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Kommentar WesterwelleZum Scheinriesen geschrumpft

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Erstaunlich ist nicht die Krise der Liberalen, erstaunlich ist, wie ungelenk und hysterisch Westerwelle und Co darauf reagieren.

E s ist nicht leicht zu erkennen, woran die FDP im Moment am meisten leidet. Die Liberalen schmerzt es, dass die CDU in NRW unverhohlen mit den Grünen anbandelt. Das ist machtpolitisch für die FDP in der Tat gefährlich. Es zeigt, dass der Preis für ihren Wahlerfolg eine drastische Verengung ihrer Koalitionsmöglichkeiten ist.

Die Liberalen sind auf Gedeih und Verderb an die Union gebunden. Und während die Union munter ihr Koalitionsspektrum erweitert, hat sich die FDP unter Westerwelle in eine neobürgerliche Protestpartei verwandelt, mit der sogar die ideologisch überaus dehnbare SPD nichts anfangen kann. Kurzum: Die FDP ist ein Scheinriese. Sie kann im Bund nur mit der Union regieren. Und auch was das betrifft, kann man sich derzeit nicht sicher sein.

Im Grunde bekommt Schwarz-Gelb nun die Quittung für seinen effektiven Wahlkampf. Die Union trat unter Merkel mittig und maßvoll auf. Was sie wollte, war nicht zu erfahren. Dafür war klar, dass sich unter Merkel schon nichts Dramatisches ändern würde. Die FDP zog an, wem das zu wenig war. Dies war eine perfekte Arbeitsteilung - aber perfekt eben nur als Inszenierung. Jetzt zeigt sich, dass die Liberalen ihr zentrales Versprechen - Steuersenkungen - nicht umsetzen werden. Steuersenkungen sind angesichts von Wirtschaftsbaisse und kollabierenden Haushalten blanker Unfug. Es wäre Irrwitz, wenn die Union dies zulassen würde.

taz

Stefan Reinecke ist Parlamentsredakteur der taz.

Die Krise der Liberalen ist insofern nicht überraschend. Die Enttäuschung, die die FDP als Regierungspartei ihrer Klientel bereiten musste, war absehbar - und die FDP eine Art überbewertete Aktie, die beim ersten genauen Blick in die Geschäftsbücher abstürzen musste. Und nicht zu vergessen: Das eindrucksvolle Wahlergebnis verdankte die FDP auch der vorherigen großen Koalition.

Erstaunlich ist nicht diese Krise, erstaunlich ist, wie ungelenk und hysterisch Westerwelle und Co darauf reagieren. Sogar nach Merkels öffentlichem Rüffel für Westerwelles Populismus in Sachen Hartz-IV-Empfänger kennt der FDP-Chef nur eine Richtung: Attacke. Und es gibt niemanden in der FDP, der eine andere Tonlage anschlagen kann oder ein anderes Thema hätte.

Neben Westerwelle ist in der FDP kein Platz für eigenständiges Führungspersonal. Das wusste man schon vorher. Aber jetzt rächt es sich.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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5 Kommentare

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  • J
    joschi

    Wer sich die Mühe macht und intesiv die Pressestimmen, die durchweg die öffentliche Meinung widerspiegelt, liest, muss zu dem Schluss kommen: Wer hält diesen Wahnsinnigen auf?

    Am 9.5. wird die große poitische Seifenblase endlich zusammenbrechen.

  • BD
    Beiss den Guido

    Wer sich Guidos O-Ton genau anschaut, kann einen Subtext mitlesen, der auf die Zustimmung von rechtspopulistischen Strömungen und die Aktivierung von Vorurteilsbereitschaften abzielt. Wir werden bald von der FDP und ihren Claqeuren erfahren, wie hoch der Anteil der Migranten mit "Kopftuchmädchen" am "Hartz IV"-Bezug ist. Österreich sollte uns lehren, dass dadurch für die scheinliberalen Rechtspopulisten mehr als 10 Prozent der WählerInnenstimmen drin sein sollten.

  • HK
    Hans-Peter Krebs

    Die Synomisierung von FDP - Liberalen - neobürgerliche Protestpartei ist meiner Meinung nach gefährlich:

    1. weil sie den Monpolisierungsanspruch der FDP stützt

    2. weil sie rechtspopulistische Avancen der FDP verniedlicht

    Gerade letzteres scheint mir sehr vorausschauend die existierenden Trends in Europa (Niederlande, Frankreich, Italien usw.) aufzugreifen.

    Aber vielleicht schreibt sich im feulletonischen Stil so leichter?

  • K
    komkuk

    Narrenfreiheit

     

    Es ist Karneval. Da ist es alter Brauch,

    dass ein Narr, der etwas auf sich hält,

    in die Rolle eines anderen schlüpft. Doch -

    so fragen sich viele Nichtkarnevalisten:

    Was ist nur mit dem Guido los?

    Ausgerechnet dem sonst so fröhlichen, immer

    zu Späßen aufgelegten Rheinländer ist es in

    diesen Tagen tierisch ernst.

    Da macht der Guido mobil.

    In der fünften Jahreszeit macht er uns doch

    tatsächlich den Oskar, den populistischen

    Provokateur. Und so wie der echte Oskar von

    der Saar wettert und geifert er lautstark -

    aber wohlkaluliert - mit hochrotem Kopf

    gegen die Wohltaten des Sozialstaates, um

    sich - peinlich, peinlich - bei den Wohl-

    habenden desselben einzuschleimen.

    Wir reiben uns verwirrt die Augen.

    Da schwingt er sich auf zum wortgewaltigen

    Hass-IV-Prediger, und man nimmt ihm ab, dass

    es ihm auch dabei tierisch ernst ist, dass

    er aus tiefster Überzeugung die Armut und das

    Elend unserer Zeit verdammt.

    Dumm nur: Große Teile des blöden Wahlvolkes

    mögen dem derben Possenspiel nicht folgen.

    Sie verstehen es einfach nicht.

    Alte Kameraden, Parteifreunde, Koalitions-

    partner und selbst die sonst wohlmeinende

    Klientel seiner Partei versagen den Applaus,

    halten sich konsterniert zurück.

    Am Ende hat ihn kaum noch einer lieb. Da

    geht es ihm so wie diesem Oskar, den er zu

    parodieren sucht. Wie soll das weitergehen?

    Das Publikum kann sich kein rechtes BILD

    machen, wartet sensationslüstern ab:

    Stolpert der forsche Guido über die Bretter,

    die seine Welt bedeuten? Stürzt er für immer

    von der Bühne? Endet das Drama tragikomisch

    mit einem politischen Suizid?

    Oder gründet er sein eigenes Kasperletheater?

    Das wär's: Eine Partei der Narren, Komödianten,

    Possenreiter. Back to the roots.

    Erinnern wir uns:

    Es waren die Spaßmacher und Eulenspiegel, die

    wider die Obrigkeit für die Rechte des ein-

    fachen Volkes stritten: für Narrenfreiheit.

    Zu einer Zeit, als das Unwort 'neoliberal'noch

    nicht erfunden war.

  • M
    Mac-Lennox

    Die schlechten Umfragewerte der FDP in der letzten Zeit belegen für mich die Lernfähigkeit vieler WählerInnen. Man kann nur hoffen, dass diese Partei bei der NRW-Wahl wieder auf Normalmaß (unter 10 Prozent) zurechtgestutzt wird. Damit Herr Westerwelle noch lauter bellt und keift.