Bildungslandschaft in Sachsen: Aus für Gemeinschaftsschule?

Zurück in die Vergangenheit: Die Schulversuche werden "abgeschlossen", heißt es im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Eltern und Lehrer an den Gemeinschaftsschulen sind verunsichert.

Wie geht es weiter? Das weiß derzeit offenbar nicht einmal die Landesregierung genau. : dpa

"Nur nicht die Eltern durch die Medien verunsichern!", bittet Schulleiterin Petra Bräutigam von der Gemeinschaftsschule Dresden-Pieschen. "Die Frage nach dem Bestand der Schule stellt sich vorerst nicht", ergänzt ihr Stellvertreter Dirk Dreyer. Beide haben Grund für ihre Beschwichtigungsversuche. "Die bisher genehmigten Schulversuche zur Gemeinschaftsschule werden abgeschlossen und evaluiert", heißt es lakonisch in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und FDP vom Oktober. Was das konkret bedeutet, weiß derzeit offenbar nicht einmal die Landesregierung genau.

Die Gemeinschaftsschule war das engagierteste bildungspolitische Projekt der SPD in der von 2004 bis 2009 bestehenden Koalition mit der CDU. Es gelang ihr lediglich, Schulversuche in die Koalitionsvereinbarung zu schreiben, um längeres gemeinsames Lernen und individuellere Förderung zumindest ansatzweise zu verwirklichen. Eine Verankerung im Schulgesetz verhinderte die Union, und seitens der Kultusbürokratie gab es keinerlei Unterstützung für Konzepte. Elterninitiativen und Schulträger erreichten nur in neun Fällen eine Genehmigung.

Voraussetzung dafür war dann auch noch die sogenannte äußere Differenzierung des Unterrichts ab der siebten Klasse, mit der Gymnasiumskandidaten wieder separiert und so ein Teil des Gemeinschaftsschulgedankens wiederaufgehoben wurde.

Nun herrscht an sieben der neun Schulen Ratlosigkeit, oder es kommt zu massiven Protesten wie im mittelsächsischen Geithain. Dort haben sich nicht nur Elternvertreter und die Schulleitung für eine Fortführung der Gemeinschaftsschule ausgesprochen, sondern auch alle Fraktionen des Stadtrates. Die Nachbarschaftsschule in Leipzig und das Chemnitzer Schulmodell, die schon seit den Neunzigerjahren ab der ersten Klasse in dieser Form laufen, genießen eine Bestandsgarantie.

Überall ist man sehr enttäuscht von der FDP. Sie plädierte bisher für längeres gemeinsames Lernen, im Koalitionsvertrag brachte sie aber nur das Placebo einer theoretisch verbesserten Wechselmöglichkeit nach der sechsten Klasse unter.

In Dresden-Pieschen gibt man sich dennoch relativ zuversichtlich. Allerdings hört man von Kultusminister Roland Wöller (CDU) und den Regierungsfraktionen Widersprüchliches, ob die Verträge bis 2014 Bestand haben oder der Schulversuch "allmählich zu Ende geführt wird", wie der FDP-Bildungspolitiker Norbert Bläsner sagt.

Schulleiterin Petra Bräutigam will erst einmal das im Januar anstehende Gespräch mit dem Ministerium abwarten. Alle Gemeinschaftsschulen werden einzeln eingeladen. Bräutigam weiß die Eltern hinter sich. Es sind vor allem solche, die sich nicht sicher waren, ob ihre Kinder fit für das Gymnasium sind, und die deshalb auf spezielle Förderung setzen. "Wir haben Erfolg, wenn jedes Kind den ihm möglichen Abschluss schafft", fasst die Schulleiterin das Leitbild zusammen.

Davon möchte Kultusminister Wöller etwas übernehmen, um die sächsische Mittelschule mit dem Ruf der "Restschule" nicht nur verbal zur "Oberschule" aufzuwerten. Warum dann die Gemeinschaftsschule abwickeln? Das sei so, als ob die Innovationen eines neuen Automodells in den alten Typ eingebaut, der Prototyp aber verschrottet würde, spottete die Grünen-Abgeordnete Annekathrin Giegengack.

Bei einer Evaluation durch die TU Dresden schnitten die Gemeinschaftsschulen in den Kernfächern etwas besser ab als die Mittelschulen. Warum müssen staatliche Schulen so standardisiert werden, "warum folgt man nicht dem Elternwillen?", fragt Petra Bräutigam. "Die freien Privatschulen dürfen alles!"

SCHULLEITERIN PETRA BRÄUTIGAM

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