Bachelor-Reform: Streik-Studenten sind Versuchskaninchen
Die heutige Studentengeneration profitiert nicht von der Entrümpelung der Bachelor-Studiengänge. Die Reform dauert Jahre, weil die Prüfagenturen völlig überlastet sind.
BERLIN taz Eine gewisse Form von Altruismus attestiert Student Moritz Maikämper sich und seinen Kommilitonen, die im Bildungsstreik aktiv sind. Der Bachelor soll ab jetzt studierbar sein, das hat der Akkreditierungsrat am Dienstag beschlossen. Aber was hilft das den Studierenden, die sich gerade von Test zu Test hangeln?
Nichts, sagt Maikämper, der seit März 2009 im Akkreditierungsrat sitzt. "Ich gebe jedem Einzelnen die Empfehlung, sich weiterhin so gut wie möglich durchzuwurschteln." Der Akkreditierungsrat definiert, wie ein Bachelor-Studium auszusehen hat, und prüft neue Studiengänge vor ihrer Zulassung.
Im Klartext bedeutet die von ihm ausgerufene "Studierbarkeit" als neues Bachelor-Kriterium: weniger Prüfungen. Schon seit einem Dreivierteljahr steht das auf der Agenda des Akkreditierungsrats. Mit dem Beschluss ist es nun juristisch verankert.
Klingt erst mal gut. Noch viel besser macht sich so ein Beschluss kurz vor der Kultusministerkonferenz, die am heutigen Donnerstag in Bonn stattfindet. An der derzeitigen Lage der Studenten, die auf den Straßen und in den Unis protestieren, ändert das aber vorerst nichts - weil die meisten Studiengänge erst mal weiterlaufen wie bisher. Allein das Verfahren, mit dem zehn private Agenturen die Durchsetzung der neuen Kriterien an den einzelnen Hochschulen überprüfen, dauert pro Studiengang mindestens ein halbes Jahr.
Zudem sind die Agenturen voll ausgelastet: Bisher wurden zirka 40 Prozent der Studiengänge nicht einmal zum ersten Mal überprüft. Gleichzeitig steht schon die zweite Runde des Bachelor-Qualitätstests an, bei der man sich auf Erfahrung der vergangenen Jahre stützen kann.
Einen "notwendigen, aber nicht hinreichenden Schritt" nennt Moritz Maikämper den Beschluss, den Bachelor studierbar zu machen. Wenig bringen wird er denen, die gerade für bessere Bildung streiken. Das aber, sagt Maikämper, sei absehbar gewesen: "Jede so tief greifende Umstrukturierung erfordert eine Generation von Versuchskaninchen. Die Frage ist nur: Sag ichs ihnen, oder sag ichs nicht?" Schuld an den derzeit katastrophalen Zustände sei nicht der Prozess, sondern der Umgang damit. Von Anfang an hätten die Politiker mehr auf die Studenten zugehen, Beschlüsse transparenter fassen und offener mit dem Chaos umgehen müssen. Auch viele der älteren Professoren, die sich jetzt hinter die protestierenden Studenten stellen, hätten jahrelang versäumt, sich mit dem Prozess auseinanderzusetzen, sagt Maikämper.
Wer jetzt auf Bachelor studiert, muss also selbst sehen, wo er bleibt. Unabhängig von den Agenturen könne man einzelne Probleme in offenem Dialog mit den Professoren schon zeitnah lösen, so Maikämper. "Man darf jetzt nicht den Fehler machen, sich einzureden, man wäre nicht gut genug", sagt er. "Es liegt am System, das einfach noch nicht läuft."
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