Besuch in der Berliner Volksbühne: Saniertes Schiff mit unbekanntem Ziel
Nach der Sanierung ist für Besucher des Theaters die Frischluftzufuhr wieder garantiert. Den ersten Rundgang nutzt der Intendant Frank Castorf, um auch frische Bühnenkonzepte zu versprechen
Zwölf Millionen erfolgreich verbaut: Die Sanierung der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, im April begonnen, ist fast abgeschlossen. Die gewaltige Drehbühne und die Hubpodien wurden erneuert und damit ist die Haustechnik des großartigen Theaterbaus, der 1913/14 nach Plänen von Oskar Kaufmann entstand, wieder auf dem neusten Stand. Die Frischluftzufuhr im Zuschauersaal, äußerst wichtig bei Inszenierungen nicht unter vier Stunden, wurde komplett umgebaut. Das nutzte man gleich als Gelegenheit, die Zuschauerreihen im Parkett etwas zu runden.
Wer nun aber glaubt, sich bei der Wiedereröffnung am 12. November bei einer Castorf-Premiere in einen der frisch aufgepolsterten Sessel fallen lassen zu können, hat die Rechnung ohne Bert Neumann, den Bühnenbildner, gemacht. Er liebt offene und unfertige Räume. Deshalb stehen die Sessel noch aufgereiht im Foyer und die erneuerten Holzpaneele des Parketts sind mit schwarzen Folien verhängt.
Das hat, wie Frank Castorf und sein neuer Chefdramaturg Stefan Rosinski am Donnerstag nach einem Rundgang erläuterten, dramaturgische Gründe. Da geht es zunächst um das Eröffnungsstück, "Ozean", des kaum bekannten Dramatikers Friedrich von Gagern, für das Bühnen- und Zuschauerraum selbst zum Schiff werden, für eine Reise von Europa nach Amerika. Statt Stühlen gibt es Seesäcke. Der unfertige Anblick gilt Intendant und Dramaturg zugleich als Metapher für ihren Wunsch, zu unbekannten Horizonten aufzubrechen. Wie für die Auswanderer, die in "Ozean" die nach der gescheiterten Revolution von 1848 aus Deutschland fliehen, sei auch für die Volksbühne noch ungewiss, wohin die Fahrt geht. Nur dass man sich ändern müsse, sei klar, erklärte Castorf in ungewohnt offener Selbstkritik.
Als neu an Bord gekommenen Navigator stellte er Stefan Rosinski vor, der dem Theater wieder ein inhaltliches Zentrum geben soll. Ob Rosinski das kann, ließ sich allerdings bei seinem letzten Posten, als Generaldirektor der Opernstiftung in Berlin 2007/2008, nicht beobachten. Nun nutzte er den Umbau als Zeichen der Neuerung und skizzierte den Spielplan, der von viel Wasser, Seefahrt und unbekannten Stücken bestimmt wird, als einen abenteuerlichen Aufbruch. KATRIN BETTINA MÜLLER
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