Sturmtief "Xynthia": Tödlicher Orkan
Das Sturmtief "Xynthia" hat schwere Schäden in Westeuropa verursacht und 60 Menschen getötet. Erst am Montag normalisierte sich wieder der Bahn- und Flugverkehr.
Das Orkantief "Xynthia" hat in Deutschland und Westeuropa mindestens 60 Menschen das Leben gekostet und schwere Schäden angerichtet. Erhebliche Einschränkungen gab es zudem im Bahn-, Flug- und Autobahnverkehr, der sich erst im Laufe des Montags langsam wieder normalisierte. Das Orkantief war, von Portugal kommend, am Wochenende auf einer ungewöhnlichen Zugbahn über Frankreich und den Südwesten und Westen Deutschlands hinweggefegt. Über dem sturmerprobten Norden Deutschlands richtete es kaum Schäden an.
Am schlimmsten traf "Xynthia" die mittlere französische Atlantikküste bei La Rochelle. Staatspräsident Nicolas Sarkozy sprach von einer "nationalen Katastrophe". Die Behörden meldeten 48 Tote und 30 Verletzte, nachdem die Sturmflut Deiche gebrochen hatte und das Wasser meterhoch durch Küstenorte strömte. "Es gibt Bereiche, in denen schlicht nicht gebaut werden kann", kritisierte Umweltstaatssekretärin Chantal Jouanno die Bausünden der Vergangenheit.
In Deutschland traf das Orkantief vor allem den Südwesten und Westen. Mehrere Menschen starben durch umstürzende Bäume. In Nordrhein-Westfalen und im Saarland stellte die Bahn den Verkehr am Sonntagabend komplett ein, weil umgestürzte Bäume Gleise blockierten oder Oberleitungen beschädigt hatten. Tausende Fahrgäste saßen über Nacht fest - und mussten in bereitgestellten Zügen schlafen oder auf eigene Kosten ein Hotel suchen.
"Im Sinne der Sicherheit war es richtig, den Bahnverkehr zeitweise einzustellen", sagte Karl-Peter Naumann, Chef des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Nicht auszudenken sei schließlich, wenn ein Hochgeschwindigkeitszug auf einen umgestürzten Baum rase. Problematisch sei allerdings, dass die Bahn den Umfang von Baumpflegearbeiten am Rande der Trassen in den vergangenen Jahren zurückgefahren habe. "Wenn man Bäume ordentlich schneidet, fallen weniger Äste herab." Entwurzelungen ließen sich so allerdings auch nicht verhindern. An manchen Bahnhöfen sei auch die Information der Fahrgäste nicht zufriedenstellend gewesen. "Da fehlt es an Notfallplänen."
Unklar ist, inwieweit das Orkantief "Xynthia" ein Zeichen des Klimawandels ist. "Das ist ein Einzelereignis, von dem man nicht auf den Klimawandel schließen kann", sagte Jörg Rapp, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst. Außergewöhnlich sei allerdings die Zugbahn des Orkantiefs gewesen, das weit im Süden zwischen den Azoren und Madeira entstanden und von Südwest nach Nordost gewandert sei. "Normalerweise kommen Sturmtiefs bei uns eher aus Westen oder Nordwesten."
Ein Orkantief allein könne kein Zeichen für den Klimawandel sein, sagte auch Uwe Ulbrich, Direktor des Instituts für Meteorologie an der Freien Universität Berlin. "Wir haben auch in der Vergangenheit keine statistisch signifikante Zunahme von Stürmen gesehen." Für die Zukunft sehe es jedoch anders aus: "Die Projektionen der Klimamodelle für das laufende Jahrhundert weisen auf eine Zunahme des Sturmrisikos für Zentraleuropa hin."
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