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Kommentar GriechenlandDie Nationenverzocker

Hermannus Pfeiffer
Kommentar von Hermannus Pfeiffer

Die Finanzinvestoren aus Frankfurt, New York und London haben es geschafft: Die griechische Regierung kapituliert vor der Fülle an haus- und EU-gemachten Problemen - und vor den Spekulanten.

N un haben es die Finanzinvestoren aus Frankfurt, New York und London geschafft: Die griechische Regierung bittet die EU und den IWF um Hilfe. Hellas kapituliert vor der Fülle an haus- und EU-gemachten Problemen - und vor der Macht der Spekulanten.

Großbanken und Investoren, Ratingagenturen und Hedgefonds haben seit März den Druck auf die sozialdemokratische Pasok-Regierung ständig erhöht und auf den Bankrott des Landes spekuliert. Dadurch wuchsen auf den globalen Finanzmärkten die Erwartungen, dass Griechenland bald zahlungsunfähig werde - eine sich weitgehend selbst erfüllende Prophezeiung. Zuletzt sollte Griechenland mehr als 10 Prozent Zinsen zahlen - dreimal so viel wie Deutschland. Dabei hatte sich die wirtschaftliche Lage seit November real gebessert.

Vor allem die deutsche Bundesregierung hat sich einer wirklich solidarischen europäischen Lösung widersetzt. Lieber ein kleiner (harter) Euro als ein großer (weicher), meint die politische Elite des Exportvizeweltmeisters heute hinter vorgehaltener Hand. Helfen würde eine Regulierung, die die Finanzakteure zwingt, ihre Kernaufgaben zu erfüllen: Kapital einzusammeln, um Kredite an Wirtschaft, Staat und Häuslebauer zu vergeben.

Hermannus Pfeifer

ist Autor der taz.

Auch IWF und Weltbank werden auf ihrer Frühjahrstagung keine Transaktionssteuer beschließen. Nur sie könnte jedoch helfen, es den Finanzmärkten auszutreiben, ganze Nationen in den Ruin zu zocken. In nur zwei Dekaden traf es Südostasien, Argentinien und Russland. Und nun Griechenland. Die nächsten Opfer dürften die noch höher verschuldeten Länder Italien, Irland und Spanien werden.

Die faszinierende Idee eines vereinten Europas steht am Abgrund. Weil Euro und Binnenmarkt nur ein rein ökonomisches Projekt zwischen Schwachen und Starken blieben. Und weil die Regierungen sich auch fast drei Jahre nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise mit Symbolpolitik begnügen - statt die Täter an die Kandare zu nehmen.

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Hermannus Pfeiffer
Autor
Soziologe und promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Spezialgebiete: Banken/Versicherungen/Finanzmärkte und maritime Industrie. Arbeitet seit 1995 als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt „Gewinn ist nicht genug! 21 Mythen über die Wirtschaft, die uns teuer zu stehen kommen“, Rowohlt Verlag, Reinbek 2021.
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8 Kommentare

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  • A
    andyconstr

    Klare Attacke der Finanzkapitalisten gegen eine Linksregierung.Der Kapitalismus will seine wirtschaftlichen Monokulturen und Fastprovitmentalitäten überall verbreiten und hat sie verbreitet.Partizipieren tuen jetzt schon Nationen nicht mehr, die Mehrheit der Bürger schon lange nicht mehr.Wurde früher noch Mehrwert geschaffen, geht die jetzige Entwicklung an die Substanz, der Finanzkapitalismus lebt von der Substanz der Wirtschaft.Wurden früher noch regionale Strukturen wirtschaftlich entkräftet, jetzt sind es schon Nationen.Am Schluss steht ein gesellschaftlich und ökologisch verrottendes System.Die Frage ist wie lange integere Nationen durchhalten, ohne gesellschaftlich zu zerfallen.Der Ballast Kapital ist zu schwer geworden, er produziert nicht mehr Innovation sondern erschwert sie, er fördert nicht Effektivität sondern verhindert sie, er schafft wenig Motivation.Fazit, die Dynamik des Geldes ist Elendig.

  • E
    Eser

    Komisch.... manchmal lese ich "sozialistische Regierung in Griechenland" und dann manchmal wieder "sozialdemokratische Regierung in Griechenland"... ja was denn nun? Dieses Land ist in der EU und ich glaube kaum, dass man Sozialisten in die EU aufnehmen würde. Da sind Neoliberale sehr konsequent.

  • H
    harun

    nachtrag von harun:

    einen fehler in meinem obigen kommentar muß ich berichtigen: jürgen neumanns famoser krisen-händel-artikel benutzt den mehrwertbegriff nicht, bezieht sich allerdings abstrakt auf die krisen- und kapitalismusinterpretationen von robert kurz:

    bei ihm kann man (das weltkapital; exit!org etc.)dann den zusammenhang zwischen abstrakter arbeit, absoluter abnahme d. globalen mehrwertmasse,modernem finanzkapital,krisenphänomenen usw.) nachlesen.

