Kommentar Blair vor dem Irak-Ausschuß: Kriegslügen ohne Konsequenzen
Tony Blair hat vor und während des Irakkriegs wiederholt gelogen. Für diese Feststellung benötigte man keine Untersuchung.
F ür Tony Blair war es nur eine lästige Pflichtaufgabe, und der frühere britische Premierminister hat sie mit der ihm eigenen Nonchalance erledigt. Er versuchte gestern vor dem Untersuchungsausschuss zur britischen Beteiligung am Irakkrieg den Eindruck zu vermitteln, er habe stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Das war nicht anders zu erwarten. Fest steht jedoch, dass er im Vorfeld des Kriegs mehrfach gelogen hat; dazu benötigt man keine Untersuchung.
Im April 2002 behauptete er, es sei eine Tatsache, dass Saddam Hussein über große Mengen chemischer und biologischer Waffen verfüge. Keine drei Wochen zuvor hatte der Geheimdienstausschuss erklärt, dass Saddam möglicherweise geringe Mengen solcher Kampfstoffe versteckt habe. Im selben Monat hieß es in einem geheimen Kabinettspapier, der Irak stelle keine ernsthafte Gefahr für seine Nachbarländer dar. Bei Blair hörte sich das einen Monat später anders an: Der Irak sei nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern für die ganze Welt.
Blair berief sich im September 2002 auf die Internationale Atomenergiebehörde, als er behauptete, dass Saddam binnen sechs Monaten im Besitz einer Atombombe sein könnte. Die Behörde erklärte, keinen solchen Bericht veröffentlicht zu haben. Blair behauptete gestern erneut, dass es ihm anfangs lediglich um die Entwaffnung des Iraks gegangen sei und nicht um einen Regimewechsel. Im Tagebuch seines engsten Beraters, Alistair Campbells, steht unter dem 2. April 2002: Blairs Ziel sei wegen der Massenvernichtungswaffen und der Gefahr für die Region auch ein Regimewechsel - und diese Liste der Lügen vor und während des Krieges ließe sich beliebig fortsetzen.
John Chilcot, der Leiter des Untersuchungsausschusses, hat im Vorfeld versucht, Blairs Auftritt die Brisanz zu nehmen. Es gehe lediglich darum, Licht auf die Ereignisse zu werfen, die zum Irakkrieg führten, nicht um Schuldzuweisungen oder konkrete juristische Konsequenzen. Dass eine dauerabgelenkte Öffentlichkeit auf solche tatsächlich noch dringen wird, muss man bezweifeln.
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