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Frauen und TechnikBarbie mit Frontantrieb

Ein Schulprojekt zeigt, wie sich Mädchen für Roboter begeistern lassen. Das klappt so gut, dass die Tüftlerinnen zur Roboter-WM nach Singapur eingeladen sind.

Stehen bei Mädchen hoch im Kurs: Roboter. Bild: AP

Lena Genc hält ihre verkrüppelte Barbie in der Hand und grinst. Jemand hat der Puppe die Beine abgesägt. Die 13-Jährige steht an einem Dienstagnachmittag im Kunstraum der Wolfgang-Borchert-Realschule in Spandau und erklärt den anderen Mädchen ihren Roboter. Dort, wo die Beine der Barbie sein sollten, ist ein Getriebe aus Lego. Dank Berührungs- und Ultraschallsensor kann die Puppe automatisch über zwei Schienen gleiten. "Jetzt ist sie eine Seiltänzerin. Die Beine mussten ab, sonst hätte es technisch nicht geklappt", sagt Lena versonnen - und ein bisschen stolz klingt es auch.

Um Lena herum sitzen acht weitere Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren. Ihre Köpfe sind über Skizzen, Sensoren und Roboterteile gebeugt. Sie alle machen bei der "Roberta-AG" mit - einer Arbeitsgemeinschaft, die Mädchen auf spielerische Weise an die Informatik und an naturwissenschaftliche Fächer heranführen soll. Denn Mädchen sind bekanntermaßen nach wie vor in Ingenieur- und technischen Berufen stark unterrepräsentiert.

Das Projekt ist eine bundesweite Initiative des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme. Das Institut stattet die Arbeitsgruppen mit Lernmaterial und den Roboterbausätzen aus. In Berlin sind rund 50 Schulen am Roberta-Projekt beteiligt.

"Mädchen wurden früher von der Informatik einfach nicht ins Boot geholt", sagt Anja Tempelhoff. Die Informatiklehrerin leitet die AG an der Borchert-Oberschule. Vor allem sei es wichtig, die Roboter so einzusetzen, dass sie Mädchen ansprechen, sagt sie. "Es ist wichtig, auch kreative Arbeiten mit einzubeziehen, beispielsweise bei der Gestaltung und Verkleidung der Roboter", so Tempelhoff.

Im Kunstraum der Borchert-Oberschule geht es geschäftig zu. Das Roberta-Team konnte sich für die Weltmeisterschaft in Singapur qualifizieren. Mitte Juni treten ihre Roboter zum Thema "Zirkus" gegen Teams aus aller Welt an. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Jennifer und Jule schneiden aus grüngoldenem Papier eine Figur aus, sie bereiten die Dekoration für die Robotershow vor. Auf der anderen Seite sitzen Nimkje und Katharina, sie üben programmieren. Sie geben Befehle auf einem Computer ein, die sie per Infrarotschnittstelle an das Roboterfahrzeug übertragen. "Ich dachte erst, Roboter sind langweilig, jetzt finde ich es gut, weil wir selbst Ideen ausprobieren können", sagt Nimkje. Nicht weit davon sitzt Isabel König, 15 Jahre, an einem Laptop. Sie sucht Sponsoren. "Wir brauchen 15.000 Euro, damit wir alle nach Singapur fliegen können", sagt sie.

Rund ein Viertel der Mädchen ergreift laut Tempelhoff einen technischen Beruf oder beginnt eine entsprechende Ausbildung. Durch Statistiken ist das bislang nicht belegt, sie stützt sich dabei auf Erfahrungswerte. Tempelhoff leitet das Projekt seit sechs Jahren. Alle Mädchen wirken selbstbewusst im Umgang mit der Technik. Jule hat viel gelernt: "Ich habe einfache Installationen am Computer nicht hinbekommen. Jetzt programmiere ich Roboter." Auch Lena Genc ist selbstbewusst: "Früher wollte ich Sekretärin werden. Jetzt könnte ich mir vorstellen einen technischen Beruf zu ergreifen. Ich traue mich jetzt auch nachzufragen, wenn ich etwas nicht verstehe", sagt sie. Barbies sind dafür erst einmal gestorben.

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