Kommentar Afghanistan: Ende des Polizeieinsatzes

Deutschland ist auch juristisch in der Realität angekommen: Die militärischen Auseinandersetzungen in Afghanistan werden jetzt als "bewaffneter Konflikt" bezeichnet.

Jetzt ist Deutschland auch juristisch in der afghanischen Realität angekommen. Am Hindukusch herrsche ein "bewaffneter Konflikt", stellte Freitag die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft fest. Und der neue Verteidigungsminister Guttenberg stimmte zu. Auch für ihn sind die militärischen Auseinandersetzungen in Afghanistan ein "bewaffneter Konflikt", wie er jetzt erstmals erklärte.

Für die Bundeswehr ist das erst mal vorteilhaft. Wenn sie Taliban-Stellungen angreift, hat sie damit Rechtssicherheit. Das Töten eines militärischen Gegners im bewaffneten Konflikt ist rechtmäßig.

Solange es sich in Afghanistan um eine Art von Polizeieinsatz handelte, durften die Soldaten nur in Notwehr schießen, also wenn sie angegriffen wurden. Doch diese Zeiten sind vorbei. Jetzt darf die Bundeswehr auch angreifen.

Auch für Oberst Klein hat die neue Ehrlichkeit Vorteile. Er hatte das Bombardement auf zwei Tanklaster in Kundus angeordnet und dabei den Tod von Dutzenden Zivilisten verursacht. Zwar kann es sein, dass gegen ihn bald wegen eines Kriegsverbrechens ermittelt wird. Doch auch wenn das dramatisch klingt, ist es für ihn immer noch besser als normale strafrechtliche Ermittlungen wegen Mord, Totschlag oder fahrlässiger Tötung. Denn die Anforderungen an den Vorsatz sind bei solchen Kriegsverbrechen so hoch, dass Klein vermutlich straffrei ausgehen wird - während ihm nach normalen strafrechtlichen Regeln wohl Gefängnis gedroht hätte.

Man wundert sich, dass das Verteidigungsministerium so lange gegen den Begriff "Krieg" gekämpft hat. Man hätte schon vor Monaten zugegeben können, dass es einen bewaffneten Konflikt gibt und dass "Krieg" als Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten einfach der falsche Begriff ist. Aber so viel Cleverness war mit Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung einfach nicht zu machen.

Jetzt kommt es allerdings darauf an, dass das Bombardement von Kundus von der Bundesanwaltschaft ernsthaft untersucht wird. Selbst nach dem eher militärfreundlichen Maßstab des Völkerstrafgesetzbuchs dürfte das Bombardement der feststeckenden Tanker eindeutig unverhältnismäßig gewesen sein. Man hätte die umstehenden Menschen zumindest warnen müssen.

Und die Bundeswehr muss endlich aufhören, die afghanischen Bauern nach Gesinnung zu sortieren, in "regierungsfeindliche Kräfte", die man ohne Weiteres töten darf, und in "unbeteiligte Zivilisten", die aber nicht nachts um einen von Taliban gekaperten Tanklaster herumstehen. Auch Taliban-Sympathisanten haben ein Lebensrecht.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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