Juso-Chefin Drohsel: "Die SPD ist auf der Suche"
Der SPD-Vorstand soll heute 12 Thesen zur Erneuerung verabschieden. Die Partei brauche eine Diskussion von unten nach oben, fordert Juso-Chefin Drohsel.
taz: Frau Drohsel, warum tut sich die SPD so schwer mit ihrer Rolle als Oppositionspartei?
Franziska Drohsel: Wir haben elf Jahre regiert. Da braucht es Zeit, eine neue Rolle zu finden. Dazu kommt das miserable Ergebnis vom 27. September. Aber wir müssen trotzdem in Tritt kommen und die schwarz-gelbe Lobbypolitik für Besserverdienende angreifen. Diese Rolle muss die SPD schnell ausfüllen.
Das ist das Problem. Beispiel Hartz IV. Schwarz-Gelb hat das Schonvermögen erhöht, CDU-Mann Rüttgers will Hartz IV reformieren, und die SPD weiß noch nicht so genau. Das ist zu wenig, oder?
Die Erhöhung des Schonvermögens reicht doch längst nicht. Ich bin seit Langem dafür, die Sanktionen gegen Arbeitslose abzuschaffen, die Zumutbarkeitskriterien zu ändern und einen eigenständigen Regelsatz für Kinder einzuführen. Die SPD muss bald zu einer eindeutigen Haltung kommen.
Konkret bis wann?
Spätestens bis zum Parteitag im Herbst.
Im Mai wird in NRW gewählt. Die SPD muss doch vorher klarkriegen, was sie will.
Ich hoffe sehr, dass es schneller geht. Aber das Modell: "Die Spitze beschließt, die Basis folgt" funktioniert nicht mehr. Wir brauchen einen Diskussionsprozess von unten nach oben. Der braucht Zeit.
In den 12 Thesen zur Erneuerung der SPD von Sigmar Gabriel und Andrea Nahles steht, dass die Partei einen "dramatischen Vertrauensverlust" wettmachen muss. Wie?
Indem wir uns der Gesellschaft öffnen. Es ist nicht mehr so, dass in jedem Ortsverein alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind. Deshalb muss die SPD den Austausch mit diesen Gruppen suchen. Zum Beispiel mit Erwerbsloseninitiativen. Es ist ein Unterschied, ob man abstrakt über Hartz IV redet oder konkret mit Betroffenen.
Die SPD verliert kontinuierlich Mitglieder. Wie kann sie das stoppen?
Erstens durch eine Politik, die die Interessen der Mehrheit vertritt. Zweitens: durch eine andere politische Kultur. Selbst in den Ortsvereinen wird erwartet, bis Mitternacht in der Kneipe auszuharren. So macht das vielen keinen Spaß.
Der SPD-Linke Björn Böhning will, dass die SPD wieder auf der Straße demonstriert.
Ja klar. Die Jusos setzten seit je auf die Doppelstrategie von Außerparlamentarischem und Parlamentarischem. Es ist doch selbstverständlich, auf Antinazi- und Antiatomdemos zu gehen. Das muss die SPD in der Opposition wieder lernen. Schwarz-Gelb braucht Widerstand im Parlament und auf der Straße.
Können Sie sich Steinmeier denn auf einer Demo vorstellen?
Och ja, warum nicht?
Steinmeier steht für den Afghanistaneinsatz und die Agenda 2010. Glauben Sie, dass er den neuen Oppositionskurs der SPD glaubwürdig verkörpern kann?
Die gesamte SPD-Spitze wird daran gemessen, ob sie den Erneuerungsprozess organisiert. Das haben wir auf dem Parteitag in Dresden beschlossen. Das gilt auch für Steinmeier.
Haben Sie persönlich denn schon gemerkt, dass sich die SPD seit Dresden erneuert hat?
Na ja, die Partei ist schon anders als vor dem 27. September, als es meist darum ging, die Regierung zu verteidigen. Sie ist auf der Suche. Und die muss bald zu zu neuen Inhalten führen.
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