Anwärter auf SPD-Landesvorsitz nominiert: "In der Mitte der Partei"
Andreas Bovenschulte kandidiert als SPD-Chef. Dass er Vize-Bürgermeister in Weyhe ist, sieht er nicht als Problem. Der Partei empfiehlt er die Abkehr von der Schröder-Politik
taz: Sie wollen Landesvorsitzender der SPD werden. Warum?
Andreas Bovenschulte: Ich bin seit mehr als 25 Jahren in der SPD. Und die Partei liegt mir sehr am Herzen. Bislang war ich überwiegend in meinem Ortsverein aktiv, war in keinem Führungsgremium. Wenn die SPD ihren Anspruch auf Erneuerung einlösen will, müssen auch neue Leute bereit sein, Verantwortung für die Gesamtpartei übernehmen.
Wo waren Sie all die Jahre?
Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren. Das habe ich in all der Zeit nicht. Da ist man auch dicht bei dem, was die WählerInnen von uns denken.
Wo muss sich die SPD ändern?
Wir müssen versuchen, unsere Mitglieder wieder stärker zu aktivieren. Das ist eine Frage der Inhalte, aber auch der Form. Des Weiteren muss die SPD eine eigenständige Rolle neben Bürgerschaft und Senat spielen, sie kann nicht nur nachvollziehendes Beschlussorgan sein. Und schließlich: Wir dürfen nicht im eigenen Saft schmoren, sondern müssen mit den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen diskutieren - auch wenn das mitunter schwierig sein kann.
Wo wollen Sie inhaltliche Akzente setzen?
Die SPD muss in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Korrekturen vornehmen - und zwar da, wo sich Positionen aus der Regierungszeit im Bund als problematisch erwiesen haben.
Hartz IV war also ein Fehler?
Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze in einigen Punkten von Beginn an mit Skepsis betrachtet habe. Dass da Korrekturbedarf besteht, ist heute Mehrheitsmeinung in der SPD.
Wo muss korrigiert werden?
Wir müssen die Leiharbeit stärker regulieren, die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I verlängern und flächendeckende Mindestlöhne einführen. Und ich sehe bei den Zumutbarkeitsregelungen Korrekturbedarf. Es kann nicht sein, dass die Menschen jede Arbeit annehmen müssen, auch wenn die Löhne nahe der Sittenwidrigkeit sind. Auch über die Höhe der Regelsätze, gerade bei Kindern, muss man reden.
In der Öffentlichkeit werden Sie als Parteilinker klassifiziert...
Die Rolle der Flügel in der SPD wird überschätzt. Was Hartz IV angeht, stehe ich mit beiden Beinen in der Mitte der Partei.
Wo wollen Sie sich von Senat und Fraktion abgrenzen?
Das kann man nicht abstrakt sagen. Das ist ja kein Wert an sich. Aber um mal ein Beispiel zu machen: Ich finde es gut, wenn die SPD eine kritische Haltung zu Privatisierungen einnimmt. Das kann an der einen oder anderen Stelle noch akzentuierter sein, als dass man das im Tagesgeschäft durchhalten kann.
In der SPD in Bremen hatten zuletzt nur Männer das Sagen...
Die SPD hat eine Quotierung für politische Positionen, um die gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter sicher zustellen. Das ist auch goldrichtig so.
Aber in der Praxis stehen doch nur Männer vorn dran.
Man muss in jedem Einzelfall angucken, ob das Ziel erreicht ist. Klar, auch ich bin ein Mann. Letzten Endes werden die Mitglieder der SPD entscheiden, wen sie für geeigneter halten. Dabei wird vieles eine Rolle spielen, nicht nur das Geschlecht.
Diese Basisentscheidung wird dadurch untergraben, dass Uwe Beckmeyer und Carsten Sieling sie designiert haben.
In der SPD werden Vorstände immer von unten gewählt und nicht von oben eingesetzt. Dass die beiden Abgeordneten mich für geeignet halten, ist nicht ehrenrührig.
Sind Sie als Erster Gemeinderat in Weyhe nicht befangen, wenn es um Bremer Interessen geht?
Das sehe ich überhaupt nicht. Das kann auch ein Vorteil sein, wenn man beide Seiten kennt. Und in den letzten Jahren gab es immer eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Bremen und Weyhe, etwa bei der Verlängerung der Straßenbahn-Linie 8.
Aber die Interessen Bremens sind nicht immer gleich denen des Umlandes, etwa wenn es um Steuern und den Länderfinanzausgleich geht.
Aber da hat Weyhe nicht mitzureden. Auch das Land Bremen bestimmt diese Regeln nicht. Ich sehe da keinen Konflikt.
Wie viel Zeit bleibt ihnen in ihrem Job für die Bremer SPD?
Man muss sich fragen: Wer soll Ehrenämter in der SPD besetzen können: Nur Berufspolitiker oder auch jene, die im Berufsleben stehen. Ich finde: Letzteres.
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