Airbus A400M: Show-Down beim Militär-Transporter

Elf Milliarden Euro mehr will Airbus für den A400M, obwohl er zu spät kommt. Der Bund hält an ihm fest – trotz Alternativen. Sonntag endet ein Stillhalte-Abkommen der Vertragspartner.

Kann nicht, was er soll. Kostet mehr, als er soll: Der Airbus A400M. : ap

BERLIN taz | Am Sonntag endet das Stillhalteabkommen, das Airbus und die sieben Bestellerländer des Militärtransporters A400M im vorigen Jahr vereinbart haben, um zu klären, wer für die bisher aufgelaufenen Mehrkosten aufkommen soll. Der Flugzeugbauer fordert von den Abnehmern Nachzahlungen von mehr als 5 Milliarden Euro.

Geklärt werden soll auch, zu welchen Abstrichen in der Leistungsfähigkeit die sieben Bestellerländer bereit seien. Das ursprünglich 20 Milliarden Euro teure Projekt A400M verzögert sich und die insgesamt 180 Maschinen werden vermutlich nicht alle Leistungsanforderungen erfüllen können. Vor allem aber wird es deutlich teurer. Airbus selbst spricht von bis zu 11 Milliarden Euro, die auf die Besteller Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Belgien, Luxemburg und die Türkei zukommen würden. Sie könnten daher ab Montag den Vertrag kündigen.

Und so tröstete EADS-Vorstandschef Louis Gallois vor zwei Wochen die Öffentlichkeit noch einmal über die Malaise hinweg: "Der A400M ist selbst zum höheren Preis noch günstiger, moderner und vielseitiger einsetzbar als die amerikanische Konkurrenz", beruhigte er in einem Interview mit der FAS. Dabei gibt es seit Jahren ein Flugzeug, das all das erfüllt, woran Airbus noch arbeitet. Es transportiert mit 47 Tonnen deutlich mehr bei nahezu gleichen Abmessungen, es ist leichter, es hat einen größeren Aktionsradius, eine größere Reichweite, kann auf unbefestigten Pisten starten, wird demnächst in Serie gebaut und es ist mit etwa 60 Millionen US-Dollar halb so teuer wie der A400M.

Die Antonow-70 (An-70) ist eine russisch-ukrainische Entwicklung, und sie war der Favorit von Bundeswehr und Bundesregierung. Am 16. Dezember 1994 hob die An-70 zum Erstflug ab. Die technischen Daten waren so überzeugend, dass die Bundeswehr, die einen Nachfolger für die betagte Transall suchte, aufmerksam wurde. Das Verteidigungsministerium ließ 1998 die An-70 auf die Anforderungen der Luftwaffe hin untersuchen. Die Idee: Eine "europäische" Antonow-71 mit westlicher Ausrüstung sollte auf Basis der An-70 entstehen, gebaut im Flugzeugwerk Lemwerder bei Bremen. Für den damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe war die Antonow ein "faszinierendes Projekt". Außenminister Klaus Kinkel freute sich über das "tolle politische Signal".

Der Spiegel berichtete im Februar 2000, dass die Antonow "die Forderungen der europäischen Militärs sogar noch übertrifft" und um ein Viertel billiger wäre als der Militärtransporter, für den Airbus inzwischen eine Offerte abgegeben hatte - nach damaligen Angaben 160 Millionen Mark (etwa 82 Millionen Euro) pro Flugzeug. Doch das russisch-ukrainische Angebot hatte offenbar schon überzeugt. Bundeswehr und Verteidigungsministerium bevorzugten die An-70, meldete Die Welt im April 2000 und zitierte aus einer internen Vorlage, die zu dem Schluss kam, dass der Airbus der An-70 "technisch operationell sowie preislich deutlich unterlegen" sei.

Doch der Aufwind für die An-70 war genauso trügerisch wie der Sinkflug der A400M. Die Wende kam am 9. Juni 2000. "Das Maß an rüstungspolitischer Zusammenarbeit, das wir erreicht haben, sucht ihresgleichen", sagte Gerhard Schröder auf dem 75. deutsch-französischen Gipfel in Mainz. Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac hatten sich vorher überraschend darauf verständigt, den A400M zu bauen. Heftiger Druck der Airbus-Bosse im Zusammenspiel mit den Regierungen in Paris und London, die sich frühzeitig auf den A400M geeinigt hatten, habe Schröder einlenken lassen, spekulierte der Spiegel. Kurz zuvor war der EADS-Konzern, die neue Muttergesellschaft von Airbus, aus französischen und deutschen Unternehmen geschmiedet worden. Der französische Staat war mit 15 Prozent daran beteiligt.

Maximale Nutzlast: Die An-70 hebt 47 Tonnen, der A400M nach Herstellerangaben 37 Tonnen. Die Bundeswehr nennt in ihrem Leistungskatalog allerdings nur 32 Tonnen.

Reichweite: Mit maximaler Zuladung soll der A400M 3.150 Kilometer weit kommen, die An-70 3.000 Kilometer.

Unterschied: Der auffälligste Unterschied zwischen den beiden Maschinen, neben dem "Horn" am Bug beim A400M, ist die Wirkungsweise der Triebwerke. Beide verfügen über vier Propellertriebwerke. Doch während beim A400M bei zwei Triebwerken die Propeller in jeweils entgegengesetzter Richtung drehen, laufen bei der An-70 in jedem Triebwerk zwei Propeller gegenläufig auf einer Achse.

