piwik no script img

Regierungschefs bei UN-KonferenzKlimawechsel in Kopenhagen

Das Konferenzgelände in Kopenhagen ist durch die anreisenden Staatschefs zum Hochsicherheitstrakt geworden. Die Politik sorgt sich deshalb um die Akzeptanz der Entscheidungen.

Durch das Eintreffen von Regierungschefs wie Gordon Brown werden die Aktivisten verdrängt. Bild: dpa

Nur 24 Stunden sind vergangen, doch das Konferenzzentrum ist kaum wiederzuerkennen. Im Eingangsbereich, wo bis Mittwoch Organisationen aus aller Welt ihre Analysen und Forderungen präsentiert haben, herrscht große Leere. Verschwunden sind die Müllsammler aus Indien und Bogota, die einen Originalmüllberg mitgebracht hatten, um ihre Form des Recyclings als Vorbild für die Welt zu präsentieren. Verwaist ist der Stand des Weltzukunftsrates, der dort neue Vorschläge zur globalen Finanzierung des Klimaschutzes vorstellte. Und beim Climate Action Network, wo täglich das "Fossil des Tages" an den größten Klimaschutzverhinderer vergeben wurde, stehen die mit Kohle und Dinosauriern dekorierten Pokale einsam am menschenleeren Stand. "Die Zivilgesellschaft ist von den Verhandlungen entfernt worden", steht auf Protestschildern an vielen der leeren Stände.

Grund für die Verdrängung der Aktivisten ist das Eintreffen der Staats- und Regierungschefs - und ihrer riesigen Sicherheitsteams. Von den insgesamt 22.000 NGO-Vertretern, die offiziell beim Gipfel akkreditiert waren, durften bis Dienstag immerhin noch mehrere tausend gleichzeitig aufs Konferenzgelände, das 15.000 Teilnehmer fasst. Am Donnerstag wurde diese Zahl schlagartig auf 300 gesenkt. Darunter fallen auch Industrie- und Gewerkschaftsvertreter. Für alle weltweiten Umweltgruppen zusammen standen ganze 42 Karten zur Verfügung. Als Grund gibt das UN-Klimasekretariat an, nur so ließen sich "eine friedliche Umgebung für die Verhandlungen und das notwendige Sicherheitsniveau für die mehr als 110 Staats- und Regierungschefs" sicherstellen.

Auch in den eigentlichen Konferenzhallen hat sich die Atmosphäre entsprechend verändert. Statt bunter Kostüme aus aller Welt und T-Shirts mit Protestslogans dominieren nun dunkle Anzüge. Wo gestern noch Menschen auf dem Boden saßen und Forderungen verlasen, herrscht nun wieder geordnete Geschäftigkeit. Und ein neues Ausmaß an Sicherheit: Die zentrale Halle des Konferenzzentrums ist durch eine Barriere und einen raumhohen Vorhang in zwei Teile geteilt. Hinter dem Vorhang und im dort befindlichen Plenarsaal tagt das "High Level Segment"; die schwarzen Limousinen, die im Minutentakt am Hintereingang anrollen, bringen die Staats- und Regierungschefs direkt hierher. Beobachter und Journalisten haben praktisch überhaupt keinen Zugang zu diesem Bereich.

Doch der Hochsicherheitstrakt, in den sich der Gipfel verwandelt hat, ändert mehr als nur die Atmosphäre. Auch der Zugang zu Informationen wird durch das Fehlen der NGOs schwieriger. Greenpeace beispielsweise hat die ersten zehn Verhandlungstage mit einem 40-köpfigen internationalen Team verfolgt. Nun habe man mit großem Glück noch vier Zugangskarten bekommen, berichtet Verhandlungsführer Martin Kaiser. Alle Informationen aus den verschiedenen Verhandlungssträngen zusammenzutragen, auszuwerten und weiterzukommunizieren ist so nicht mehr möglich. Und das hat Konsequenzen, fürchtet Kaiser: "Wenn kritische Stimmen ausgeschlossen werden, fällt es der Politik leichter, Greenwashing zu betreiben" - also schlechte Resultate als gut zu verkaufen.

Der Präsident des deutschen Naturschutzbundes Olaf Tschimpke hält es auch für "taktisch sehr unklug", dass die Vereinten Nationen die Zivilgesellschaft ausgerechnet in der entscheidenden Phase ausschließt. "Damit erinnert die Konferenz zunehmend an ein G-8-Treffen." Auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen sieht die starken Zugangsbeschränkungen mit Sorge. "Die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft ist elementar für diesen Prozess, auch für die Akzeptanz der Beschlüsse", sagte er am Donnerstag.

Klaus Milke, der als Vorsitzender der NGO Germanwatch schon auf vielen Klimakonferenzen war, kann der Entwicklung hingegen auch etwas Positives abgewinnen. "Wir haben uns immer gewünscht, dass das Thema auf der höchsten Ebene ankommt", sagte er. "Nun sind die Staats- und Regierungschefs da - und damit auch die Einschränkungen." Der Hauptfehler sei, dass die UN und die Dänen diese Entwicklung nicht besser vorbereitet hätten. Eine Mitschuld sieht Milde aber auch bei einigen akkreditierten NGO-Vertretern. Mit Protestaktionen auf dem Konferenzgelände hätten sie einen Vorwand dafür geliefert, sie wegen angeblicher Sicherheitsrisiken auszuschließen. Auch das geplante "Erstürmen" des Konferenzgeländes hält er für fragwürdig. "Schließlich gab es bisher nirgends sonst so gute Mitwirkungsmöglichkeiten wie bei UN-Konferenzen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!