Fußball-Bundesliga: Pünktchenweise Richtung Rettung
Hertha BSC legt gegen Mainz eine trostlose erste Halbzeit hin. Später gelingt immerhin noch der 1:1-Ausgleich. Trotzdem bleibt das Gefühl: Dieses Team will den Klassenerhalt nicht mal geschenkt haben.
Derart schleppfüßige Aufholjäger hat die Bundesliga noch nicht kennen gelernt. Zum dritten Mal in Folge reichte es für Hertha vor eigenem Publikum nur zu einem Unentschieden. Und dennoch konnte Trainer Friedhelm Funkel nach dem 1:1 gegen den FSV Mainz 05 resümieren: "Unterm Strich haben wir wieder einen Punkt gut gemacht." Kapitän Arne Friedrich nannte diesen Sachverhalt "unfassbar".
Der Fußballjargonbegriff der "Remiskönige" bekommt durch Hertha erstmals einen Sinn. Wobei genau genommen dies erst die verlässlich verlierende Abstiegskonkurrenz aus Nürnberg und Hannover ermöglicht hat. Nach der missratenen Hinrunde hätten die Berliner-Fans ihren Spielern gewiss am liebsten Siebenmeilenstiefel verpasst, damit diese gleich mehrere Treppenstufen auf einmal aus dem tristen Tabellenkeller nehmen würden. Nun stakst "die alte Dame" Hertha wie eine ungeübte Stöckelschuhbesitzerin unsicher Stufe für Stufe, Punkt für Punkt, nach oben. Der Abstand zum vielleicht rettenden 16. Tabellenplatz konnte von einst zehn Punkten mittlerweile halbiert werden.
Doch auch gegen Mainz hatte man lange Zeit den Eindruck, dass die Blau-Weißen den Klassenerhalt nicht einmal geschenkt haben wollen. Als die Anzeigetafel die Zuschauer nach einer halben Stunde informierte, dass der Abstiegsaspirant Hannover bereits mit 0:3 von Bremen demontiert worden war, hatten die Berliner noch nicht ein einziges Mal aufs Tor geschossen.
Seltsam emotionslos wirkten die Gastgeber in der ersten Hälfte. Dem markigen Abstiegskampfgeschrei im Vorfeld - Arne Friedrich: "Die müssen wir auffressen" - folgte wieder einmal nur stille Statistenarbeit auf dem Platz. Niemand schien gewillt, die Initiative zu übernehmen. Bereits gegen Bochum und Gladbach war Hertha unerklärlicherweise über die erste Halbzeit hinweggedämmert.
Dieses Mal aber beförderte offensichtlich ein gescheitertes Experiment von Trainer Funkel die anfängliche Berliner Antriebsschwäche. Der Coach nahm statt Cicero überraschend den Abwehrspezialist Christoph Janker ins Team und beorderte ihn auch noch ins defensive Mittelfeld. Aufgrund der Rochade wurde Raffael, der derzeit einzige Herthaner mit Spielmacherqualitäten, vom Zentrum auf den linken Flügel versetzt. Die sowieso schon ideenarme Offensivabteilung war damit lahm gelegt. Erst als Funkel mit der Hereinnahme von Cicero nach der ersten Halbzeit seinen Versuch abbrach, kamen die Berliner in Schwung.
Diesen Zusammenhang wollte Funkel aber verständlicherweise nicht gelten lassen. Er hatte eine andere Erklärung für die deutlich verbesserte zweite Hälfte gefunden: Es wäre klar gewesen, dass Mainz seine aggressiven Störmanöver nicht bis zum Ende hätte durchhalten können. Und mit betonter Gelassenheit verkündete er: "Wir wussten, dass es uns gelingen würde, unser Spiel durchzubringen." Da er nicht auf ein Siegtor verweisen konnte, zählte er die verpassten Gelegenheiten auf. Den Lattentreffer von Adrián Ramos etwa, der sich gegen den unauffälligen Ex-Herthaner Malik Fathi durchgesetzt hatte, und den verpatzte Schussversuch des freistehenden Florian Kringe.
Die Emotionsleere der ersten Halbzeit fand in der Spielanalyse der Hertha-Verantwortlichen ihre Fortsetzung. Dazu passte auch der gestelzte Kommentar von Manager Michael Preetz: "Bancé hat wahrscheinlich das Tor des Jahres geschossen. Auf der anderen Seite war uns ein solches Tor nicht vergönnt." Der Treffer des Mainzer Aristide Bancé war in der Tat so schön, dass man ihn gar als Entschädigung für eine niveauarme erste Hälfte akzeptieren mochte. Adam Szalai hatte seinen lange erfolglosen Stürmerkollegen mit einer Bogenlampenflanke bedient, und Bancé schoss den Ball volley in den Torwinkel. Ansonsten hatten die Mainzer gegen die Berliner Abwehr kaum eine Chance.
Herthas Winterzugang Roman Hubnik überzeugte bei seinem Debüt auf der Innenverteidigerposition durch sein gutes Stellungsspiel. Vorne aber kamen die Berliner nur durch eine Standardsituation zum Erfolg. Nach einer Ecke von Raffael verlängerte Cicero das Leder per Kopf auf Ramos, der seinen Schädel zum Ausgleich hinhielt.
Einen Erkenntnisgewinn haben die Berliner aus der Partie mitgenommen. Manager Preetz sagte: "Die Mainzer haben uns vorgemacht, wie man vorne stört." Und auch Friedrich staunte ob der frühen Attacken: "Wahnsinn, was die Stürmer bei denen rumgelaufen sind." Diese Bemerkungen kann man durchaus als Kritik an der eigenen Offensivreihe verstehen. Die in der Liga sorgenlosen Mainzer hatten den Berlinern zumindest eine Halbzeit lang vorgeführt, wie Abstiegskampf geht.
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