Olympia Eiskunstlauf: Kein Lächeln für Bronze
Das deutsche Eislaufpaar Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy zerbricht unter dem selbst aufgebauten Erwartungsdruck. Trainer Ingo Steuer tritt unschön nach.
Es gibt Bilder, die vergisst man, weil sie so schön sind, ein Bild wie dieses: Die anmutige Eiskunstläuferin Yue Shen (31) aus China strahlt ihren Partner und Ehemann Hongbo Zhao (37) nach gelungener Kür an. Der braucht einen Moment, um zu realisieren, was geschehen ist. Dann umarmt er seine Frau. Denn er weiß: Es ist geschafft. Wir sind Olympiasieger. Unsere Geschichte hat ein Happyend genommen. Ein anderes Bild des olympischen Paarlaufs von Vancouver ist unvergesslich traurig: Aljona Sawtschenko (26) bekommt das im Eiskunstlauf obligatorische Lächeln einfach nicht hin, als sie mit ihrem Chemnitzer Partner Robin Szolkowy (30) nach der Kür vom Eis des "Pacific Coliseum" gleitet. Denn sie weiß: zu viele Fehler. Alles ist verloren. Unsere Geschichte hat kein gutes Ende gefunden.
Immerhin reicht es für die deutschen Eiskünstler zur olympischen Bronzemedaille hinter dem zweiten chinesischen Paar Qing Pang und Jian Tong. Aber das ist kein Trost für die ehrgeizige Sawtschenko. Denn sie hatte die Botschaft ihres Trainers verinnerlicht: Es zählte in Vancouver nur Gold, das hatte Ingo Steuer noch kurz vor dem Start der Winterspiele erklärt, alles andere sei eine Enttäuschung. Der 43-Jährige, der sich seine Olympiaakkreditierung vor vier Jahren in Turin noch auf juristischem Weg erstritten hatte, wünschte sich unbedingt ein Happyend für seine Geschichte. Er wollte der Welt beweisen, dass er, der wegen seiner Stasivergangenheit vielmals Geschmähte, ein Olympiasiegerpaar formen kann, das erste deutsche seit 1952. Und dann liefen seine Eleven, die sich zweimalige Weltmeister nennen dürfen, zur Filmmusik "Jenseits von Afrika" zwar eine ordentliche Kür, doch Szolkowy stürzte beim Doppelaxel.
Ausgerechnet bei dem Sprung, den Steuer anstelle des dreifachen Salchows ins Programm genommen hatte, da er ihn für sicherer hielt. "Zu 99 Prozent" soll der Doppelaxel im Training geklappt haben. Und obendrein sprang Sawtschenko einen Toeloop nur doppelt - das waren zu viele Fehler in der starken olympischen Konkurrenz.
Der Druck sei groß gewesen, "vielleicht ein bisschen zu groß für mich", meinte Szolkowy später, ein Mensch von gelassenem Gemüt. Er war sofort gewillt, die Bronzemedaille als Gewinn und nicht als Verlust des Goldes anzusehen. Steuer kannte jedoch keine Gnade und machte klar, warum ihn viele Menschen für - freundlich ausgedrückt - schwierig halten. "Mir fehlen die Worte. Vielleicht fange ich ja selbst wieder an. Die Kür hätte ich noch laufen können", schimpfte der Sachse, olympischer Bronzemedaillengewinner im Paarlauf von 1998.
"Es wäre so leicht gewesen, heute Gold zu holen, aber die leichten Sachen sind ja oft die schwersten." Es war hässlich, dass er so sprach, denn seine Athleten hatten es in Wahrheit sehr schwer; einerseits aufgrund des holprigen Saisonverlaufs: Erst musste das Paar im November kurzfristig eine neue Kür einstudieren, da sich das ursprünglich von Steuer kreierte Programm als unpassend und zu schwierig erwies. Und dann schlug sich Sawtschenko lange mit einem grippalen Infekt herum. So verloren die Chemnitzer im Dezember erst das Grand-Prix-Finale und im Januar ihren EM-Titel.
Andererseits waren die chinesischen Paare in Vancouver unwiderstehlich stark. Die Silbergewinner Qing Pang und Jian Tong, Vierte nach dem Kurzprogramm, liefen die Kür ihres Lebens, waren technisch wie künstlerisch brillant und wurden mit Standing Ovations gefeiert. Xue Shen und Hongbo Zhao, die als Führende vor Sawtschenko und Szolkowy in die Kür gegangen waren, gelang ebenfalls sehr viel. Nur einen kleinen Fehler bei einer Hebefigur erlaubten sich die ersten chinesischen Eiskunstlauf-Olympiasieger aus China, die die 46 Jahre währende Dominanz der russischen Paare beendeten. Dabei waren Shen und Zhao 2007 schon zurückgetreten, sie wagten das Comeback, da sie zwar dreimal Weltmeister und zweimal Olympia-Dritte gewesen waren, nicht aber olympische Champions. Und so schwärmten die Chinesen, die seit 2007 verheiratet sind, von einem Traum, der wahr geworden sei - Worte, die die Deutschen auch so gern gesprochen hätten. Shen und Zhao werden ihre Karriere beenden. "Es wäre schwer weiterzulaufen. Vielleicht ist es Zeit für ein Baby", sagte Zhao. Sawtschenko und Szolkowy werden im März an der WM in Turin teilnehmen - und dann entscheiden, ob sie weitermachen, um vielleicht doch noch ein Happyend zu erreichen. Sawtschenko sagt: "Es war ein olympischer Traum, aber der Traum bleibt."
TRAINER INGO STEUER
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