Jobsicherung: Erfolg durch Besetzung
Die Belegschaft einer kriselnden Maschinenfabrik bei Elmshorn erkämpft sich eine Verschnaufpause: Sie besetzt den Betrieb. Insolvenzverwalter sieht die Lage "positiv".
Diesmal hatte die Gewerkschaftszentrale in Frankfurt die Faxen dicke: Der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber persönlich stellte in Itzehoe Strafantrag gegen Martin Köppert: Der Geschäftsführer des insolventen Verpackungsmaschinenherstellers Affeldt in Neuendorf bei Elmshorn behindere die Betriebsratsarbeit, wie es in Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes stehe.
Der Grund ist eine Betriebsversammlung der 160 Mitarbeiterinnen, die Köppert eigenmächtig einberufen hatte. Dabei warf er dem Betriebsrat vor, jährlich 100.000 Euro an Kosten zu verursachen und für die Schieflage des Betriebes sowie die Insolvenz verantwortlich zu sein. Was die IG Metall anders sieht: Genau das Gegenteil sei der Fall.
Management aufgestockt
Köppert hatte sich mit seiner Beteiligungsgesellschaft MKB Ende 2007 in den Metallbetrieb eingekauft. Dieser werde seitdem, so die IG Metall, in einem "schleichenden Prozess" ausgesaugt: Das Management wurde demnach durch MKB-Mitarbeiter aufgestockt, was pro Jahr rund 500.000 Euro Kosten verursache. Know-how sei aus dem Betrieb ausgelagert worden. "So etwas nennt man heute Heuschrecke", sagt der Chef des IG-Metall-Bezirks Unterelbe, Uwe Zabel.
Als die Affeldt-Belegschaft in der vergangenen Woche überraschend mit der Insolvenz des Betriebs konfrontiert wurde, reagierte sie prompt: Sie besetzte die Fabrik. "Wir konnten nicht akzeptieren, dass sich die Geschäftsführung im letzten Jahr darin geübt hat, die gesetzlichen Rechte des Betriebsrates zu missachten, statt ihren Job zu machen und den Betrieb zu erhalten", sagt die Betriebsratsvorsitzende Astrid Petersen. "Andere Betriebe sind auch von der Krise betroffen, gehen aber vernünftig mit den Beschäftigten, ihren Betriebsräten und ihrer Gewerkschaft IG Metall um."
48 Stunden dauerte die Betriebsbesetzung - und zeigte Wirkung: Der Abtransport wertvoller Gerätschaften wurde verhindert, darunter eine 100.000 Euro teure Maschine für Verpackungsanlagen. Inzwischen ist der Rechtsanwalt Klaus Pannen vom Amtsgericht als vorläufiger Insolvenzverwalter ein- und die Kurzarbeit ausgesetzt worden. Er sehe die Lage durchaus "positiv", sagt Pannen der taz. "Das sind gute Produkte und es ist ein gutes Unternehmen. In sechs Wochen wissen wir mehr."
Eine Million abgezogen
Auch Insider bieten Hilfe an: So schreibt ein Unternehmensberater, der die Affeldt-Bilanzen einsehen konnte, dass aus der Firma eine Million Euro Kapital abgezogen worden sei - ob aus privaten oder betriebswirtschaftlichen Gründen, sei zu untersuchen. "Hieraus ergibt sich, dass die angeführten Umsatz- und Auftragseinbrüche zumindest nicht der alleinige Grund für die Insolvenz sind", sagt er.
"Die Freude der Belegschaft und unsere Motivation ist groß", sagt Gewerkschafter Zabel nun. "Es gibt wieder Geld und Arbeit." Affeldt-Betriebsrätin Astrid Petersen fordert nun "die langfristige Sicherung möglichst vieler Arbeitsplätze". Es müsse eine Perspektive für die 160 Beschäftigten her, sagt sie, "damit diese nicht die Managementfehler mit Massenarbeitslosigkeit bezahlen müssen".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!