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Kommentar KaradzicHochzeit für die Ideologen

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Karadzic' Verteidigung eröffnet eine scharfe Auseinandersetzung um die jüngere Geschichte auf dem Balkan. Die Serben hätten sich doch nur gewehrt.

S eine Verteidigung ist als ein Rundumschlag angelegt. Der frühere Serbenführer Radovan Karadzic hat erneut die finsteren Mächte Deutschland und die USA ebenso wie den Vatikan und die Türkei für den Krieg in Bosnien und Herzegowina verantwortlich gemacht. Die Serben hätten sich nur gegen die kroatische Ustascha und den islamischen Fundamentalismus gewehrt, rechtfertigte er seine Politik der ethnischen Säuberungen. Mit diesen Aussagen hat er das Weltbild des serbischen Nationalismus zu Beginn des Krieges 1992 treffend beschrieben. Seine Antwort auf die umfangreiche Anklage des Tribunals klang wie eine Stimme aus einer längst vergangenen Zeit.

Ob er mit seiner Verteidigung ungewollt zu einer Aufarbeitung der Vergangenheit und damit zur Verständigung der Menschen in Bosnien und Herzegowina beigetragen hat, bleibt abzuwarten.

Das offizielle Belgrad, das auf die Integration in die EU hofft, wird sich wohl kaum zu profilierten Äußerungen hinreißen lassen, weder in die eine noch in die andere Richtung. Die fundamentale Opposition in der serbischen Hauptstadt wird Karadzic Äußerungen sicher als das analysieren, was sie sind: die Rechtfertigung einer nationalistischen und mörderischen Politik. Doch viele Menschen in Serbien und der Republika Srpska werden den Rundumschlag trotzdem als entlastend für das eigene Gewissen empfinden.

taz

Erich Rathfelder 60, ist seit über 15 Jahren Journalist im Dreieck Berlin, Split, Sarajevo. Sein jüngstes Buch: "Schnittpunkt Sarajevo. Bosnien und Herzegowina zehn Jahre nach dem Krieg" (Schiler Verlag, 2006).

Der Prozess wird viele schmerzhafte Erinnerungen wachrufen. Und die Ideologen aller Seiten auf den Plan rufen. Erneut wird eine scharfe Auseinandersetzung über die Interpretation der jüngsten Geschichte auf dem Balkan einsetzen. Auch im Ausland. Entscheidend ist daher, ob die Anklage gut arbeitet und stichhaltige Beweise vorlegt.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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3 Kommentare

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  • JR
    Judge Robinson

    @ Reinhard @Gober

     

    Herr Reinhard, was moechten Sie mit Ihrer Aussage "leider wissen wir ja, die Sieger schreiben Geschichte" eigentlich sagen? Versuchen Sie damit zu implizieren, dass es keinen Voelkermord in Bosnien und Herzegovina gegeben hat?

     

    Nur zu Ihrer Information: Das ICTY hat in seiner langjaehringen Arbeit umfangreiches Beweismaterial fuer den Voelkermord gesammelt, das fuer jedermann einsichtig ist:

     

    http://www.icty.org/

     

    http://www.icty.org/action/cases/4

     

    Der Prozess gegen Karadzic stellt in diesem Rahmen lediglich die Spitze des Eisberges dar und die Anklage baut ihrer Argumentation auf einer Fuelle sichergestellter Beweise auf.

     

    Einmal abgesehen von dem Prozess gegen Karadzic: Mit welchem Recht meinen Sie und Herr Gober eigentlich die jangjaehrige Arbeit eines internationalen Strafgerichtshofs in Frage stellen zu koennen? Und wuerden Sie in diesem Sinne ebenfalls behaupten, dass die Prozesse von Nuernberg "Siegerprozesse" waren, in denen die Aliierten "Geschichte geschrieben" haben?

  • DG
    Dirk Gober

    "Entscheidend ist daher, ob die Anklage gut arbeitet und stichhaltige Beweise vorlegt"

    Und wenn die Anklage nicht gut arbeitet, oder schlimmer noch: gut arbeitet und dennoch keine Beweise vorlegen kann? Wird Karadjic dann auch "plötzlich und unerwartet" das Zeitliche segnen, wie Milosevic, dessen Tod sehr obskur ist und just zu dem Zeitpunkt erfolgte, als immer klarer wurde, daß es zu keiner Verurteilung kommen würde.

  • R
    Reinhard

    Was soll man auch schreiben, wenn sich der Autor nur in Split und Sarajevo aufhielt? Subjetivität Herr Rathfelder.....

     

    Ich war in allen 3 Regionen und habe da ein sehr viel anderes Bild bekommen.....

     

     

    Aber nun ja.....man wird sehen.....leider wissen wir ja, die Sieger schreiben Geschichte.