25. Jahrestag der Giftgaskatastrophe: Bhopal-Opfer müssen weiter kämpfen

Die indischen Überlebenden des größten Chemieunglücks der Welt fordern mehr Unterstützung. Die Verantwortlichen wurden nie belangt.

Gedenkmarsch für Opfer des Bhopal-Desasters in Indien. Bild: dpa

Mit einem Protestmarsch durch Bhopal haben tausende Bürger und Überlebende an die Giftgaskatastrophe in der zentralindischen Stadt vor 25 Jahren erinnert. Bereits in der Nacht zu Donnerstag hatte es einen Fackelzug zum früheren Pestizidwerk des US-Konzerns Union Carbide (heute DOW Chemical) gegeben. Die Nacht zum 3. Dezember 1984 hatte für hunderttausende Bewohner abrupt geendet. Beißender Geruch drang in die Häuser der schlafenden Menschen. Sie wachten mit stechenden Schmerzen in der Lunge auf und schleppten sich ins Freie. In den Slums neben der Fabrik gab es eine Massenpanik, hunderte Menschen wurden totgetrampelt. Erst am Morgen wurde klar, dass sich der größte Industrieunfall aller Zeiten ereignet hatte.

Große Wassermengen waren in einen Tank mit 42 Tonnen hochgiftigem Methylisocyanat eingedrungen und hatten eine Kettenreaktion ausgelöst. Die Überdruckventile entließen das tödliche Gas in die Stadt. Bis heute ist nicht geklärt, wie es dazu kommen konnte. Innerhalb der ersten 72 Stunden starben geschätzte 8.000 Menschen, weitere 15.000 in den Folgejahren. Hunderttausende kämpfen bis heute mit Gesundheitsschäden. Eine echte Entschädigung haben viele bis heute nicht bekommen.

Schon die ganze Woche lang gedachten Opfer und Angehörige jetzt der Katastrophe. Sie fühlen sich von der Regierung und den Verantwortlichen im Stich gelassen. Union Carbide hatte 1989 an Indien 470 Millionen Dollar gezahlt. Die Geschädigten erhielten jedoch meist nicht mehr als umgerechnet 300 Euro. Die Verantwortlichen wurden nie belangt, obwohl dem US-Konzern schwere Sicherheitsverstöße nachgewiesen werden konnten. Noch heute erkranken Menschen schwer, die in den Slums nahe der stillgelegten Anlage leben. Union Carbide hatte sich nach dem Unglück von dem Produktionsstandort zurückgezogen, die Verantwortlichen flohen in die USA. Noch immer liegen 390 Tonnen giftiger Chemikalien auf dem Gelände und verseuchen das Grundwasser. Die Regierung des Bundesstaates Madhya Pradesh, in dem Bhopal liegt, übernahm das Areal 1998. Sie hat es bis heute aus Kostengründen nicht reinigen lassen.

Indiens Umweltminister Jairam Ramesh sorgte für einen Aufschrei, als er im September nach einem Besuch des Werksgeländes sagte: "Ich bin reingegangen, habe giftige Material angefasst und bin noch am Leben. Ich muss auch nicht husten." Solche Worte sind Wasser auf die Mühlen von Menschenrechtsaktivisten. Sie beklagen seit Jahren, Indiens Regierung ignoriere das Leid der Überlebenden, weil sie arme Slumbewohner seien. Am Mittwochabend bestätigte Indiens Premier Manmohan Singh dies indirekt, als er den Opfern weitere Hilfe zusicherte.

Erst kürzlich verwarfen die Behörden Pläne, das Fabrikgelände offiziell für Besucher zu öffnen. Überlebende kritisierten, es sei unsensibel, aus dem Ort der Tragödie eine Attraktion zu machen. Umweltgruppen warnten wegen der Gifte auf dem Gelände vor schweren Gesundheitsrisiken für Besucher.

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