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taz-Serie "Soziale Stadt" (8b):Die reiche Parallelwelt

Die Statdtteile Prenzlauer Berg und Pankow zählen zu den Gewinnern der Stadtentwicklung.

Dass es die Eldenaer Straße im jüngsten Monitoring zur sozialen Entwicklung der 434 Stadtgebiete auf Platz eins geschafft hat, war eine Überraschung. Vor allem aber war es eine statistische Unschärfe. Die paar Neubauwohnungen auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs an der Grenze zu Friedrichshain machen noch keinen Kiez aus.

Doch der Trend stimmt: Das Quartier um die Eldenaer Straße wächst, hat mit sozialen Problemen wie Arbeitslosigkeit oder Hatz IV wenig zu tun, so wie das auch in den anderen Quartieren im Bezirk der Fall ist. Prenzlauer Berg und Pankow gehören zu den Gewinnern in Berlin.

Das hat - nicht nur an der Eldenaer Straße - mit den vielen Neubauprojekten zu tun. Der Bezirk Pankow mit seinen 367.000 Einwohnern hat seit der Wende mehr als 50.000 Einwohner dazugewonnen, mehr als jeder andere der zwölf Bezirke. Kein Wunder, dass vor allem der Norden - Niederschönhausen, Heinersdorf, Französisch Buchholz, Blankenburg - zur ersten von vier Kategorien zählt, ähnlich wie in den traditionell reichen Bezirken Steglitz-Zehlendorf und Treptow-Köpenick.

Neubauten in Gestalt von Baugruppen, schicken Etagenwohnungen und "urbanen Dörfern" wie den "Prenzlauer Gärten" oder "Marthashof" haben aber auch den Prenzlauer Berg innerhalb des S-Bahn-Rings nach oben katapultiert. Nicht nur die Viertel Bötzowstraße (Platz 125), Kollwitzplatz (140) und Helmholtzplatz (166) zählen im Entwicklungsindex des "Monitorings soziale Stadtentwicklung" zur zweitbesten Kategorie, sondern auch das Neubauquartier Thälmannpark oder die verkehrsreiche Greifswalder Straße.

Allen Gebieten gemeinsam ist zudem die positive Aussicht, die sich im Index im "plus" hinter der "zwei" verbrigt. Im Klartext: Überall wird es besser, kein Quartier muss Angst haben, wieder abzusteigen. Das ist im Vergleich zu den Quartieren der Kategorie drei und vier, die eine negative Entwicklungstendenz aufweisen, ein Unterschied wie zwischen erster und dritter Welt.

Und noch etwas unterscheidet Prenzlauer Berg von den anderen Gründerzeitquartieren der Innenstadt: Sowohl im reichen Charlottenburg-Wilmersdorf als auch in Tempelhof-Schöneberg gibt es Absteigerquartiere. In Charlottenburg ist es der Norden um den Mierendorffplatz, in Schöneberg der Kiez auf der von den S-Bahntrassen umgebenen Schöneberger Insel.

Dass es Handlungsbedarf gibt, hat die Politik erkannt. Auf ihrer Fraktionsklausur in Eisenach sprachen sich die SPD-Abgeordneten gegen die Herausbildung von Parallelgesellschaften aus - und meinten ausdrücklich auch die reichen Wohlstandsinseln, die sich vom Rest der Stadt abkoppelten. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, regte sogar an, mit dem Baurecht gegen so genannte Gated Communities vorzugehen. Zumindest müsse geprüft werden, wie man Zäune, die eine reiche Wohnanlage von der Umgebung trennten, verhindern könne.

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1 Kommentar

 / 
  • B
    beinhart

    Die Bildung sozialer Wohlstandsinseln kann man am effizientesten auf zwei Arten verhindern:

     

    1) Indem man die Bebauung der Flächen mit den Wohnformen, die Lohas am meisten schätzen, verhindert. Dies sind vor allem Townhouses. Ein Ansatz hierzu ist die Grundsteuer: Wer mitten in der üblicherweise mit 4-Geschossern mit Hinterhaus bebauten Innenstadt übermäßig viel Platz für seinen Wohlstandshintern meint zu benötigen, sollte dafür entsprechend zur Kasse gebeten werden - so dass es auch Besserverdienenden wehtut.

     

    2) Indem man Baugruppen nur noch finanziell fördert, wenn diese ihre Projekte nach Zielsetzungen entsprechend der Grundidee aus der Zeit ihrer Entstehung umsetzen: nämlich Wohnraum für sich UND ANDERE zu schaffen. Konkret heißt das: Neben den von Baugruppen-Mitgliedern selbst bewohnten Wohnungen gehören zu Projekten Wohnungen (gleicher Güte und Ausstattung) für Menschen, die sich die Mitgliedschaft in der Baugruppe finanziell nicht leisten könnten.

    Am besten für das soziale Gefüge erscheint es, wenn diese Bewohner nicht von den Mitgliedern selbst sondern einer "dritten" Stelle ausgesucht werden.