Andere Hersteller: Weitere Anbieter in dieser Flugzeugklasse sind die US-Hersteller Boeing (C-17A) und Lockheed Martin (C-130 Hercules).

Preis: Die An-70 kostet etwa 70 Millionen US-Dollar, der A400M nach bisherigen Berechnungen etwa 120 Millionen Dollar.

Der Bundesrechnungshof monierte zwar in einem Bericht vom 12. Oktober 2001, dass "leistungsfähigere und kostengünstigere Alternativen" zum A400M geprüft werden sollten. Dennoch unterzeichnete Verteidigungsminister Rudolf Scharping im Dezember 2001 in Brüssel einen ersten Vertrag über die Beschaffung des A400M. Nach seinen Angaben sollte der Transporter einschließlich Wartung gut 116 Millionen Euro kosten.

Während Airbus zum Höhenflug ansetzte, geriet die Antonow in Turbulenzen. Nachdem bereits im Februar 1995 eine An-70 mit einem Begleitflugzeug kollidiert und abgestürzt war, kam es am 27. Januar 2001 zu einer Bruchlandung, als bei einem Start in Sibirien zwei der vier Triebwerke ausfielen. Das Antonow-Projekt war in der Krise, bald auch politisch: Nach der "orangenen" Revolution und dem anschließenden Machtwechsel in der Ukraine stornierte Moskau im Juni 2006 seine 160 Bestellungen und stieg aus dem Programm aus.

Doch auch bei Airbus lief nicht mehr alles rund. Im Oktober 2006 meldeten Zeitungen erhebliche Verzögerungen und erwartbare Mehrkosten. Die Kette von Hiobsbotschaften riss nicht mehr ab. Es hieß, das Flugzeug sei zu schwer, die Nutzlast zu gering und mit den Triebwerken gebe es Probleme. Im Januar 2009 räumte Airbus-Chef Thomas Enders ein: Das A400M-Programm sei möglicherweise eine "mission impossible". Immerhin absolvierte der A400M am 11. Dezember 2009 seinen Erstflug. Es sei eine gute Nachricht, dass der Transporter "von der Erde weggekommen ist", kommentierte Angela Merkel. Die Erwartungen waren bescheiden geworden.

Die An-70 hat sich in der Zwischenzeit wieder erholt: Die Ukrainer verbesserten die Triebwerke, der Prototyp hat mehr als 800 Flugstunden hinter sich und die Russen sind wieder dabei. Im August 2009 unterzeichneten Moskau und Kiew eine Vereinbarung, die Serienproduktion der An-70 aufzunehmen. Die ersten Maschinen sollen 2013 ausgeliefert werden. Gemeinsam mit "Volga-Dnepr", der weltweit größten Airline für übergroße Lasten, soll dann auch eine zivile Variante produziert werden. Eine befürchtete Abhängigkeit von unsicheren Partnern im Osten war vor zehn Jahren das Hauptargument, das gegen die An-70 vorgebracht wurde.

Doch diese Abhängigkeit ist für die Bundeswehr längst Realität. Seit März 2006 fliegen Antonow-124 der Gesellschaft "Volga-Dnepr" von Leipzig aus für die Bundeswehr und andere Nato- und EU-Staaten schweres Gerät unter anderem nach Afghanistan und in den Irak. Ukrainische Medien meldeten, dass im November 2009 eine Delegation der deutschen Luftwaffe in Kiew gewesen sein soll, um die An-70 zu besichtigen. Die Luftwaffe wollte sich gegenüber der taz nicht dazu äußern.

Antonow-Maschinen füllen die Lücke bei den Transportkapazitäten, die durch die verzögerte Entwicklung der A400M entstanden ist. Weitere Verzögerungen bei den 60 Maschinen, die die Bundeswehr als größter Abnehmer erhalten soll, eingerechnet, könnte die Truppe ab 2013 erleben, dass die einst von ihr favorisierte An-70 tatsächlich für sie fliegt, als russische Chartermaschine.

Die Grünen verlangen jetzt, den A400M-Vertrag zu kündigen. Alexander Bonde, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, forderte, die Bundesregierung müsse die Reißleine ziehen. Bonde erinnerte gegenüber der taz daran, dass Airbus seinerzeit den Zuschlag erhalten habe, weil es das Entwicklungsrisiko als beherrschbar dargestellt habe: "Es geht nicht an, dass diejenigen, die die tollsten Versprechungen machen, den Zuschlag bekommen und später einfach nachverhandeln wollen."

Großprojekte seien dann überhaupt nicht mehr steuerbar. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hingegen bezeichnete am Donnerstag vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages den A400M aus sicherheitspolitischen Aspekten als "alternativlos" und erklärte, dass die Bestellerländer bereit seien, maximal 2 Milliarden Euro mehr zu schultern.

Das Auslaufen des Stillhalteabkommens wird offenbar für Airbus vorerst folgenlos bleiben. Das Verteidigungsministerium teilte gestern mit, dass die Gespräche zwischen dem Unternehmen und den Bestellern am 4. Februar in Berlin fortgesetzt werden sollen.

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