     

    was den kognitiven und sozialethischen umgang nicht nur mit der g r i e c h i s c h e n krise angeht, ist i.d.zus. noch nachzutragen:

    ich bestehe mit neumann und kurz auf der dominanz d.systemischen,gesetzesartigen,zwanghaften u.nationen übergreifenden, von den ök.akteuren weitgehend undurchschauten(undurchschaubaren?) charakter der krise.(wirkkräfte "hinter dem rücken" hegel- der ökon. akteure)

     

    diese dominanz ist m.e. aber nie vollkommen: für die ethische evaluation der politischen u. ethischen krise griechenlands impliziert dies, den "schuldanteil" insbesondere der griechischen kapital.machtelite nicht zu hochzuveranschlagen! aber besonders gegen kurz ist festzuhalten, daß es diesen schuldanteil g i b t -trotz großem systemzwang:

     

    das kann man gerade beim gnadenlosen umgang der brd-machtélite mit dem griechischen volk (wie da bösartig lohnsenkungen für die eh armen griechischen arbeiter bis 25% gefordert werden, stinkt nach malthus)sehen: z.b. bei w e m die verantwortlichen ihre schulden eintreiben es gibt immer den unterschied zwischen einem roosevelt und merkel-westerwelles.die eu könnte darauf bestehenm, daß die vermögen der griechischen reichen a la roosevelt b esteuert werden müßten! auch politiker sind nie nur "charaktermasken".

     

    was die wiss. haltbarkeit meiner überzeugung von der "unzähmbarkeit" des kapitalistischen monsters angeht,wäre ein landesweiter disput aller interessierten hierzulande nützlich!

  • L
    Luftschloss

    Glauben sie mir Herr PFEIFFER, wenn wir wirtschaftlich die letzten 30 Jahre so handelt würden wie sie das für richtig halten wären wir jetzt genauso weit wie Griechenland!

  • F
    Frank

    So einfach macht Herr Pfeifer sich das mit dem Euro.

     

    Nirgends ist eine Transferunion beschlossen worden und eine no-bail-out Regelung steht im Maastricht-Vertrag.

     

    Insoweit fordert der Kommentar dazu auf verfassungswidrig zu handeln.

     

    Was ist denn das für eine Forderung.

     

    Der Kommentar zeigt dass weder Demokratie noch Freiheit eine "deutsche" Erfindung ist und auch nicht in der Gesellschaft verwurzelt ist.

     

    So fängt die Erosion einer Gesellschaft an.

  • AG
    A. Grech

    "Die faszinierende Idee eines vereinten Europas steht am Abgrund. "

     

    Ja. Allerdings ... "faszinierend" ist daran schon seit einiger Zeit nix mehr - ausser vielleicht für den "Politik-Adel" die schöne Möglichkeit für lukrative zusätzliche Versorgungsposten.

     

    Europa ist nun mal ökonomisch auf dem absteigenden Ast - insofern sind Verteilungskonflikte und "rette-sich-wer-kann"-Strategien quasi zwangsläufig.

     

    Besser ein Ende mit Schrecken als...

  • A
    alcibiades

    Spanien, Irland und Italien? Da die herrschenden "Eliten" offensichtlich nicht willens sind, so etwas zu verhindern und lieber die Allmende ganzer Nationen den Börsenzockern überlassen, sehe ich keinen Grund, warum die bei diesen drei Ländern aufhören sollten.

  • H
    harun

    in griechenland erscheint die globale ökonomische krise nach der in island an einem 2. europäischen ort. auf der oberfläche sind es wildgewordene spekulanten, die gewinngierig die kleine griechische kapitalismuseinheit, selbst schon neoliberal verheert, niederspekulieren.

    doch vollziehen sie -blind- die historisch gewordenen gesetze des ökonomieontologisch scheinbar völlig autonomifizierten weltfinanzkapitals: die fordern profit um jeden preis, gerade weil die realökonomie seit langem immer weniger davon ermöglichen kann. also ungehemmte profitjagd im finanzsektor !

     

    herr pfeiffer fordert daher- sympathisch und treuherzig- eine strenge regulierung dieses tobenden finanzkapitalmonstrums. aber man sieht, daß es auch obama in den usa nicht wirklich gelungen ist, mit seinen neuen bankenregeln dem brüllenden ungetüm zügel anzulegen: so wurden anscheinend keinerlei s t r a f e n gegen regelbrecher in diesen regelcorpus eingeschrieben. warum wohl nicht? z.b.auch deshalb nicht, weil obama und seine crew, partei usw. de facto selbst vom wohlwollen des finanzkapital-monstrums abhängen?

    das gebärdet sich immer wilder, weil ihm schmerzhaft im inneren langsam der "lebenssaft" schwindet: die weltweite m e h r w e r t produktion versiegt allmählich. das íst sehr schön nachzulesen in jürgen neumanns text über die aussichten der krise in "telepolis.de" v.27.2.10. und hat viel mit angewandter marxist. kapitalismusanalyse zu tun, die leider nicht nur von den konzernmedien beharrlich tabuisiert wird. auch dafür sorgt das monstrum.

    am griechenlandbeispiel sieht man, wie dieser zerstörungsprozess im inneren des kapitalprozesses sich umsetzt in die erscheinung der zerstörung des griechischen kapitalismus und- in der politethischen verkommenheit,der gnadenlosen kälte der deutschen machtelite gegen die griech. kapitalisten i. a. und gegen die griechischen lohnabhängigen u. prekarisierten im besonderen.

    solche gnadenlosigkeit kommt demnächst auch hierzulande wohl erst richtig zum blühen , wenn im laufe der krise- nach der nrw-wahl- das tobende finanzkapitalmonstrum -vom mehrwert-blut-krebs schmerzhaft angetrieben,drapiert als sparzwang des durch finanzkapitalspritzen ausgebluteten staates- die merkels und westerwelles zum barbarischen umgang mit den sozial schwachen, "prekarisierten" peitscht. malthus läßt grüßen!

     

    solches monstrum, herr pfeiffer, ist nicht zu regulieren, es muß global durch eine menschlichere ökonomie u. gesellschaftsform ersetzt werden.