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Maut für Street ViewStade will 20.000€ von Google

Die Politik im niedersächsischen Stade denkt darüber nach, von Google eine Sondernutzungsgebühr fürs Fotografieren der Straßenzüge zu erheben. Dabei ist Google längst durchgefahren.

Soll nicht einfach so für das Internet erfasst werden, findet mancher: Stade. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Stadt Stade überlegt, Google zur Kasse zu bitten. "Wir haben darüber diskutiert", sagt der Ratsherr Horst Deede, inzwischen parteiloser Ex-Christdemokrat und Mitglied im Ausschuss "Feuerwehr, Sicherheit und Ordnung". Es sei um eine neue Satzung für Sondernutzungen gegangen, und da habe man darüber gesprochen, was man dagegen tun könne, dass Google für seinen Dienst "Street View" die Straßen von Stade fotografiert und ins Internet stellt.

Wie das Hamburger Abendblatt berichtete, sind sich die Parteien in Stade im Prinzip darüber einig, dass sie von Google Geld wollen. Stade, das sich seit zwei Jahren wieder "Hansestadt" nennen darf, liegt an der Unterelbe unweit des Alten Landes und hat als Hauptattraktion eine historische Altstadt zu bieten.

20 Euro für den Kilometer, 20.000 Euro für die Stadt: So viel will der Stadtrat von Google haben, damit die Straßen online einsehbar sind. Horneburg und Buxtehude, beide unweit von Stade gelegen, haben offenbar ähnliche Pläne. "Da sind auch andere Städte mit dabei", das immerhin bestätigt Ratsherr Deede. Der Niedersächsische Städtetag sei eingeschaltet.

"Wir machen Fotos von öffentlichen Plätzen und Straßen, wie das jeder machen kann", sagt Google-Sprecherin Lena Wagner. "Es gibt kein Recht, dass das unterbindet." Eine Sondernutzung liege nicht vor: Weil die Google-Autos sich exakt dem Straßenverkehr anpassten - sie würden zum fotografieren nicht langsamer oder stehen bleiben und behinderten somit den Verkehr auch nicht. Allerdings ist Stade nicht die erste Stadt, die Geld sehen will.

Vor einem Jahr hatte das Örtchen Molfsee bei Kiel von sich reden gemacht, weil es Googles Kameras von seinen Straßen verbannen wollte - ebenfalls mit Verweis auf eine angebliche Sondernutzung. "Die Straße ist zum Fahren da und nicht zum Fotografieren", bekräftigte Bürgermeister Roman Hoppe noch im Februar seinen Standpunkt.

Kritik an "Street View"

Auch der Datenschutzbeauftragte im nordhrein-westfälischen Ratingen, Peter Wacker, verlangt von Google 20 Euro pro abgelichtetem Kilometer: Eine Sondernutzung liege vor, "wenn jemand eine ganze Stadt fotografiert und damit Geld verdienen will".

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) warnte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, Banken könnten die Bilder nutzen, "um die Kreditwürdigkeit eines Kunden einzuschätzen". Auch "zum Ausspionieren lukrativer Einbruchsobjekte" seien die Fotos geeignet.

Tatsächlich ist Molfsee schon im vergangenen Mai fotografiert worden. Google verwies damals auf die Möglichkeit, das eigene Haus unkenntlich machen zu lassen. "In Deutschland ist das sogar im voraus möglich", sagt Sprecherin Wagner. Darauf habe man sich mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar verständigt.

Google weist darauf hin, dass Gesichter und Autokennzeichen in Street View ohnehin unkenntlich gemacht würden. Wer dennoch Bedenken gegen ein Foto habe, könne das bei Google melden – dazu genüge ein Klick auf das Foto.

"Wir sind seit 2008 unterwegs, und den größten Teil Deutschlands haben wir schon abfotografiert", weiß Wagner. Auch in Stade und Buxtehude seien die Google-Autos schon gewesen. "Aber es kann natürlich immer sein, dass man noch mal zurückkommt, wenn eine Straße gesperrt ist oder so."

In diesem Fall muss sich Google, schickt es seine Autos nach Stade, warm anziehen.

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5 Kommentare

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  • R
    rauhfuß

    Nochmal der selbe Kommentar:

    Wenn sich Streetview nicht verhindern lässt ist das mit der Nutzungsgebühr eine vernünftige Idee. Schließlich müssen auch Filmteams für ihre Drehs Gebühren zahlen. Warum Google da eine Ausnahme sein soll verstehe ich nicht. Es besteht außerdem auch ein Unterschied, ob ein Privatfotograf seine Urlaubsbilder macht, oder ob ein profitorientierter Konzern die Fotos weltweit im Netz veröffentlicht.

  • HS
    Hans Scholz

    Wer einer Veröffentlichung von Bildern seines Hause widersprechen möchte, findet auf der Seite http://sites.google.com/site/streetfog/ eine Widerspruchsvorlage.

  • AH
    Andreas H.

    "Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) warnte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, Banken könnten die Bilder nutzen, 'um die Kreditwürdigkeit eines Kunden einzuschätzen'. Auch 'zum Ausspionieren lukrativer Einbruchsobjekte' seien die Fotos geeignet."

     

    Nein?! Was haben Bänker und Einbrecher früher bloß gemacht???

     

    Die haben sich das selbst angesehen und Fotos gemacht! Für diese absolut hilflose und unqualifizierte Aussage, sollte Frau Aigner einen tollen Preis bekommen, z.B. einen Aufsichtsratsitz bei einer großen Bank...

  • N
    neun93

    Was für ein peinliches Gebaren aus der Provinz ...

  • M
    Mike

    Dabei sollte Stade froh sein, dass Google das Kaff in der Welt bekannt macht.

     

    Google sollte auf Bilder setzen, die von User gemacht werden. Dann die Fotos auf einen Server irgendwo parken - es gibt ja ausreichend Länder ohne Urheberrecht - und den Schwachsinningen den Stinkefinger zeigen.

     

    Hier machen sie auf Empörung; in New York stehen sie um 20 Uhr Schlange vor der Kamera von earthcam, schmeissen die Angehörigen daheim mit Telefonterror aus dem Bett, damit man sie über das Internet in den Straßen der Metropole sehen kann.