. Besonders verstörend, wenn es um "die Drea", "den Pit", "den Goldi" ging. Peinliche Gedanken, peinliche Namen, noch peinlicher der Artikel davor. Heute sind das ganz sicher Andrea, Peter und Herr Goldmann. Lag der inflationäre Gebrauch von "der, die, das" an meiner rheinischen Jugend, später ausgemerzt durch Jahre im Norden? Oder drückt sich da viel Schlimmeres aus: Achtzigerjahre-Betroffenheitsdeutsch, in SozPäd-Kreisen und Teestuben voller Räucherstäbchen kultiviert? Ich bekenne mich zu Letzterem schuldig, in der Ferne auf den Neuseeland-Inseln.
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