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Odysseen und Widersprüche

DOKUMENTARFILM „Frances Ha“ und „Gut Renovation“ (beide Panorama) setzen sich auf sehr unterschiedliche Weise mit der Gentrifizierung in Brooklyn auseinander

Das Tolle an diesen – oft mit Mikrobudgets gedrehten – Filmen ist ja, dass sie das Leben einfangen, ohne dafür dramatische Wendepunkte zu benötigen

VON ANDREAS RESCH

Wer von Spätzle-Attacken auf das Käthe-Kollwitz-Denkmal im Bezirk Prenzlauer Berg und ähnlichen Berliner Provinzpossen die Nase voll hat, der sollte seinen Blick auf New York, genauer: auf Brooklyn richten und darauf, wie dort das Thema Gentrifizierung verhandelt wird. Su Friedrich, renommierte Dokumentarfilmerin und Professorin für Visuelle Künste in Princeton, hat in „Gut Renovation“ die Veränderungen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft im Bezirk Williamsburg über den Zeitraum von fünf Jahren dokumentiert.

Der einst brachliegende Industriestandort im Norden Brooklyns wurde seit den Siebzigern von Künstlern frequentiert, die sich die steigenden Mieten in Manhattan nicht mehr leisten konnten. 2005 allerdings wurde Williamsburg als reines Wohngebiet ausgewiesen – mit dem Effekt, dass die Immobilienpreise rapide anzogen. Bulldozer und Planierraupen rollten an und begannen, ein bewohntes Fabrikgebäude nach dem anderen abzureißen, um an ihrer Stelle Apartmenthäuser zu errichten.

Was „Gut Renovation“ zu einem so sympathischen Film macht, ist seine totale Subjektivität. Wenn Su Friedrich von einem Häuserdach aus potenzielle Investoren zunächst filmt und dann beschimpft oder sie ein harmloses Gentrifizierer-Pärchen so lange mit der Kamera verfolgt, bis die Frau – verständlicherweise – ausflippt, ist sich die Filmemacherin der Grenzwertigkeit ihres Vorgehens voll und ganz bewusst. In einer absurden Schlusspointe beschließt Su Friedrich, schließlich selbst zum Auszug gezwungen, eine Immobilie in einer günstigeren Umgebung zu kaufen. Ein Film voller Widersprüche.

In Noah Baumbachs „Frances Ha“ wird das Thema Gentrifizierung zwar nur am Rande miterzählt, ist aber aufgrund der vielen Umzüge seiner Protagonistin ständig präsent. Ihre Odyssee führt die angenehm erfolglose Tänzerin Frances (Greta Gerwig) aus dem Brooklyner Fort Greene, wo sie zu Beginn des Films mit ihrer besten Freundin zusammenlebt, zunächst über den East River nach Chinatown. Dort kann sie sich das Leben in einer Rich-Kid-WG allerdings nur so lange leisten, bis die Jungs auf die Idee kommen, für 400 Dollar monatlich eine Putzfrau zu engagieren.

Und so geht es nach Abstechern nach Sacramento, einem Jet-Lag-verpfuschten Trip nach Paris und einer jobbedingten Exkursion in die Provinz zurück nach good old Brooklyn. Und es ist sehr schön mit anzusehen, wie wenig sich Baumbachs Protagonistin darum schert, in welcher Nachbarschaft sie lebt, da sie ihre Existenz eben nicht über ein Label wie „Williamsburg“ definieren muss.

Noah Baumbach hat „Frances Ha“ mit einem Perfektionismus inszeniert, dessen Resultat eine große Leichtigkeit ist. Was in hohem Maße mit der hervorragenden Greta Gerwig zusammenhängt, die nicht nur als Hauptdarstellerin, sondern auch als Ko-Autorin beteiligt gewesen ist. Und es dürfte auch Gerwigs Einfluss geschuldet sein, dass sich Baumbach in seinem mittlerweile siebten Spielfilm den Mumblecore-Stil zueigen gemacht hat. Das Tolle an diesen – oft mit Mikrobudgets gedrehten – Filmen ist ja, dass sie das Leben einfangen, ohne dafür dramatische Wendepunkte zu benötigen. Stattdessen sind sie umso genauer in der Darstellung ihrer lebensechten Charaktere.

Was „Frances Ha“ zu mehr macht als zu einer bloßen Stil-Kopie, sind die filmhistorischen Referenzen – etwa an die Nouvelle Vague. Oder an Woody Allen. Beispielsweise in dieser vom Schluss von „Manhattan“ inspirierten Szene, in der Frances bei einem Dinner, das sie unbedingt bezahlen möchte, feststellt, dass sie kein Bargeld bei sich hat. Auf der Suche nach einem Geldautomaten rennt sie kreuz und quer durch Manhattan und die Straßenzüge rasen an ihr vorbei und man wird erfasst von einer lange nicht erlebten Schwerelosigkeit.

■ „Gut Renovation“. Heute, Cinestar, 22.30 Uhr; 15. 2., Colosseum, 15.30 Uhr

„Frances Ha“. Heute, Friedrichstadt-Palast, 18 Uhr; 15. 2., CinemaxX, 10 Uhr; 16. 2., Cubix, 17 Uhr

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